12 Lichter

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Wundersame Dinge



Hatora, Mahala, Alturin, Bengolf und Mikkel mit seinen Eltern sassen gemeinsam um den Tisch in der grossen Halle. Obwohl sie über sehr ernste Dinge sprachen, empfanden alle ihre gemeinsame Runde als etwas Bestärkendes. Keiner von ihnen wusste, wie es ausgehen würde. Würden sie siegen oder untergehen?

"In zwei Tagen ist Neumond, sagte Hatora in die Runde, und dies ist der letzte Neumond vor der Schlacht. Unsere Feinde haben sich nun alle versammelt und stehen kurz vor dem Aufbruch. Es wird sich nur noch um ein paar Tage handeln, bis Wut und Hass, Blut und Kriegsgeschrei und grosses Elend hier Platz greifen werden. Rincobal hat sie mit seinem Irrsinn und seinem dunklen Zauber geblendet und in seinen Bann gezogen. Doch sind wir gut vorbereitet."

"Alle wichtigen Dinge haben wir nun besprochen, fuhr sie fort, doch einige Dinge habe ich noch für euch." Sie liess nach Shenzir rufen, der kurz darauf mit einer edlen hölzernen und reich verzierten Kiste im Saal erschien. Nachdem er sich vor Hatora verneigt hatte, platzierte er die Kiste an Hatoras Seite und zog sich zurück. Hatora öffnete den Deckel und griff ins Innere der Kiste.

"Dies ist für Dich, mein lieber Mikkel" und dabei zog sie einen silbern leuchtenden Kristall hervor, der aussah wie eine Speerspitze. "Dies ist Belfor, die Spitze der Zerstörung. Befestige sie auf einem Deiner schnellen Pfeile und richte sie auf den der Angreifer, der am grössten ist. Doch ziele gut, denn Du hast nur diesen einen Versuch. Du wirst erkennen, wen ich meine."

Mikkel nahm den Kristall in seine Hände und bedankte sich. Er sah ihn sich ganz genau an. Von innen war er hohl, so dass er genau auf seine Pfeilspitze aufgesteckt werden konnte.

Hatora griff erneut in die Kiste und holte einen Stirnreif hervor. Sie reichte ihn an Mahala. "Dies ist für Dich Mahala. Der Stirnreif der Herrin der Kristallstadt. Meine Zeit hier neigt sich dem Ende entgegen und Du wirst danach die Geschicke dieser Stadt und ihrer Bewohner lenken. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es so kommen möge und die Schlacht gut für euch ausgeht."

Betrübte Blicke machten die Runde und Alturin senkte seinen Blick und schloss kurz seine Augen, um die anderen nicht merken zu lassen, dass sie sich mit Wasser füllen wollten.

Abermals griff Hatora in die Kiste und holte einen Ring hervor. Sie reichte ihn an Alturin weiter und hob dabei ihre rechte Hand. "Dieses ist für Dich mein lieber Freund Alturin. Schau' es ist die gleiche Machart wie meiner. Trage ihn stets, besonders dann, wenn Du einst hinüber gehst. Daran werden wir uns in einer anderen Zeit erkennen und die Energien werden sich finden und so werden wir uns finden."

Mit traurigem Blick nahm Alturin den goldenen Ring entgegen und steckte ihn sogleich an seinen Finger. Er wusste dass das Schicksal schwere Tage für sie bereit hielt, doch umso besser fühlte er sich, als er den Ring an seiner Hand spürte. Es war, als würde dieser Ring Hatoras und seine Gefühle füreinander ganz eng zusammenschweissen und endlich, ja endlich konnte er deutlich spüren, was sie auch für ihn empfand. Ein wärmendes Gefühl erreichte sein Herz und der Blick Hatoras entschädigte ihn bereits jetzt für die Dinge, die da nun noch kommen mochten. Hoffnungsvoll lächelte Alturin sie an.

Nun holte Hatora etwas aus der Kiste hervor, dass für Bengolf bestimmt war. "Du warst schon immer sehr wissensdurstig, mein lieber Bengolf. Dies ist das Buch Keshdarr. In ihm sind alle Prophezeiungen aufgeschrieben. Du sollst es behüten und Deinen Wissensdurst stillen. Wenn Du dereinst diese Ebene verlässt, übergebe es an einen Würdigen oder verstecke es." Mit diesen Worten reichte Hatora den schweren Band an Bengolf herüber, der sich sogleich bei ihr bedankte und ihn begutachtete.

"Nun bleiben noch Eira und Joohn." Hatora griff erneut in die Kiste. "Ihr habt Mikkel geschenkt bekommen und euer Mikkel hat euch das Leben zurück geschenkt. Bald werdet ihr ein weiteres Geschenk bekommen." Sie blickte auf Mahala und alle wussten, was gemeint war. "Euer Enkelkind wird ein besonderes Kind sein und ich wünsche euch, dass ihr noch viele glückliche gemeinsame Jahre haben werdet. Doch nun habe ich auch noch etwas für euch. Seit vielen Jahren trägt die alte Knorreiche keine Frucht mehr. Die letzte Frucht, die sie trug, ist hier in diesem Säckchen." Bewahrt sie gut und setzt sie dann ein, wenn die richtige Zeit dafür gekommen ist. Dann wird sie euch das Leben erleichtern."

Eira und Joohn bedankten sich für das Geschenk und nahmen das Säckchen entgegen.

Danach nahmen sie alle gemeinsam an einem fürstlichen Mahl teil, zu dem auch Shenzir dazu gebeten wurde. Hatora hatte Shenzir mit einer besonderen Aufgabe bedacht. Sollte die Schlacht schlecht ausgehen, würde er mit den wertvollsten Kristallen durch einen Geheimgang die Kristallstadt verlassen und in Sicherheit bringen. Sie durften Rincobal niemals in die Hände fallen!

Als sie mit dem Essen geendet hatten und der Tisch abgeräumt war, griff Hatora ein letztes Mal in die Kiste. Sie holte ein altes Kartenspiel hervor und legte es auf den Tisch. Neugierig blickten alle Anwesenden auf das Kartendeck. Die Rückseiten der Karten wiesen ein seltsames Glitzern auf und Hatora erklärte den neugierigen Zuschauern, dass dies Kristallkarten seien, ein altes Erbstück ihrer Familie. Im zweiten Zeitalter hatten ihre Ahnen damit in die Zukunft geschaut.

Hatora berichtete, dass die Karten gut gemischt wurden und dann in einer Reihe ausgebreitet wurden. Dann fuhr der Fragesteller mit seiner Hand über die Reihe der Karten und wenn sich der Silberstaub der Rückseite löste und nach oben zur Hand strebte, war die richtige Antwort gefunden und die Karte wurde aufgenommen und umgedreht. Das jeweilige Symbol auf der Vorderseite der Karte hatte eine bestimmte Bedeutung. Die Treffsicherheit der Karten war sprichwörtlich gewesen. Doch mit den Jahren erstarb die Zahl der Deuter und die Karten verschwanden in der Versenkung.......bis heute.

"Möchte es einmal jemand von euch versuchen," fragte Hatora in die Runde. Nach anfänglichem Zögern meldete Mahala sich und wollte eine Karte ziehen. Hatora gab ihr den Kartenstapel und forderte sie auf, diese gut zu mischen und dann in einer Reihe auf dem Tisch auszubreiten. Als dies geschehen war sollte sich Mahala auf die Karten konzentrieren und mit ihrer linken Hand über die Kartenreihe fahren.

"Du kannst eine Frage stellen oder einfach ohne Frage um eine Botschaft bitten," erklärte sie Mahala.

Mahala stand auf und beugte sich vorsichtig über den Tisch, damit ihr inzwischen ansehnlicher Bauch nicht anstiess. Dann fuhr sie wie angewiesen langsam mit ihrer linken Hand über die Kartenreihe. Erst im letzten Drittel verhielt sie etwas in ihrer Bewegung und plötzlich löste sich feiner silberner Staub von der Rückseite einer Karte. Mahala griff die Karte und drehte sie herum. Alle blickten gespannt auf das Symbol.

Es war...............die Heilerin.


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Falsche Töne



Der Neumond lag nun etliche Tage zurück und der Vollmond war ganz nah. Die Kristallstadt hatte sich prall gefüllt mit den Kriegern aus den benachbarten Landen, die Hatora ihre Hilfe angeboten hatten. Es war ein grosser Kraftakt, all die Männer unterzubringen und zu versorgen. Auch waren grosse Mengen an Vorräten in die Stadt geschafft worden, um einer längeren Belagerung standhalten zu können. Die Krieger, die nicht mehr in den Häusern der Stadt untergekommen waren, hatten überall in der Stadt Zelte aufgeschlagen. Alle hatten mitgeholfen und waren zusammen gerückt. Alturin teilte sich sein Zimmer mit seinem alten Freund Bengolf.

Belgomir und Mikkel hatten sich angefreundet. Von Anfang an waren sich beide sehr zugetan gewesen. In spielerischen Probekämpfen hatten sie gegenseitig ihre Fertigkeiten im Kampf ausgetauscht und sich gegenseitig nützliche Kniffe beigebracht und jeder hatte vom Anderen eine hohe Meinung. Ihr freundschaftliches Band gewann täglich mehr an Kraft. Jeder der beiden würde für den anderen durchs Feuer gehen.

Hatora war nur selten zu sehen gewesen in den letzten Tagen. Oft hatte sie sich allein in die Kristallkammer zurück gezogen und Stunden dort verbracht. Allen Freunden und Vertrauten hatte sie ihre Anweisungen erteilt. Alturin, Bengolf und Shenzir waren mit der Versorgung all der vielen Männer betraut worden. Mikkel oblag die Führung der Krieger und er hatte die Befehlsgewalt über alle Streitkräfte bekommen. Seinem Vorschlag diese grosse Verantwortung aufzuteilen, hatte Hatora zugestimmt. Den Befehl über eine Hälfte der Truppen bekam sein neuer Freund Belgomir und wenn die Schlacht begann, sollten Alturin und Bengolf mit ihrer grossen Erfahrung hinzukommen. Hatora gefiel die Weitsicht ihres Schützlings sehr.

Mahala machten die letzten Tage vor der Niederkunft sehr zu schaffen. Manchmal suchte sie die Nähe Hatoras, wenn deren Zeit es zuliess. Sie zogen sich dann in Hatoras Gemächer zurück und sprachen über das Kind. Mahala wusste, dass es ein Junge ist und gemeinsam hatten sie über einen Namen für ihn nachgedacht. Doch die endgültige Entscheidung darüber wollte Mahala gemeinsam mit Mikkel treffen. Das Gewicht des Kindes zog sehr in ihrem Rücken und die letzten Tage waren ihr immer schwerer gefallen. Doch dank Hatoras Hilfe war es für sie letztlich erträglich gewesen.

Alturin und sein Freund Bengolf waren meist den ganzen Tag in der Stadt unterwegs und kümmerten sich um die Versorgung der vielen Menschen. Shenzir unterstützte sie dabei. Karren mit Lebensmitteln und viele Krüge mit Wasser wurden durch die Stadt transportiert, um alle zu versorgen und die Brunnen der Stadt waren niemals zuvor so oft betätigt worden. Kriegsgerät stand überall herum und auf dem grossen Platz vor dem Tor wurden eifrig immer mehr Pfeile gefertigt und mit scharfen Spitzen versehen. Dutzende Feuer brannten überall und entlang der mächtigen Mauer wurde damit begonnen, Pech zu kochen. Die Ställe für die Pferde waren hoffnungslos überfüllt und so hatte man einen grossen Teil der Tiere vor die Stadtmauer gebracht und viele Wachen dafür abgestellt.

Der Sternenwald war nicht mehr wieder zu erkennen. Über zwanzigtausend Krieger aus mehreren Volksstämmen hatten zwischen den mächtigen Sternenbäumen ihr Lager errichtet. Der Qualm der vielen Lagerfeuer lag über dem Wald und sorgte für eine etwas geisterhafte Atmosphäre. Die Männer waren nervös. Der grosse Angriff stand nun kurz bevor und es wurde letzte Hand an die Waffen gelegt. Das Handwerkszeug musste in Ordnung sein für ein gutes Gelingen und überall sah man Schwertschleifer, Schmiede und Pfeilmachr bei ihrer Arbeit. Die Räder der vielen Karren wurden noch einmal geschmiert, um die grossen Lasten sicher ins Feindesland zu tragen.

Rincobal ging durch den Sternenwald und sah dem Treiben der Männer zu. Er war zufrieden. Alle waren auf die grosse Sache eingeschworen und bald würden sie aufbrechen. Es würde ein langer Tross werden, der sich von hier aufmacht und über zehntausend weitere Krieger würden aus anderen Richtungen auf die Kristallstadt zuströmen. Er überlegte, wie wohl der Verteidigungsplan Hatoras aussehen würde und ein verschlagenes Lächeln huschte über sein Gesicht.

Bald würde er mehr wissen....

Mikkel und Belgomir gingen gerade vor das Stadttor um die äusseren Pferdeställe zu inspizieren, als ein Wachposten oben auf der Mauer einen ankommenden Reiter meldete. Eine kleine Staubwolke kennzeichnete den Weg den er nahm und er bewegte sich den Hügel hinab auf die Stadt zu. Belgomir war der Erste, der ihn erkannte.

"Das ist der Schimmel meines Bruders Bengimir, rief er. Ihn hätte ich hier nicht erwartet. Es muss etwas geschehen sein, sonst hätte er diese Reise nicht auf sich genommen." Langsam ging er auf den herannahenden Reiter zu und erkannte tatsächlich seinen Bruder Bengimir.

"Bruder, Du hier?, was ist geschehen, sprich rasch." Kräftig packte Belgomir die Zügel des unruhigen Schimmels und zog das Pferd zu sich heran.

"Belgomir wir sind verloren!, rief Bengimir mit ängstlicher Stimme. Tausende Krieger stehen vor unserer Burg. Des Nachts sind sie aufgezogen und am Morgen waren wir umzingelt und es gab kein Entkommen mehr. Nur ich konnte mich mit Hilfe einer List davon machen, um Euch zu warnen. Du musst sofort mit unseren Truppen zurückreiten und Südland retten."

"Waas?", rief Belgomir entsetzt.

Mikkel hatte ein merkwürdiges Gefühl, als er Bengimir sah. Er schien ihm nicht ganz bei Sinnen zu sein. Belgomir hatte ihm von seinem Bruder erzählt, dass er ein Mann der schönen Künste sei. Er würde Singen und Lieder komponieren, Dichten und Malen. Ausgerechnet er konnte als Einziger entfliehen? Hier stimmte doch etwas nicht!

"Lasst uns zuerst zu Hatora gehen und ihr berichten," sagte Mikkel.

"Nein Du musst sofort handeln Bruder, sonst ist es zu spät und Südland wird untergehen," rief Bengimir entsetzt. Belgomir zögerte. Er war verunsichert.

Mikkel legte ihm beruhigend seine Hand auf den Arm. "Vertraue mir mein Freund und lass uns zuerst zu Hatora gehen." Er sah ihm dabei tief in die Augen.

Da drehte Belgomir den Schimmel in Richtung Stadttor und führte ihn mit seinem Bruder oben auf in die Stadt. Unter lautem Protest sah sich Bengimir nach allen Seiten um. Besonders die Verteidigungsanlagen schienen ihn zu interessieren, ihn, den Sanftmütigen. Mikkel sah sich ihn genau an. Noch wusste niemand, dass Rincobal dasselbe sah, wie Bengimir. Er war sein Kundschafter, sein spähendes Auges und stand unter seinem Einfluss. Auf einem Baumstumpf im Sternenwald sitzend sah Rincobal wie die Kristallstadt sich gegen seinen bevorstehenden Angriff rüstete. Was Bengimir sah, sah auch er...

Mikkel war vorausgegangen und hatte Hatora berichtet. Auch von seinem Verdacht hatte er ihr erzählt. Als Bengimir vor ihr stand, konnte er nicht in ihre Augen blicken. Als sie ihn ansprach, brachte er kein Wort hervor. Da richtete Hatora plötzlich einen Kristall auf Bengimir und augenblicklich begann er wie wild zu zucken, um dann wie eine Salzsäule kerzengerade stehen zu bleiben. Seine Augen bekamen einen rötlichen Ton und er öffnete seinen Mund. Mit lauter, fremder Stimme, die den ganzen Raum erfüllte begann Bengimir zu reden.

"Deine Tage sind gezählt Hatora! Die Stadt der Toten - so wird bald der Name sein von dem, was noch übrig bleiben wird von Deiner Kristallstadt. Schutt und Staub und blanke Knochen!" Laut hallten die Worte Rincobals durch den Raum, brachen sich an den Wänden und kamen immer wieder zurück.

"Sherem ankhar, Rincobal, - bannuuur!", rief Hatora laut und richtete dabei den Kristall auf Bengimir.

Einen Augenblick später brach Bengimir zusammen und lag vor Hatora auf dem Boden. Der Zauber war gebannt!

Belgomir eilte zu ihm und nahm ihn besorgt auf.

"Sorge Dich nicht, Belgomir. Es wird ihm sofort besser gehen," sagte Hatora. Sie holte ein feuchtes Tuch, benetzte es mit Kristallwasser aus einer Schüssel und legte es Bengimir auf die Stirn. Sofort kam Leben in seinen Körper und verdutzt blickte er in die Runde.

"Wo bin ich? Was mache ich hier?", fragte er verwundert.

"Zunächst bist Du in Sicherheit in der Kristallstadt, Bengimir. Doch sage mir, wie steht es bei Euch daheim in Südland?", fragte Hatora.

"In Südland?, fragte Bengimir überrascht. Dort ist alles friedlich. Ich weiss nur nicht, wie ich hierher gekommen bin. Das Letzte, was ich erinnere ist, dass ich Nachts in meinem Bett wach wurde...und nun bin ich plötzlich hier bei Euch. Was ist geschehen?"

"Du hast unter dem Einfluss eines schwarzen Zauberes gestanden und warst nicht Du selbst. Er muss irgendwann Kontakt mit Dir gehabt haben und hat Dich heute für seine Zwecke eingesetzt. Du solltest für ihn die Lage hier ausspionieren und eure Truppen weglocken. Heim nach Südland. Und so unsere gemeinsame Sache schwächen. Er hat mit Deinen Augen gesehen und heute einen Blick in unsere Stadt und unsere Verteidigung erhalten. Doch trägst Du keine Schuld daran. Rincobal ist listig und verschlagen."

Bengimir überlegte einen Moment. "Der Alte am See!", dämmerte es ihm und er erzählte ihnen die Geschichte von dem Mann mit der Flöte. Nun war allen klar, was hier geschehen war.

Hatora liess einen Bediensteten rufen, der Bengimir ein Zimmer zuweisen sollte.

"Nein nein, ich muss zurück nach Südland, sagte Bengimir. Man wird sich dort schon Sorgen machen wegen meiner Abwesenheit."

"Wir werden eine Taube schicken Bengimir, mit Nachricht, dass Du unversehrt und hier bei uns bist, sagte Hatora. Diese Stadt wird nun niemand mehr verlassen, dazu ist es zu spät...und zu gefährlich."

"Mikkel, lasse die Wachen verstärken und schicke zusätzliche Späher in alle Richtungen aus, damit wir so früh wie möglich wissen, wann unsere Feinde eintreffen."

"Ja Herrin", entgegnete Mikkel und sofort machten er und Belgomir sich auf den Weg.

Hatora ging auf den Balkon ihres Gemaches und blickte auf die Stadt herab. Sorgenvoll sah sie alles an. Der Glanz der Stadt, die grosse Kraft, all das wertvolle Wissen, die Heilkräfte, der Frieden.....

Sollte dies alles verlorengehen?


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Die Zwölf



Mächtig stand sie da, die alte Knorreiche. Sie wusste, dass schlimme Tage auf das Land, die Menschen und auch auf sie zukommen würden. Etwas licht noch Ihre Krone, doch die meisten der Blätter, die sie auf den dunklen Rincobal abgeworfen hatte, hatte sie bereits nachwachsen lassen. Ihre Wurzeln hatte sie tiefer in den Boden dringen lassen, für einen sichereren Stand. Alle ihre Vorräte an Stärke hatte sie aus den Kammern hervorgeholt und in den Stamm gepumpt. So war ihr Umfang noch grösser geworden und ihre Borke war hart.

Sie war stark. Aber tief in sich spürte sie auch Angst. Angst, dass bald alles vorbei sein könnte und ein neue, dunkle Ära begann. Sie fühlte in ihrem Stamm die Zwölf ab und ihre Mitte. Hatora hatte keine Angst, doch sorgte sie sich um den Ausgang der Schlacht. Sie wusste, dass sich ihre Zeit hier in ein paar Tagen dem Ende neigte und konnte gewiss sein, dass sie wohlwollend und voller Ehre aufgenommen wurde in dem neuen Reich, in dass sie gehen würde. Doch plagte auch Wehmut ihr Herz, dies alles hinter sich lassen zu müssen.

Ein letztes Mal trieb die alte Knorreiche ihre Würzeln noch ein Stück tiefer in den Boden. Sie spürte Stein! Das musste das Mauerwerk der alten Usher-Festung sein! Mit ihren feinen Wurzeln fühlte sie den Stein ab. Behauener Stein! Quaderförmig! Ja, dass waren die Reste der alten Festung! Dies musste ein gutes Zeichen sein. Die Festung des Königs Usha war zwar zerstört worden, aber die Eiche wusste, dass die Usher ein sehr friedliebendes Volk waren und dies wertete sie als gutes Zeichen. Es machte ihr Mut. Mut, den sie in ihren Stamm leiten wollte zu dem Lichtmal.

Die Zwölf. Noch leuchteten sie alle. Zu jedem der leuchtenden Sterne leitete sie dieses Gefühl, um allen von ihrer Zuversicht abzugeben. Nacheinander erreichte jedes Licht ihre Kraft.

Alturin, ausgestattet mit Zauberkräften, die er zuwenig pflegte, wie Hatora ihm immerzu sagte. Kampferprobt in vielen Schlachten und ein vorzüglicher Stratege. Er war dafür zuständig, die Lichtkrieger ausserhalb der Kristallstadt auszubilden und unter seine Fittiche zu nehmen.

Bengolf, sein alter Weggefährte. Auch er unterrichtete in seiner Waffengattung die neuen Lichtkrieger und rundete deren Ausbildung ab. Er zog viel durch die Lande und hielt Kontakt zu vielen Völkern. Eine tiefe und lange Freundschaft verband ihn mit Hatora und Alturin.

Eira und Joohn, Mikkels Eltern. Die alte Eiche mochte sie sehr. Oft waren sie hier auf der Lichtung und führten ihre Rituale zum Wohle der Menschen, der Natur und zu ihrem Wohl durch. Sie hegten und pflegten die Welt und es gab nicht viele unter den Menschen, die an ihre gegenseitige Liebe und an ihre Aufrichtigkeit heranreichten.

Mikkel, der jüngste und stärkste unter den Lichtkriegern. Hoffnungsträger für die kommende Schlacht. Seltsame Windungen des Schicksals hatten Merkmale einer sehr alten Blutlinie in sein Leben fliessen lassen.

Die alte Seherin vom kalten Berg. Solaga war ihr Name und es gab nur wenige, die ihn wussten. Seit ewiger Zeit wohnte sie schon in ihrer Höhle auf dem Berge und nahm mit ihren sehr geschärften Sinnen die Geschehnisse ihrer Welt auf. Zur rechten Zeit wurden diese dann an die richtigen Menschen weiter gegeben.

Browand, der Anführer der Waldsäumer. Tief im Wald bewohnte er mit seinem kleinwüchsigen Volk die ausgeprägten Lichtungen. Sie waren sehr klein, aber unglaublich schnell - genau wie ihre Bukkis.

Finniwolt, ein Hüne von einem Mann. Vor vielen Jahren war er von Hatora, Alturin und Bengolf ausgebildet worden und zählte zu den Besten der Lichtkrieger. Dann machte er sich plötzlich auf in die Welt und ward seit jeher nicht mehr gesehen. Er hatte sich damals von Hatora mit den Worten verabschiedet:" Ich werde zur rechten Zeit zurück sein, Herrin." Und auch sein Licht leuchtete.

Drei der Lichter waren Tieren zugeordnet.

Undra war eine von ihnen, die das Mal trug. Versteckt unter ihrem Federkleid war es nicht zu sehen. Lange schon war sie an Alturins Seite und begleitete ihren alten Freund.

Undine, Mikkels Eule. Nicht umsonst war sie aus dem Nest gefallen und nicht umsonst hatte Mikkel sie gefunden und grossgezogen. Manchmal nahm das Schicksal seltsame Wege und ihr war diese Ehre zuteil geworden.

Miramor, Hatoras treuer Schimmel. Er trug sein Zeichen mitten auf der Stirn und begleitete sie auf allen ihren Reisen. Und wenn Hatora es auf seinem Rücken wünschte, verwandelte er sich in eine Eule.....

Das letzte Licht gehörte zu einem Baum. Einem sehr alten Baum. Die alte Knorreiche fühlte, wie es auf ihrer Borke leuchtete. Möge es noch lange leuchten, dachte sie bei sich. Wer will schon in so jungen Jahren sterben? Issalla soll noch lange leben!

Die Sonne in der Mitte war natürlich Hatora zugeordnet. Hell strahlte ihr Licht und wenn man genau hinsah, konnte man den kleinen hellen Punkt bereits erkennen, der tief im Innern des Lichtes hervorstach. Mahalas Zeit würde bald kommen...

Die alte Knorreiche betrachtete die Anfangsbuchstaben der Lichtträger:

Alturin

Bengolf

Eira

Joohn

Mikkel

Solaga

Browand

Finniwolt

Undra

Undine

Aramor

Issalla


Und sie erkannte einen fremd klingenden Namen wieder.


JABUS EMBU FABI


Der Seelenname des letzten verbliebenen Sternenwesens! Hatora hatte ihr die Geschichte vor langer Zeit erzählt und den Namen erwähnt. Ob es eine Bedeutung hatte?

Plötzlich vernahm die alte Knorreiche seltsame Geräusche! Der Boden begann zu vibrieren! Immer stärker und lauter drang der Lärm zu ihr heran. Pferdehufe, Kriegerstiefel, Karrenräder!

Nur Mut jetzt!.....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Es beginnt.....



Mahala war die Erste, die es spürte. Sie waren auf dem Weg zur Kristallstadt! Hatora bemerkte den Stich, den es Mahala ins Herz gab und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.

"Es geht los, nicht wahr?", fragte sie besorgt.

Mahala nickte nur und hielt ihre Hand auf ihren Bauch, der bald zu platzen schien. Trotz der aufopfernden Hilfe Hatoras waren ihr die letzten Tage sehr schwer gefallen. Ihr Kind schien ein unglaubliches Gewicht zu haben. Hatora hatte ihr gesagt, dass es wohl recht viel "mitbringen" würde. Nur ein schwacher Trost im Moment. Breitbeinigen Schrittes ging Mahala zum Balkon und schaute hinaus in die Ferne.

"Sie sind bei der Eiche, sagte sie, ich kann sie sehen." Inständig hoffte sie dass ihr Dorf dass in der Nähe lag, von ihnen verschont blieb. Sie spürte die grosse Erregung der alten Knorreiche und in Gedanken sendete sie ihr Kraft. Auch spürte sie ihren mächtigen Stamm und das heftige Zittern ihrer Zweige. Tausende von Blättern flogen durch die Luft. Schlimmes fand dort statt und ihre Lichter flackerten....

Hatora liess nach Shenzir schicken und beauftragte ihn damit, für ein kräftiges Mahl für alle Menschen in der Kristallstadt zu sorgen, denn bald würde die Schlacht beginnen. Shenzir berichtete ihr, dass die ersten Späher zurück kämen. Sie berichteten davon, dass aus allen Richtungen feindliche Truppen auf die Kristallstadt zu marschierten. Es müssten Zehntausende sein. Unzählige Karren und Kriegsgerät wurden gesichtet und einer berichtete gar von einem gehörnten, feurig lodernden Unhold, der die Menschen an Grösse um ein Vielfaches überragen würde. Nie zuvor hatte je ein Mensch ein solches Ungetüm zu Gesicht bekommen.

Hatora befahl alle Krieger, Pferde und alles Material vor den Toren in die Stadt zu bringen. Letzte Vorbereitungen wurden getroffen und heftiges Treiben erfüllte die Stadt. Überall auf den Mauern waren die Wachposten nochmals verstärkt worden. Berge von Pfeilen lagen bereit und es roch nach gekochtem Pech. Hunderte von Feuern brannten und als die Dämmerung das Ende des Tages einläutete, erleuchteten sie zusätzlich die Stadt und tauchten sie in ein warmes Licht.

Ein hölzerner Verschlag stand oben auf der Verteidigungsmauer. Er hatte eine Öffnung nach vorne heraus, die durch eine Klappe verschlossen war. Mikkel trat aus dem nach hinten offenen Verschlag heraus. Er hatte sein selbst ersonnenes Pfeilgerüst noch einmal inspiziert. Er riesiger grosser Bogen war dort befestigt und an der Wand lehnte ein dicker, langer Pfeil. Mit einer besonderen Spitze versehen, war er für einen besonderen Angreifer gedacht.....

Mikkel blieb in dieser Nacht bei Mahala. Alturin, sein Freund Bengolf und Belgomir hatten beschlossen, die Nacht gemeinsam im Zelt auf der Verteidigungsmauer der Stadt zu verbringen. Nach kurzem Schlaf sassen die drei Männer beisammen und erzählten sich Geschichten aus ihrem Leben. Die Dämmerung war noch nicht heraufgezogen, als ein Wachposten rief: "Da, Lichtschein hinter den Wäldern!"

Alturin, Bengolf und Belgomir sprangen auf und eilten aus dem Zelt heraus. Die Wache zeigte in Richtung des Waldes und tatsächlich war dort Lichtschein zu sehen, der immer stärker wurde. Langsam und lautlos walzte sich der gefährliche Feuerwurm in Richtung Kristallstadt. Es mussten Tausende sein! Gebannt starrten alle auf der Mauer in Richtung der immer stärker leuchtenden Fackeln der herannahenden Feinde.

"Trommeln! Ich höre Trommelschlagen!", rief plötzlich ein Wachposten von der anderen Seite der Mauer.

Die Männer liefen in Richtung des Wachpostens und geboten Ruhe zu halten. Belgomir legte die Hände hinter seine Ohren. Ja wahrhaftig, der Takt der Trommeln war nun zu hören. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm, Bumm, Bumm. Das musste Rincobal sein. Mit seinen Kriegern war er durch die Ebene von Julgat gezogen und bald schon würden sie den Hügel vor der Stadt erreichen.

Gebannt starrte Alturin in Richtung der Trommelgeräusche. Nun war auch dort Fackelschein zu sehen. Eine Hand auf seiner Schulter liess ihn zurückfahren. Mikkel stand in seiner prächtigen Rüstung vor ihm. Dahinter erblickte er Hatora in glitzerndem Kristall. Ihre Rüstung überstrahlte alle.

"Mikkel! Wie geht es Mahala?"

"Sie ist kurz vor der Niederkunft, Alturin. Die besten Heilkundigen sind bei ihr und kümmern sich um sie. In den nächsten Stunden wird sie unser Kind gebähren. Meine Eltern werden an meiner Statt bei der Geburt dabei sein, denn ich muss heute kämpfen."

"Hoffen wir, dass alles gut für uns ausgeht," sagte Alturin und legte Mikkel seine Hand auf die Schulter. Sein Blick ging zu Hatora herüber. "Euer Strahlen hat heute einen besonderen Klang, Herrin." Sie lächelte Alturin an.

"Selbst wenn der Feind schon an die Tür klopft, hast Du immer noch ein Kompliment für mich, mein lieber Freund." Wie werde ich es vermissen, dachte sie bei sich. "Doch nun habe ich noch etwas zu tun." Mit diesen Worten begab sich Hatora auf eine Erhöhung der Wehrmauer über dem grossen Tor. Sie legte ein Halsband mit einem Kristall um ihren Hals, drehte sich zur Stadt herum, zog ihr Schwert und erhob ihre Stimme:

"Ihr Lichtkrieger! Ihr Bewohner der Kristallstadt!

Durch den Kristall an ihrem Hals wurde ihre Stimme derart verstärkt, dass augenblicklich alle verstummten um der Herrin der Kristallstadt ihr Gehör zu schenken. Es war plötzlich ganz still in der Stadt. Nur das dumpfe Schlagen der feindlichen Trommeln war noch zu hören. Dann erhob Hatora ihre Arme und ihr Lichtschwert ragte hell in den Himmel:

"Heute ist der Tag, auf den wir alle gewartet haben. Wir wollten ihn nicht, aber trotz alledem, nun ist er da und wir müssen ihm begegnen. Mit all Eurem Mut und mit ganzem Herzen, mit dem Leib und mit Eurer Seele seid bei der Sache, ihr mutigen Mannen!

Kämpfet nun für Eure Lieben! Kämpfet für das Licht und die Liebe! Auch wenn es noch so hart wird, kämpfet mit aller Kraft! Und auch wenn es denn aussichtslos erscheinen mag,.......kämpfet!" Dabei riss sie ihr Schwert in die Höhe.

"Denn es lohnt sich für Euch alle sehr! In den Mauern der Kristallstadt ist etwas Wunderbares herangereift, dass den bisherigen Glanz der Kristallstadt noch überstrahlen wird! Jeder Mühe ist es wert, darum zu kämpfen! Und darum sage ich........

Haltet Staaaaand!!

Hatora liess ihre Arme sinken und lautes Gejohle hallte ihr aus der Stadt heraus entgegen. Die Menschen rissen ihre Arme hoch und jubelten ihrer Herrin zu. Schwerter und Lanzen wurden in die Höhe gereckt und zeigten gen Himmel. Hatora verliess ihren Platz und kehrte zu den Männern zurück, die ihr bewundernd zunickten. Die Morgendämmerung zeigte sich.

Das Trommeln war nun sehr laut geworden und man erwartete bald die ersten feindlichen Krieger auf dem Hügel erkennen zu können. Der lange Fackelwurm hatte sich weiter auf die Stadt zubewegt und erste Gestalten waren in der Ferne mit den Fackeln in ihren Händen zu erkennen. Im Fackelschein blitzten ihre zahlreichen Waffen. Hatora legte mit Hilfe der Kristalle einen zusätzlichen Schutz um die Stadt und wandte sich an Alturin, Bengolf, Mikkel und Belgomir.

"Ich gebe nun die Befehlsgewalt an vier weise und mutige Männer. Mögen Mut, Weisheit, Kraft und Stärke mit Euch sein und nun seid gesegnet mit dem Lichte der Kristallstadt." Dabei hielt sie ihre Hand mit einem leuchtenden Kristall am Finger einzeln auf jeden der Männer. Ein kaum wahrnehmbarer Lichtschein hüllte sie für einen kurzen Moment ein und erlosch danach.

"Und nun, gehen wir und erfüllen unser Schicksal............"

Bald darauf erreichten die ersten Krieger des Fackelwurms den Vorplatz der Stadt und nahmen Aufstellung. Mikkel schätzte ihre Zahl auf über Fünftausend Männer. Mit lautem Trommelklang wurde es über dem Hügel am Wald plötzlich sehr hell. Ein kräftiges Leuchten zeigte sich, gefolgt von einem gehörnten Ungetüm, dessen gesamter Oberkörper in Flammen zu stehen schien. Erschrocken zuckten einige der Männer auf der Wehrmauer zusammen. Als der Unhold auf der Anhöhe zur Gänze sichtbar war, erhob er seine Arme in die Höhe und stiess ein Gebrüll aus, dass die meisten der Männer erzittern liess. Angsterfüllt blickten sie in seine Richtung. Wie sollte man solch einem Ungetüm begegnen?

Mikkel begab sich schnell zu dem Verschlag, den er aufgestellt hatte. Die Ebene vor der Stadt war inzwischen erfüllt von den feindlichen Truppen. Mehrere Heere hatten sich aufgestellt und warteten auf ihren Anführer. Der Unhold bewegte sich weiter auf das Stadttor zu und Mikkel klappte die Abdeckung des Verschlages hoch. Er setzte den Kristall auf die Pfeilspitze, den Hatora ihm gegeben hatte. Zwei Männer halfen ihm, die Sehne des grossen Bogens zu spannen, als er den Pfeil eingelegt hatte. Dann richtete Mikkel den Bogen aus und zielte auf das flammende Ungetüm. An der Spitze der feindlichen Truppen hatte er Halt gemacht.

Mikkel hatte beim Zielen das Gefühl, dass er ihn direkt mit seinen funkelnden Augen anblicken würde. Er fühlte Rincobal in ihm. Er wollte ihn beeinflussen und versuchte die Gedanken in Mikkels Kopf zu verwirren.

"Schliesse Deine Augen, Mikkel und vertraue auf Dein Herz," hörte er Hatoras Stimme in seinem Kopf. Mikkel tat, wie ihm geheissen und schloss seine Augen. Dann legte er seine Hand auf die Verriegelung des grossen Bogens, um den Pfeil in sein Ziel zu entlassen. Einen kurzen Moment noch ging er ganz in sich. Dann zog er an dem Hebel. Mit dem klickenden Geräusch öffnete Mikkel seine Augen und sah dem riesigen Pfeil nach, der sirrend die Ebene durchquerte und vor der Kristallstadt sein Ziel suchte.....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Kampf



Etwas Schweres pflügte sich durch die Luft vor der Kristallstadt.

Strahlend leuchtete der Kristall auf der Pfeilspitze, die sich unaufhaltsam und rasend schnell auf den massigen Körper des Ungetüms zubewegte. Mikkel verfolgte den Flug der tödlichen Waffe und hoffte inständig, sein Ziel zu treffen. Gebannt schauten auch Alturin, Bengolf und Belgomir dem Pfeil nach.

Der Unhold stutzte. Er hatte etwas bemerkt! Sich drehend und blinkend kam der Pfeil auf ihn zu. Jetzt sah er ihn! Mit weit aufgerissenen Augen wollte er sich zur Seite werfen, um dem Geschoss auszuweichen, doch ein harter Schlag schleuderte ihn zurück. Klatschend schlug der schwere Pfeil in seiner breiten, rot glühenden Brust ein und drang tief in seinen Körper. "Uuaaargh!" Noch schwankend und mit einem ohrenbetäubenden Schrei fasste er den Pfeil mit beiden Klauen und zog ihn heraus.

Ungläubig sahen die Männer auf der Mauer dem Schauspiel zu. Konnte der Pfeil mit dem Kristall diesem Ungetüm denn nichts anhaben? Grandalk hielt den Pfeil in seinen Händen und sah ihn an. Dann bemerkte Mikkel, dass der Kristall nicht mehr an der Pfeilspitze war. Er steckte noch im Körper des Ungeheuers! Grandalk bemerkte nun auch, dass etwas nicht stimmte und sah verstört auf seine breite Brust. Ein Leuchten ging von dem Kristall aus, dass immer stärker wurde. Hektisch versuchte das Ungetüm, den Kristall aus seiner Brust zu entfernen. Doch zu spät!

Ein greller Blitz, gefolgt von einem lauten Knall erfüllte die Ebene vor der Kristallstadt. Von den Mauern der Stadt zurückgeworfen, streckte die Druckwelle etliche der Krieger nieder. Tausende kleiner Funken stoben durch die Luft. Es waren die Überreste von Grandalk. Der Kristall hatte den Unhold in tausende Stücke zerfetzt. Als die Männer in der Kristallstadt sahen, dass der Unhold besiegt war, brandete lautes Freudengejohle auf und siegessicher rissen sie ihre Waffen in die Höhe.

Ein Schock ging durch die Reihen der Angreifer, als sie sahen, dass ihre grösste Waffe verloren war. Ein tiefer Krater im Boden deutete auf die Stelle, an der sich der Unhold gerade noch befand. Schäumend vor Zorn begab sich Rincobal an die Spitze seiner Truppen. Wurfgeschosse und mehrere Rammböcke wurden nach vorne beordert. Mit kurzen, knappen Befehlen brachte er die Angreifer in Stellung. Mehrere Wagen, angefüllt mit vorbereitetem Knallkraut wurden in die Nähe der Wurfgeschosse gebracht.

Mikkel und Belgomir liessen hundert der besten Bogenschützen auf die Mauer beordern und schickten Hagel um Hagel mit Brandpfeilen auf die gefährliche Fracht hinab. Belgomir traf mitten ins Ziel. Mit einem gewaltigen Knall flog die gesamte Fracht eines der Wagen hoch in die Luft und riss etliche Angreifer mit in den Tod.

Rincobal liess darauf hin alle Karren mit Männern besetzen, die breite Schilde trugen und so die Brandpfeile abwehrten. Seine Wut über die Verluste in den eigenen Reihen schien sich langsam aber sicher in Raserei zu steigern. Wild gestikulierend trieb er die Männer mit lauter Stimme an und befahl den Einsatz der Wurfgeschosse.

Beutel mit dem gemahlenen Kraut und schlimmen Zusätzen wurden auf die Schaufeln der Geschosse gelegt und am Ende an einer Art Lunte aus trockenem Stroh angezündet. Dann machten sich Hunderte der Beutel auf den Weg in Richtung Kristallstadt. Gespannt verfolgten tausende Augenpaare den Flug der Wurfgeschosse. Doch allesamt zerschellten sie an der von Hatora errichteten Schutzwand der Kristallkräfte. Weithin zu sehen und zu hören waren die Explosionen, die etwa zehn Pferdelängen vor der Stadtmauer den nächtlichen Himmel erhellten.

Rincobal schäumte vor Wut! Schreiend trieb er die Krieger an, den Strom der Geschosse nicht abreissen zu lassen und gab den Befehl, die Rammböcke vor das Stadttor zu bringen. Riesige, mehr als zwei Mann grosse Schilde sollten die Angreifer an den Rammböcken vor Pfeilen und herabgeschüttetem Pech schützen. Rings um die Rammböcke liefen Männer mit hoch erhobenen Schilden und wehrten die herannahenden Pfeile ab.

Alturin gab den Befehl, Pech vor das Tor zu kippen und liess es dann mit Brandpfeilen entzünden. "Wir wollen ihnen einen heissen Empfang bereiten," rief er seinen Männern zu. Doch die Rammböcke auf den Rädern nahmen weiter Fahrt auf in Richtung Stadttor.

Rincobal hatte sich inzwischen auf einen der Wagen gestellt und richtete seine Hände, die mit mehreren Ringen bestückt waren, auf die Stadt. Laut rief er dunkle Beschwörungsformeln, die den Schutzzauber Hatoras brechen sollten. Ein dicker dunkler Strahl bewegte sich auf die Stadt zu und brandete auf die errichtete energetische Schutzmauer Hatoras. Immer breiter und mächtiger wurde der Strahl, dem Hatoras Schutz immer noch trotzte.

Unter dem Schutz riesiger Schilde waren tausende Bogenschützen in die vordersten Reihen marschiert und machten sich bereit, einen gigantischen Pfeilangriff auf die Stadt zu beginnen. Feuer wurden entfacht, um die Brandpfeile zu entzünden. Karrenweise lagen Pfeile bereit und kurz darauf wurde der Nachthimmel von unzähligen brennenden Strichen erhellt, die sich auf ihren bogenförmigen Weg auf die Stadt zubewegten.

"Achtung Brandpfeile!," waren die lauten Schreie der Männer in der Stadt zu hören. Hektisch suchten alle nach geeigneter Deckung. Doch vieles ging in Flammen auf und etliche der Krieger wurden getroffen. Hagel um Hagel ging auf die Stadt nieder, so dass die Männer kaum aus ihrer Deckung heraus konnten. Selbst zum Löschen der entstandenen Brände war keine Gelegenheit, ohne sich in grosse Gefahr zu begeben getroffen zu werden, so gross war die Zahl der Pfeile. Die Lichtkrieger auf der Wehrmauer wurden ebenfalls mit einem nicht endenden Pfeilhagel eingedeckt, um den Weg der Angreifer mit den Rammböcken zu erleichtern. Keiner sollte Gelegenheit haben, auf die Angreifer am Tor zu schiessen.

Rincobal hatte seine Hände zu einer Halbkugel geformt und richtete deren Öffnung gegen die Stadt. Immer stärker wurde der dunkle Strahl und brach sich an dem von Hatora aufgebauten Energie-Schutz. Heftig spritzten dunkle Wolken nach den Seiten weg, wenn sie den Schutzkreis trafen. Doch dann bildete sich plötzlich ein kleiner Riss in der Energiewand. Silbernes Licht war kurz zu sehen und sofort strömten die dunklen Wolken hinein. Sie schienen in den Riss zu greifen und ihn auseinander zu biegen. Das Loch wurde immer grösser und plötzlich fiel der Schutz wie ein Nebelvorhang in sich zusammen. Rincobal triumphierte! Er hatte den Kristallschutz durchbrochen!

Entsetzt hatte Alturin die Szene beobachtet. Sofort reagierte er. "Verstärkt das Tor - sofort!", befahl er den Männern. Sogleich rannten etliche der Lichtkrieger zum Haupttor, um es zusätzlich mit Balken zu sichern.

Der erste Rammbock hatte die brennende Pechsperre überwunden und raste auf das Tor zu. Mit brennenden Rädern knallte der schwere Stamm des Sternenbaumes gegen das mächtige Portal. Die starke Erschütterung lies das Tor heftig erbeben. - Aber es hielt stand. Der Rammbock wurde zur Seite gerollt und schon kam ein weiterer angerast und prallte gegen das Tor.

Mikkel und Belgomir schickten Pfeil um Pfeil von der Mauer herunter. Doch die Angreifer waren durch die vielen Schilde gut gesichert und sie trafen deshalb nicht viele von Ihnen. Je zwei Lichtkrieger hatten Mikkel und Belgomir beidseitig mit Schilden flankiert, um sie vor den immer noch in sehr grosser Zahl niedergehenden Pfeilen der Angreifer zu schützen. In der Mitte liessen sie eine kleine Öffnung, durch die ihre Pfeile den Weg zu den Gegnern suchten.

Plötzlich wurde Rincobal's Aufmerksamkeit abgezogen. Etwas stimmte nicht! Er drehte sich zu seinen Truppen hinter ihm um und sah mit Entsetzen, wie seine Reihen Stück für Stück durcheinander gewirbelt wurden. Die Männer flogen durch die Luft und wie ein Strich zog sich die Spur der Verwüstung durch seine Reihen. Es war kaum auszumachen was es war, denn es war unglaublich schnell.

Auch die Männer auf der Mauer bekamen das Geschehen mit. "Das sind die Waldsäumer!", rief Bengolf aufgeregt. "Sie kommen uns mit ihren Bukkis zur Hilfe!" Schneise um Schneise wurde durch die Reihen der Angreifer gezogen.

Rincobal schäumte vor Wut. Er machte mit seinen beiden Händen eine Bewegung nach oben und.....erhob sich ein Stück in die Luft! In Baumeshöhe schwebend konnte er den Gegner nun besser ausmachen. Dann richtete er seinen Arm auf die Spitze dieses Etwas, dass die Reihen seiner Krieger auflöste und verfolgte ihre Bewegung. Plötzlich fuhr ein Blitz aus einem Ring an seiner Hand und umfasste den Anfang dieser vernichtenden Brut. Augenblicklich stand der Waldsäumer mit seinem Bukkigefährt still. Sofort stürmten seine Krieger über sie her und machten sie nieder. Der Waldsäumer war tot, doch er hatte Hunderte von Rincobal's Kriegern mitgenommen.

Entsetzt hatten die Männer auf der Mauer die Szene beobachtet. Es war unterdessen ihrer Aufmersamkeit entgangen, dass sich zwei Krieger der Gnomm seitlich an der Mauer entlang geschlichen hatten. Ihre grausige Fracht hatten sie vor den Haupttor platziert und zogen sich nun im Schutz der Schilde zurück. Auch die Angreifer an den Rammböcken liefen zurück in die Menge und entfernten sich vom Tor.

Mikkel hatte das plötzliche Zurückweichen mitbekommen und wurde stutzig. Er beugte sich über den Rand der Mauer genau über dem Tor. Knallkraut! Die Lunten brannten! "Schnell, entfernt euch vom Tor - rasch! Knallkrauuut!", schrie er aus Leibeskräften.

So schnell er konnte, versuchte er von der Mauer herunter zu kommen, doch ein ohrenbetäubender Knall mit einer grossen Druckwelle hob ihn in die Luft empor und schleuderte ihn mitten in den Hof der Stadt, wo er regungslos liegenblieb. Menschenkörper, Steine, Holz, Waffen und Feuer. Alles flog durch die Luft.

Alturin und Bengolf hatten es gemeinsam mit Belgomir noch rechtzeitig nach unten geschafft. Nachdem sich der Rauch etwas verzogen hatte, konnten sie das klaffende Loch in der Mauer sehen. Bengolf und Belgomir liefen zu Mikkel, um nach ihm zu sehen. Alturin starrte auf den Mann an der Spitze der Angreifer, der sich nun langsam auf das Tor zu bewegte. Rincobal schritt mit breitem Grinsen im Gesicht auf ihn zu.

Der Weg in die Stadt war nun frei!


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Schicksale Teil 1



Mikkel war wieder zu sich gekommen. Benommen richtete er sich auf. Er griff nach seinem Schwert und trat nach vorne. Rincobal bewegte sich langsam weiter auf das Tor zu und seine Mannen folgten ihm im gleichen Tempo. Mikkel sah sich um und teilte sofort seine Krieger ein. "Bogenschützen nach vorn! Lichtkrieger, bildet eine Angriffslinie!" Sofort eilten drei Reihen mit je etwas hundert Bogenschützen nach vorne. Die erste Reihe kniete, die zweite Reihe bildeten stehend die kleineren Schützen und hinten waren die Grössten von ihnen plaziert. Dahinter nahmen die Lichtkrieger und dann die anderen Verbündeten in geordneter Linie Aufstellung. Mikkel, Alturin, Belgomir, Bengolf und Hatora standen zusammen hinter den drei Reihen der Bogenschützen und führten die Kämpfer an.

Zwei der feindlichen Krieger flankierten Rincobal mit mannshohen Schilden, um ihn vor den Pfeilen zu schützen. Dann blieb Rincobal stehen. Auch die Männer hinter ihm stoppten ihren Vormarsch auf die Stadt. Rincobal blickte die Gruppe um Hatora und Mikkel an. Dann erhob er seine Stimme:

"Hatora! Ergebt Euch und ich verschone diese Stadt und deren Einwohner. Ihr habt keine Chance gegen unsere Übermacht. Wir würden Euch überrollen.......

Was sagt Ihr?"

Hatora trat hervor und Mikkel begleitete sie. "Ihr seid einst ein grosser Zauberer gewesen, Rincobal. Doch dann hat die Dunkelheit Euere Sinne vernebelt und Euch die Menschlichkeit ausgesaugt und nun seid Ihr auf dem besten Wege, Euch für alle Zeiten an die Dunkelheit zu verkaufen und merkt es nicht einmal. Niemals würde ich die Stadt des Lichts einem Manne wie Euch übergeben. Auch wenn Ihr uns an Waffen und Zahl der Krieger überlegen seid, so merkt Euch.....am Ende wird immer das Licht siegen!

Doch Ihr werdet nur noch ein Schatten Eurer Selbst sein, ausgesaugt und leer und keiner menschlichen Regung mehr fähig. Kalt und starr und ohne einen Funken Wärme in Eurem Herzen."

Rincobal lachte laut auf und die Krieger hinter ihm stimmten ein lautes Gebrüll an. Er hob kurz seine Hand und augenblicklich verstummten die Männer. "Du bist ein störrisches Weib Hatora und Du wirst heute einen sehr hohen Preis dafür bezahlen!", rief er ihr verächtlich zu.

"Wir werden sehen, Rincobal," entgegenete Hatora. "Ich denke, es ist alles gesagt." Mit diesen Worten drehte sie sich um und liess den überraschten Rincobal stehen, um wieder in ihre eigenen Reihen zurückzutreten.

Rincobal war es nicht gewohnt so behandelt zu werden. Niemand liess ihn ungestraft einfach so stehen! Wut stieg in ihm hoch. Sofort erhob er seinen rechten Arm zum Angriff. Wildes Geschrei seiner Krieger brandete hinter ihm auf. Sie waren bereit. Bereit die Stadt zu nehmen und sie ins Dunkel zu stürzen. So wie Rincobal es befohlen hatte, falls sich Hatora nicht freiwillig ergeben würde.

Alturin und Mikkel standen an Hatoras Seite. Weitere Körbe mit Pfeilen wurden eilig heran geschafft und bei den Bogenschützen bereit gestellt.

"Ich wünsche Euch Glück und möge das Licht uns allen beistehen," sagte Hatora. Die Männer nickten ihr nur kurz zu. Alle waren hoch konzentriert. Die Bogenschützen hatten ihre Pfeile eingelegt. Belgomir trat nervös von einem Bein auf das andere. Auch wenn er ein guter Kämpfer war, so war dies doch seine erste richtige grosse Schlacht. Allen war grosse Anspannung anzumerken. Lediglich Bengolf schien gelassen zu bleiben. Er hatte sein Schwert fest in der Hand und wartete auf den Beginn.

Dann liess Rincobal seine Hand sinken....

Sofort stürmten seine Krieger an ihm vorbei auf das Stadttor zu. Lautes Kampfgeschrei erfüllte die ganze Ebene. Die beiden Krieger neben Rincobal zogen ihre grossen Schilde eng um ihn zusammen. Gleich würden die ersten von ihnen das Tor erreichen.

"Wartet!, rief Mikkel den Bogenschützen zu. Wartet! Lasst sie das Tor zuerst passieren. Wartet! Wartet noch! Wartet!"

Dann ergoss sich der erste Schwall der Feinde durch das Tor und stürmte auf den Vorplatz der Kristallstadt.

"Pfeileeeee!", rief Mikkel und augenblicklich war die Luft vom Sirren der tödlichen Spitzen erfüllt. Klatschend schlugen sie in die Körper der Angreifer ein und streckten sie nieder. Keiner von Ihnen kam durch. Welle um Welle der Angreifer stürmte in die Stadt und allesamt wurden sie niedergemacht.

"Lasst noch mehr Pfeile heranschaffen, rasch, rief Mikkel. Es sind sehr viele von ihnen und wir brauchen mehr Pfeile!"

Noch war kein einziger Schwertstreich getan, doch auf dem Platz vor dem Stadttor türmten sich die leblosen Körper der tödlich Getroffenen. Die neu angreifenden Krieger Rincobals mussten sich erst mühsam einen Weg über die Berge der Toten bahnen, um weiter vordringen zu können. So hatten die Bogenschützen der Kristallstadt mehr Zeit um neue Pfeile einzulegen und genauer zu zielen. Schmerzschreie der Verletzten erfüllten die Luft. Rincobal musste mit ansehen, wie die ersten eintausend seiner Krieger abgeschlachtet wurden. Ständig wuchs der Berg von Toten weiter an, ein grausiges Bild. Doch es liess ihn kalt. Lediglich seine Wut darüber wurde grösser, dass es bisher noch keinen durchschlagenden Erfolg verbuchen konnte. Er trieb die Männer erbarmungslos an. Sein Hass wuchs stetig weiter. Hass auf die, die all das hatten, was ihm versagt geblieben war. Das Licht, die Liebe, eine Familie, eine Frau und Kinder.....Nein, es war nicht gerecht, dass ihm dies alles genommen und versagt geblieben war. Und er bemerkte, wie Hatoras Worte in ihm wühlten...

Alturin sah es als erster kommen. Die Pfeile würden nicht mehr lange reichen. Sie hatten bereits über die Hälfte verbraucht und die Zahl der Angreifer war im Vergleich nur geringfügig geschrumpft. Sie waren einfach zu viele. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sie direkt aufeinander treffen würden. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Rincobal würde sich sicher noch etwas Listiges einfallen lassen, um der Enge des Tores zu entgehen und einen Durchbruch zu schaffen.

Die Schützen auf der Stadtmauer traf es zuerst. Ihnen gingen die Pfeile aus. Rasch liess Rincobal unzählige Leitern nach vorn holen und an die Mauer stellen. Einige konnten mit langen Astgabeln zurückgestossen werden und die Leitern knallten mitsamt der Männer auf ihnen auf den harten Boden zurück. Doch es waren zu viele der Angreifer....

Nun waren sie selbst dem Pfeilhagel der Angreifer ausgesetzt und ihnen fehlten die Pfeile. Reihenweise stürzten die schutzlosen Männer getroffen von der Mauer herunter und kurz darauf war die Verteidigungsanlage von Rincobals Männern eingenommen. In Scharen kamen sie die Treppen hinunter und rannten wild brüllend mit erhobenen Schwertern auf die Lichtkrieger zu. Hatoras Bogenschützen zogen sich in die hinteren Reihen zurück, nachdem auch sie die letzten Pfeile verschossen hatten. Dann brandete der Schwall der feindlichen Krieger auf die Reihen der Lichtkrieger. Doch der Angriff war zu unkontrolliert und Hatoras Mannen konnten ihn abwehren. Die Angreifer trafen zu vereinzelt auf die wohlgeordneten Reihen der Lichtkrieger und deshalb fehlte ihnen die durchschlagende Wirkung.

Lediglich die ersten beiden Reihen der Kämpfer waren bisher in das Kampfgeschehen eingebunden und die erste direkte Welle war erfolgreich abgewehrt. Vom Blut der Feinde besudelt standen die Kämpfer fest zusammen und hielten das Tor im Blick. Doch nun spielte Rincobal seinen nächsten Trumpf aus. Seine Männer zogen sich von der Mauer weiter nach hinten zurück. Kein gutes Zeichen! Mikkel und Alturin beorderten ihre Männer vorsichtshalber auch ein Stück weiter zurück. Und sie taten gut daran!

Berge von Knallkraut lagen von aussen an der Mauer. Ihre Lunten brannten. Während des Kampfes hatten Rincobals Schergen sie unbemerkt herangeschafft, als die Burgmauer frei von Lichtkriegern war. Mikkel bemerkte noch den aufsteigenden Rauch am oberen Ende der Mauer. Leicht kräuselnd stieg er in den Himmel. Sofort war ihm klar was hier geschah und warnend wollte er es hinausschreien. Doch seine Worte erstarben ungehört in zwei gewaltigen Detonationen. Zu beiden Seiten des Tores drückten die heftigen Explosionen die mächtigen Stadtmauern einfach nieder. Riesige Gesteinsbrocken flogen durch die Luft und die Druckwelle trieb den Lichtkriegern die Luft aus ihren Lungen und warf sie zu Boden. Mikkel rappelte sich als Erster wieder auf. Schnell sah er sich um. Die Wirkung der Detonation war verheerend. Viele seiner Leute waren dabei getötet oder verletzt worden.

Alturin, der ein ganzes Stück von seiner Seite weggeschleudert worden war, erhob sich gerade wieder. Er war noch benommen und rieb sich die Ohren, die durch den lauten Knall wohl Schaden genommen hatten. Bengolf war schon auf den Beinen und half ihm hoch. Belgomir griff knieend nach seinem Schwert und war im Begriff, sich ebenfalls wieder aufzurichten.
 
Schicksale Teil 2



Und Hatora? Wo war Hatora? Dann erblickte Mikkel sie am Boden liegend und starr vor Schreck ging er auf sie zu. Einer der grossen Gesteinsbrocken musste sie frontal auf die Brust getroffen haben. Ihre Rüstung war geborsten. Blut war aus der Wunde geflossen. Mikkel beugte sich zu ihr herunter und legte seine Hand auf ihre Stirn. Ihr Blick ging in den Himmel. Ein leichtes Lächeln umspielte ihr weises Gesicht, doch ihre Augen hatten den Glanz verloren. Der Blick war starr. Hatora hatte diese Welt verlassen. Sie war tot!

Mikkel senkte den Kopf. Trauer und Wut stiegen in ihm hoch. Mutter und weise Lehrerin war sie lange Zeit für ihn gewesen und er liebte sie wie seine Eltern und Mahala. Alturin kam vorsichtig heran und kniete sich vor Hatora auf den Boden. Sofort begriff er, dass das Leben aus ihrem Körper gewichen war. Mit zitternder Hand schloss er ihr weinend die Augen. Seine einzige grosse Liebe war von ihm gegangen. Sein Schmerz war schier unerträglich und er liess seinen Tränen freien Lauf. Sie hatte es schon länger gewusst. Doch Alturin hatte gehofft, dass sie sich irren würde. Er fasste ihre Hände und legte sie übereinander auf ihrem Bauch ab. Mit seiner rechten Hand drückte er auf Hatoras Herz. Seine linke Hand führte er an sein eigenes Herz. So verblieb er eine kurze Weile und schien alles um sich herum vergessen zu haben. Erst das Kriegsgeschrei der heranstürmenden Feinde, die sich den Weg über das Geröll der Mauersteine bahnten, riss ihn in die Realität zurück. Eine seiner vielen Tränen fiel beim Aufstehen von seiner Wange ab fand den Weg in Hatoras noch leicht geöffneten Mund.

Mikkel hatte ihn am Arm gepackt und half ihm hoch. Wie eine Walze kamen sie auf sie zugerannt. Es waren Tausende! "Käääääämpft!", schrie Bengolf aus Leibeskräften und rannte mutig mit erhobenem Schwert dem tödlichen Ansturm entgegen. Alturin hob schnell sein Schwert auf und eilte seinem alten Freund wütend brüllend hinterher. Mikkel packte Schwert und Schild und rannte gemeinsam mit Belgomir den Feinden entgegen. Bald darauf hatte er sie erreicht und nutzte einen am Boden liegenden grossen Gesteinsbrocken als Absprung. Mit seinen Füssen voran traf er auf seine Feinde und streckte gleich drei von ihnen mit den Beinen nieder. Durch seinen gewaltigen Sprung war er vor Alturin und Bengolf auf dem Boden gelandet und hatte so die ersten Angreifer für sie abgewehrt.

Belgomir hatte für sich als Waffen scharfe Kurzschwerter gewählt. Wie ein Kreisel wirbelte er durch die Reihen der Angreifer und streckte einen nach dem anderen Mann nieder. Bengolfs Schwert sauste so schnell durch die Luft, dass man es kaum verfolgen konnte und Alturin beendete mit seinem langen, kunstvoll verzierten Schwert den Kampft für viele seiner Gegner.

Mikkel stand an der Spitze der Gruppe. Die vier Männer standen wie ein Bollwerk und schlugen eine gewaltige Schneise in die Reihen der Angreifer.

Ein kurzer schneller Blick zurück versicherte Alturin der Zuverlässigkeit und Kampfstärke der Lichtkrieger. Mann gegen Mann kämpften sie tapfer gegen die Überzahl und hielten ihre Stellung. Doch vor ihm tauchte nun ein Riese von Kerl auf, grimmige Kriegsbemalung und ein markerschütternder Kampfschrei waren seine Zeichen. Dann fasste er Alturin ins Auge. Sofort rannte er auf ihn zu und hob sein übergrosses Schwert um ihn mit einem Streich zu töten. Doch Alturin liess sich zu Boden fallen und rollte sich geschickt unter dem Feind durch. Mit einem schweren Hieb gegen seine Beine hatte er den Gegner zu Boden geschickt. Gleich sprang Alturin wieder auf und wollte ihm den tödlichen Stoss versetzen, doch Mikkel war schneller und hatte dem Hünen bereits sein Schwert in die breite Brust gerammt.

Alturin nickte Mikkel nur kurz zu, als ein Schwert sirrend an seinem Kopf vorbei rauschte. Erschrocken duckte er sich weg und sah dann, dass Bengolf es geworfen hatte. Klatschend durchschlug es die Brust eines Angreifers, der sich seitlich den beiden genähert hatte. Schnell war Bengolf zur Stelle und zog sein Schwert aus dem leblosen Körper. Wieder richteten sie ihre Blicke nach vorne. Plötzlich war Unruhe am anderen Ende der Ebene vor der Stadt auszumachen. Mit dem ersten Anzeichen des Morgengrauens eilte weitere Hilfe herbei. Mit einem Blick sahen die vier Kämpfer, um wen es sich handeln musste. Durch die Luft wirbelnde Kämpfer und eine Schneise, die pfeilschnell durch die feindlichen Reihen gezogen wurde. Dies war ein untrügliches Zeichen der Waldsäumer. Sie hatten alle ihre Bukkis angeschirrt und ihre Wagen mit weit ausladenden spitzen Waffen versehen und jeder, der in deren Reichweite kam, hatte keine Chance und wurde niedergemacht. Mit unglaublicher Geschwindigkeit rissen sie Schneise um Schneise in die Reihen der Angreifer.

Hoffnung und neuen Mut gaben sie den Männern der Kristallstadt und liessen ihren Kampfgeist weiter erstarken. Dann wurde das leichte erste Licht des Tages wieder genommen und der Horizont verdunkelte sich wieder. Verwundert liess Alturin für einen kleinen Moment seinen Blick am Horizont ruhen und erkannte den Grund für die Eintrübung. Ein riesiges Geschwader von Eulen bewegte sich auf die Ebene vor der Kristallstadt zu. Mit ihren spitzen Schnäbeln und den scharfen Krallen wollten sie den Feinden zusetzen und viele von ihnen hielten Netze in den Krallen. Als sie die Mitte der Feinde erreicht hatten, entrollten sie die Netze, warfen sie über ihnen ab und stiessen dann nieder, um den im Netz strampelnden Männern weiter zuzusetzen.

Doch Alturins Freude über die weitere Hilfe währte nur kurz. Einen Moment zu lang war seine Aufmerksamkeit abgezogen. Klatschend schlug ein Pfeil in seiner Schulter ein und riss ihn unsanft von den Beinen. Entsetzt eilte Mikkel sofort zurück, um den am Boden liegenden Alturin zu schützen. Mit schmerzverzehrtem Gesicht lag Alturin am Boden. Bengolf und Belgomir eilten ebenfalls herbei, um die Flanken zu sichern. Sie mussten den verletzten Alturin unbedingt zurück in die Stadt schaffen, sonst wäre er verloren. Kurz entschlossen brach Mikkel den im Körper steckenden Pfeil ab, hob den vor Schmerz stöhnenden Alturin hoch und schulterte ihn. Mit seiner rechten Hand führte er sein Schwert und so machten sich die vier Männer kämpfend auf den Rückweg zur Stadt.

Rincobal glühte vor Zorn, als er die vernichtenden Schneisen der Waldsäumer sah. Er hob die Hände und schwebte in der Luft. Ein alter geheimer Flugzauber, den er vor Kurzem entdeckt hatte, macht ihm dies möglich. Mehrere Säckchen mit Knallkraut und eine Fackel führte er mit sich. Die Schneisen der Waldsäumer waren sehr gerade und fast wie ein Strich. Sie waren gut auszurechnen. Ihre hohe Geschwindigkeit jedoch bereitete Rincobal grössere Schwierigkeiten. Er entzündete das Knallkraut und warf mehrere der Säcke ab, bis er zum ersten Mal traf und den ersten der Waldsäumer ausser Gefecht setzte. Dass bei dem Angriff auch viele seiner eigenen Männer getroffen wurden, liess ihn völlig kalt. Doch nach und nach erhöhte er seine Trefferquote und nach einiger Zeit waren nur noch zwei der Wagen übrig, welche dann irgendwann von seinen eigenen Leuten gestoppt wurden. Diese Gefahr war nun mit dem ersten Morgengrau gebannt, doch die Waldsäumer hatten ganze Arbeit geleistet. Grosse Löcher waren in den Heerhaufen zu sehen und viele tote Männer lagen auf dem Schlachtfeld.

Noch in der Luft bewegte sich Rincobal in Richtung des Stadttores. Eine Gruppe von drei Männern fiel ihm auf, die sich kämpfender Weise einen Weg zur Stadt bahnten. Dann erkannte er sie. Es waren der Verletzte Alturin, seine Freunde und dieser verhasste Mikkel! Er versetzte einer der noch immer umher fliegenden Eulen einen Schockzauber und nahm das herabfallende Netz an sich. Die vier Männer unter sich, die nun fast das Tor zur Stadt erreicht hatten, entfaltete er das Netz und warf es geschickt über die Gruppe. Sofort war der Lauf der Männer gestoppt und wie gefangene Tiere zappelten sie in seinem Netz. Was für ein Fang! Mit einem weiteren Zauber zog er das Netz fest zusammen, so dass keine Bewegung mehr möglich war.

Siegesgewiss und hoch zufrieden mit sich liess sich Rincobal wieder auf den Boden herabgleiten. Die vier Männer konnten im ersten Moment nicht verstehen, was mit ihnen geschehen war, doch als sie den herabgleitenden Rincobal sahen, war ihnen die Ursache ihrer plötzlichen Gefangenschaft sofort klar. Sofort wies Rincobal seine Männer an, gebührenden Abstand zu seinem Fang zu wahren und sogleich bildete sich ein freies Feld, in dem sich nur er und die vier Männer im Netz befanden. Rincobal umrundete das Netz mit den Gefangenen undkostete die Situation voll aus. Von allen Seiten betrachtete er die vier Männer. Er sah, dass Alturin aus seiner Wunde stark blutete und einer Ohnmacht nahe war. Doch es rührte ihn nicht. Er richtete seine beringten Hände auf das Netz und sofort löste es sich und fiel neben ihnen in den Staub. Die Zauberkräfte der Ringe liess Rincobal mit den erhobenen Händen auf den Männern ruhen und hielt sie so in seinem Bann.

"Dies ist also der sagenumwobene Mikkel", sagte er mit scharfer Stimme. Mikkel sah sich nach seiner Waffe um, aber beim Sturz im Netz war ihm alles verloren gegangen. Auch war er nicht fähig, sich überhaupt zu rühren, denn zu stark war die Kraft von Rincobals Zauber. "Und all seine engen Freunde sind auch gleich mit dabei - wie schön," sagte er mit zynischer Freundlichkeit.

"Ihr habt unserer Sache schweren Schaden zugefügt, aber ich will Gnade walten lassen, sprach er weiter. Ihr werdet euch hier und jetzt meinem Willen unterwerfen und mir die ewige Treue schwören, oder euer Leben ist verwirkt - hier an Ort und Stelle!"

"Und mit Dir Mikkel werde ich beginnen." Er zwang ihn, vor sich nieder zu knien und sagte: "Schwöre mir ewige Treue und ich werde Dich erlösen. Du wirst ein Leben in Glanz und Reichtum führen und Dein Ruhm wird über alle Grenzen des Landes bekannt sein.... Sprich!", herrschte er Mikkel an.

Mikkel war so gut wie bewegungsunfähig und mit grösster Anstrengung hob er seinen Kopf und sah Rincobal an. "Hast Du nichts zu bieten, was wirklich wichtig ist?", fragte er Rincobal.

Wutentbrannt liess sich Rincobal ein Schwert bringen. Er bewegte Mikkels Haupt auf einen naheliegenden grossen Stein. "So spricht man nicht mit dem grossen Rincobal, kleiner Mikkel. Ich frage Dich ein letztes Mal.

Schwörst Du mir die ewige Treue?"

Doch Mikkel blieb still. Seine Gedanken flogen zu Mahala und seinem ungeborenen Kind. In tiefer Liebe war er bei ihr.

Rincobal hob das Schwert......


H.A. - hier genannt Tolkien
 
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Gebannt starrten alle auf die Szene, die sich ihnen bot. Mikkel schien völlig ruhig zu sein. Nicht ein Hauch von Angst war bei ihm zu spüren. Das Schwert in Rincobals Händen schwebte hoch über seinem Kopf. Kein Wort verliess seine Lippen. Bengolf und Belgomir zuckten hin und her und versuchten sich aus der Gefangenschaft von Rincobals Zauber zu befreien. Doch er war zu stark und hielt sie am Boden.

Eine seltsame Stille erfüllte den Platz vor dem zerstörten Stadttor. Alle schienen den Atem anzuhalten und auf das scheinbar Unausweichliche zu warten. Verzweifelt kämpften Bengolf und Belgomir weiter gegen den Zauber an. Ein solches Ende? Nein, das durfte einfach nicht sein! Das war Mikkel's nicht würdig. Wenn er im Kampfe gefallen wäre - ein ehrenvolles Ende - aber so?

Rincobal war hoch konzentriert. Belgomir bemerkte, wie der Druck etwas nachliess. Er schaffte es, seinen Kopf etwas höher zu heben. Dann sah er, wie Rincobal tief einatmete, sich auf seine Fussballen erhob und das Schwert noch etwas nach oben hob. "Neeeeiiiiinn", schrie es innerlich in ihm. Doch Rincobals Schwert sauste nach unten. Der Weg des Schwertes kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Rincobal hatte das Schwert fest mit beiden Händen gepackt, stand nun fest mit beiden Füssen auf dem Boden und führte sein Schwert in Richtung des Nackens des jungen, blonden Lichtkriegers.

"Haltet ein, Rincobal! Haltet ein!" Die Frauenstimme erfüllte die Stille der spannungsgeladenen Szene. Alle Köpfe fuhren herum zu ihr. Kurz vor Mikkels Nacken brachte Rincobal sein Schwert überrascht zum Stehen und blickte auf.

Mahala trat zwischen den Männern hervor! Gestützt von zwei Heilkundigen kam sie breitbeinigen Schrittes auf den Zauberer zu. Ihre rechte Hand hatte sie hoch erhoben und ihre linke Hand lag auf ihrem prall gespannten Bauch. Sie hatte Schmerzen und ihre Wehen hatten bereits eingesetzt. Trotzdem bewegte sie sich energisch weiter auf Rincobal zu. Rincobal traute seinen Augen nicht.

"Weib, was willst Du hier?, schrie Rincobal sie an. Willst Du den Kopf Deines störrischen Mannes einsammeln?" Er war wütend über die Unterbrechung und hob das Schwert erneut an. "Ja, schau nur zu, rief er. So wird es allen ergehen, die sich meinem Willen nicht beugen wollen." Seine hart gewordenen Gesichtszüge spannten sich und mit verzerrtem Ausdruck wollte er erneut zuschlagen.

"Aaaaahh!" Der spitze Schmerzschrei Mahalas liess ihn innehalten. Vornüber gebeugt war Mahala fast zusammengebrochen. Er sah zu ihr herüber. Wasser war ihr die Beine herunter gelaufen. Ihre Fruchtblase war geplatzt!

Das Kind kam! Mahala hob ihren Kopf und sah Rincobal an. Dieser Blick! Dieser hilflose, flehende Blick! Die beiden Heilkundigen hielten Decken um Mahalas Körper herum, um sie vor den Blicken zu schützen. Zwei Lichtkrieger eilten bestürzt heran um sie zu stützen.

Rincobal musste schlucken. Dieser Blick! Er erinnerte ihn an etwas, das ihm einmal selbst geschehen war. Seine Frau! Er hatte ihr nicht helfen können damals. Daran war er zerbrochen. Sie war bei der Geburt gestorben, trotz all seiner Versuche, ihr zu helfen und sein Kind hatte er auch nicht retten können. Bis heute hatte er dies nicht verwinden können. Die gleichen Gefühle wie damals bemächtigten sich Seiner. Die Verzweiflung, die Ohnmacht, nichts tun zu können. All die Härte wich plötzlich aus seinem Gesicht. Er liess sein Schwert ganz herab und sah wie versteinert zu Mahala herüber. Trauer erfüllte ihn. Mitleid. Regungslos stand er minutenlang so da.

Mahala war auf den Boden gebettet worden. Decken waren ihr untergelegt und die Heilkundigen standen ihr bei. Die Lichtkrieger bei ihr hatten sich umgedreht, um allzu neugierige Blicke abzuhalten. Die Presswehen hatten den Kopf des Kindes bereits hervor gebracht.

Sein Zauber war gebrochen. Mikkel hatte es als Erster bemerkt. Sogleich hatte er sich erhoben und war zu Mahala geeilt. Er hielt ihre Hand. Bengolf und Belgomir hatte ihre Schwerter an sich genommen und umringten nun gemeinsam mit den anderen beiden Lichtkriegern die Geburtsstätte.

Rincobal war in sich zusammengesunken. Tränen liefen seine Wangen herunter. Sein ganzes eigenes Trauma war mit einem Mal wieder hoch gekommen und hatte ihn machtlos gemacht. Der ganze Schmerz von damals war plötzlich wieder da und hatte Besitz von ihm ergriffen.

Dann ein Schrei! Es war der Schrei eines Neugeborenen! Er riss Rincobal aus seiner Trauer und seinem Schmerz heraus und heilte augenblicklich seine inneren Wunden. Der Schrei vermittelte ihm das Gefühl, sein eigenes Kind hätte es doch geschafft und die ganze Situation hätte ein gutes Ende gefunden. Er war sich schon darüber bewusst, dass es nicht sein eigenes Kind war, doch dieses Ereignis hier hatte seine Wunden geheilt. Er blickte auf. Tränen hatten seine Wangen glänzend gemacht und ein gütiger Blick richtete sich auf die Menschentraube vor ihm. Sein Gesicht hatte eine deutliche Wandlung vollzogen. Er warf sein Schwert zur Seite und hob seine Arme in Richtung Mahala, um sie zu segnen.

Belgomir jedoch, der Rincobal beobachtet hatte, glaubte an einen weiteren Versuch des Zauberers, sie ins Unglück zu stürzen. Wutentbrannt griff er sein Schwert, rannte auf Rincobal zu und schlug ihm mit einem Hieb den Kopf von den Schultern! Doch Rincobal blieb stehen! Aufrecht stand er da und hatte seine Arme immer noch erhoben. Sein Kopf war hinter ihm auf den Boden gefallen, doch sein Herz arbeitete noch. Blut quoll in gleichmässigen Pumpstössen aus dem Stumpf seines Halses und lief an seinen Schultern herunter.

Es war so , als wolle er mit aller Macht seinen Segen zu Ende bringen und seinen Fehler gut machen. Belgomir wollte ihm endgültig ein Ende machen und ging auf ihn los, um ihn mit einem weiteren Hieb nieder zu strecken, doch Bengolf hielt ihn zurück. Er hatte erkannt, was sich hier abspielte. Nun sah auch Belgomir den völlig veränderten Blick an dem im Staube liegenden Kopf. Keiner der Männer aus dem feindlichen Herr rührte sich und alle hatten das Gefühl, gerade aus einem Traum zu erwachen. Rincobal hatte sie alle verzaubert und sich zu Willen gemacht. Es war als hielte jemand seine schützende Hand über die Ebene, so dass kein Hass und kein Kampf entbrennen konnte.

Dann sackte der Körper Rincobals plötzlich in sich zusammen und fiel auf den Boden.

Die Nabelschnur des Kleinen Kindes war durchtrennt. Es war in Tücher gewickelt und Mikkel nahm den stattlichen Jungen auf seinen Arm. Er war überglücklich über den gesunden Jungen und darüber, dass seine Mahala alles gut überstanden hatte und zeigte seinen inzwischen hinzu gekommen Eltern stolz seinen Sohn. Dann fasste er den Kleinen unter seine Ärmchen, hielt ihn hoch in den Himel und rief voller Stolz: "Dies ist unser Sohn und sein Name soll Hator sein!"

Jubelnd rissen die Lichtkrieger ihre Schwerter in die Höhe und stiessen Freudenschrie aus und sogar in den Reihen der Angreifer sah man lächelnde Gesichter. Ihre Reihen lösten sich langsam auf. Einige hatten sich bereits umgedreht und verliessen die Ebene vor der Stadt. Manche von ihnen waren noch sehr verwirrt und wussten nicht einmal mehr, wozu sie her gekommen waren, so stark war Rincobals Zauber gewesen.

Doch dann richtete sich der Blick aller Menschen gen Himmel. Es war plötzlich viel heller geworden über der Ebene. Etwas senkte sich langsam vom Himmel herab zu ihnen. Es sah aus wie eine Kugel aus weissem Licht. Fremd, doch es machte niemandem hier Angst. Langsam und ohne ein einziges Geräusch schwebte die Kugel sanft zu ihnen herunter, bis sie auf dem Boden aufsetzte.

In kurzer Entfernung vor der Stelle der Geburt liegend, löste sich das helle Licht langsam auf.

Und dann sahen sie sie.....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
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