Botschaften an die Seele sollte man mit Bedacht wählen, denn allzuleicht werden sie so zu einer Fata Morgana. Ein Ziel, das so hoch gesteckt wird, dass es unerreichbar ist und somit nur noch mit halbem Herzen verfolgt wird. So ist das auch mit dem inflationären Gebrauch der Liebe.
Liebe ist ein Gefühl, das kommt und geht, ohne dass wir es festhalten können. Ja und wir werden nicht von jedem geliebt und wir können auch nicht jeden lieben. Etwas, das wir erfahren und somit auch das suggestive Ziel von der Nächsten- oder gar der Feindesliebe also nicht erreichen können. Wir reden dann zwar immer noch von einem hehren Ziel, aber tief in unserer Seele, haben wir dieses schon längst aufgegeben. Es gibt in uns so eine Art der inneren Logik, dies sich nicht bestechen lässt.
Es ist also klüger und ehrlicher, vom Guten zu reden, denn das lässt sich auch erfüllen, wenn die Stimme der Liebe in uns schweigt. So kann ich auch der Nächste für meine Feinde sein, wenn sie meiner Hilfe bedürfen – ohne mit der inneren Logik oder deren Prinzipien in Konflikt zu kommen. Der subtile Vorwurf der inneren Stimme „Ich liebe ihn doch gar nicht“, kann der Erkenntnis weichen, dass der Ungeliebte oder gar ein Feind zu einem Nächsten geworden ist.
Es wird sich jetzt sicherlich mancher fragen, worin nun der Sinn in der subtilen Differenzierung zwischen der Liebe und dem Guten liegt. Es ist nun so, dass unser Selbstwertgefühl aus diesen unterschwelligen Erfahrungen entsteht und jeder Misserfolg oder Erfolg an diesem Gefühl zu- oder abgebucht wird. Unerreichbare Ziele sollte man also möglichst vermeiden, denn daraus entsteht ein subtiles Gefühl der Unzufriedenheit und des Widerstandes.
Zarathustra hatte in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass man sein Denken, Reden und Tun vom Guten erfüllen lassen solle. Eine Haltung, die mir in diesem Zusammenhang ehrlicher erscheint als die Rede von der Liebe. Nur so nebenbei möchte ich noch in Erinnerung bringen, dass die Liebe auch einen zerstörerischen Aspekt in sich trägt.
Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich möchte mit all diesen Gedanken die Rede von der Nächstenliebe nicht verbannen, denn sie ist ja durch Jesus zum Logos des Guten schlechthin geworden.
Merlin