Was ist Zeit ?

Einerseits würde ich sagen, ja... Aber als vollkommene Definition reicht es nicht. Denn es braucht nicht nur die Veränderung, es braucht das Wissen davon, Erinnerung wie es "eben", bzw. "vor einiger Zeit" war. Angenommen, Du nimmst in jedem Moment etwas vollkommen Neues wahr, nimmst aber nichts vom "Alten" mit in den neuen Moment, ins Jetzt... gibt es auch nur Jetzt für Dich und keine Zeit. Es muss also eine Art "Nachdenken" darüber geben, auf der Basis von Veränderung.

Dazu kommt mir jetzt spontan Folgendes im Sinn.
Nur wir Menschen sind es, die eine permanente Identität haben. Wenn wir ein Foto von unserer Kindheit sehen, wissen wir trotzdem, dass das wir selbst sind (es sei denn es liegt eine Identitätsstörung vor)

Heute sind wir im Jetzt, erleben die Dinge, wie im Moment. Gestern, oder besser gesagt früher, waren wir ganz anders, aber trotzdem sind wir noch der selbe Mensch...
Egal wie sehr man sich verändert hat, man ist und bleibt derjenige, der man auch vor 10,20,30, usw. Jahre war.

Aber auch hier taucht ein kleines Problem auf ? Sind wir wirklich dieselbe Person (dasselbe Geschöpf), oder nehmen wir es nur aufgrund unserer permanenten Identität so wahr ? Gibt es möglicherweise kein permanentes Ich, sondern vielmehr ein Fluss, ein unendlicher Wandel von Energien ?
Was ich denke ist, dass das Zeitgefühl etwas mit der Identität zu tun hat. Tiere haben keine permanente Identität, heißt das sie verstehen nicht was Vergangenheit ist ? Das hängt wahrscheinlich auch von dem Tier ab. Ich meine primitivere Lebensformen, wie Insekten usw. Erleben Diese überhaupt so etwas wie Zeit ?

Wenn wir keine zeitlich-überdauernde Identität hätten, könnten wir unsere Erlebnisse gar nicht zuordnen, weil wir kein Bezugssystem hätten.
Ich würde also so weit gehen, zu sagen dass wir nur deswegen selbstbezogene Erinnerungen haben, weil wir eine feste Identität bestitzen. Zeit ist dementsprechend ein relatives Maß, abhängig von unserem persönlichen Ich. Ich möchte zwar den Menschen nicht überschätzen, aber in der Tat hat nur er ein reflektiertes „I“ (Ich), genau aus diesem Grund ist er auch dazu imstande Erinnerungen zu überdenken.

Warum mir das gerade einfällt ? Weil ich in meiner Vergangenheit etwas gewühlt habe. Es ist tatsächlich so, dass Fotos, Aufnahmen usw. so erlebt werden können, als hätte es nie eine Spanne zwischen diesen und den damaligen Momenten gegeben. Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen, und es ist irgendwie so, als ob es keinen wirklichen Unterschied darin gäbe. Alte Gefühle werden wach, längst vergrabene Eindrücke kommen wieder hoch, als wäre nie Zeit dazwischen gewesen.

Was würdest du dazu sagen, siehst du auch einen Zusammenhang zwischen Identität und Wahrnehmung ? Ich glaube zu wissen, dass es zumindest in die „richtige“ Richtung geht.
 
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Was würdest du dazu sagen, siehst du auch einen Zusammenhang zwischen Identität und Wahrnehmung ? Ich glaube zu wissen, dass es zumindest in die „richtige“ Richtung geht.

Das kommt davon, wenn man schneller denkt, als man schreiben kann.
Ich meinte natürlich den Zusammenhang zwischen Identität und Zeit.

Die Zeitwahrnehmung ist abhängig von unserem Ich, denn Erinnerungen sind immer mit Selbstbezug.
Selbst wenn man sich an ein Ereignis erinnert, welches nicht direkt mit einem etwas zu tun hatte, so ist es allein schon deswegen in einer Weise mit uns verknüpft, weil wir es wahrgenommen haben und es einen Eindruck auf uns gemacht hat.
Erinnerungen im Gedächtnis sind auf unsere eigene Identität gerichtet.
Auch scheinbar neutrale Gedächtnisinhalte, wie gewisse Musikstücke, sind trotzdem noch auf uns selbst bezogen, weil wir es auf eine gewisse Weise empfunden haben. Dieses Musikstück hat mir gefallen, oder nicht, oder einen anderen emotionalen Eindruck gemacht (ansonsten würde es nicht im Gedächtnis bleiben).
Zeit spielt sich also hauptsächlich in unserem Gedächtnis ab. Genau aus diesem Grund glaube ich auch, dass man seine eigene Vergangenheit modifizieren können müsste.
Wenn ich zur Veranda im Garten gehe, verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart, man ist genau da wo man damals war. Das wäre für jemand anderen ein völlig unbedeutender Ort, für mich aber nicht, weil es mit mir etwas zu hat.
Auch die ortsfesten Einzelerinnerungen, welche in ihrer Chronologie durcheinandergebracht werden können (wie Condemn sagte), sind trotzdem identitätsabhängig. Eine synchrone Identität wäre wahrscheinliche nicht ausreichend, um ein Zeitgefühl zu entwickeln, nur die Permanenz ist es, welche uns dies gestattet.

SunnyAfternoon hat in ihrem Beitrag etwas über Spiegel gesagt. Dieses reflektierende Objekt, erlaubt es, unser „Me“ (mich) zu betrachten, das Abbild unserer Identität. Der Spiegel zeigt lediglich das Resultat der Bewegungs- und Veränderungsabläufe bezogen auf das „Mich“.
Organismen, ohne Identität, sind offenbar nicht dazu in der Lage, sich selbst in reflektierende Objekte zu erkennen (Wasser, Spiegel, usw..)

Aber reichen diese Begriffe aus, um Zeit zu erklären ? Bewegung, Identität, bruchstückartige Erinnerungen ? Immer wenn ich mir diese, und ähnliche Fragen stelle, gelange ich schlussendlich zur Erkenntnis, dass ich so wenig weiß. Egal, wie weit man in die „Materie“ eingedrungen ist, es stellt sich immer mehr heraus, wie weit weg man wirklich von der Wahrheit ist. Mir wird in solchen Momenten klar, dass ich weiß, dass ich nichts weiß. Wahrheit kann man nicht erklären, sie ist nicht erfassbar, nur ein „Wesen“ kennt sie, exakt der vollkommene Zustand der Arché (=Gott).
 
Gen Fu schreibt:
Zeit wird wahrgenommen, das stimmt: es ist zum Beispiel so, dass sie je nach Situation als lang- oder kurzweilig empfunden wird. Wenn man einen langweiligen Vortrag hört, läuft die Zeit sehr langsam. Hingegen läuft sie sehr schnell, wenn gerade Alles schön ist. (Pöse Zeit !! )

Widerspruch, euer Ehren!
Ich kann keine Zeit wahrnehmen. Ich kann eine Uhr, einen Ablauf, einen Sprechenden, angenehmen Duft, Musik, Luftschwingungen usw. wahrnehmen. Aber Zeit ist immer schon vergangen, wenn ich hinschaue. Zeit nehme ich nicht wahr, ich nehme Räume wahr.

Wenn ich das Wahrnehmen genauer betrachte, erfahre ich etwas. Es tritt mir als Wahrnehmender etwas gegenüber, das in mir als Erfahrung Platz (wie in einem Lagerraum) einzunehmen scheint. Aber es ist ja nicht die Uhr, der Duft, die Luftschwingung, die in mir Platz nehmen. Es ist ja nur meine eigene Vorstellung von diesen. Und später greife ich auch nur auf meine eigenen Vorstellungen zurück. Die Welt bleibt immer draussen.

Wie kann ich aber sagen: Alles ist Eins, Atman und Brahman sind Eins?

Der Wahrnehmende, der etwas erfährt, ist eben nicht Atman, sondern die persona, die Person, durch die sich das Atman in der Welt ausdrückt. Atman, das dahinter unsterblich Seiende, wird von der Erfahrung nicht berührt, es ist einfach.

Jetzt bin ich aber von der Zeit abgekommen. Das Wahrnehmen von Zeit ist also eigentlich das Erfahren von Räumen, die ich im Leben durchschleiche, durcheile oder auch verschlafe. Das Leben scheint ohnehin ein Leben der verpassten Gelegenheiten zu sein.
Das Beispiel von Gen Fu ist dennoch markant. Wenn ich wenig erfahre, kann es mir zwar langweilig sein, aber ich habe zwischendurch mehr in mir selbst erfahren und habe ausserdem den Eindruck, die Zeit sei langsamer vergangen. In Wirklichkeit habe ich nur länger gelebt, weil ich mich selbst weniger verschlafen habe. Daher ist die Meditation wichtig, das Wahrnehmen eines Einzelraumes, z.B. den eigenen (leeren) Innenraum oder auch einen einzelnen Aussenraum, z.B. den Baum dort.

Zeit ist also relativ, wie ein Gummiband, das auch schrumpfen kann, wie ein Schrumpfschlauch, der immer kürzer wird, wenn ich ihn erhitze.
Huch, jetzt habe ich wieder einen Fehler gemacht, ich habe meinen eigenen Schrumpfschlauch verschröggelt - und schon wieder etwas weniger lange gelebt, denn ich habe zu viel auf Anderes geschaut, als auf Eigenes Inneres.

Ich verspreche es, ich werde mich bessern!
Alles Liebe von ELi
 
Das Wahrnehmen der Zeit klappt glaube ich v.a. mit der Wortbedeutung des Nutzens. Also mit der Bedeutung "die Zeit wahrnehmen" = "die Zeit nutzen".

Wenn ich z.b. tickeltackeltickeltackel schreibe, dann habe ich die Zeit wahrgenommen, indem ich tickeltackeltickeltackel schrieb. Die Wahrnehmung von Zeit scheint mir also mittelbar zu geschehen über geschehende Abläufe, über Prozesse. In diesem Fall der Tickeltackeltickeltackel-Schreib-Prozess.

hm. Kann man denn sagen, daß Zeit den Rahmen für die Zeitwahrnehmung gibt? Im Rahmen der obigen Bedeutung des Nutzens der Zeit = Zeitwahrnehmung?

Es ist doch so: wenn ich Zeit wahrnehme, also nutze, dann erkenne ich Momente, an denen ich sie festmachen kann. Nach "tickel" ist zum Beispiel eine Zeiteinheit zuende. Und nach "tackel" eine weitere. Durch tickeltackeltickeltackel kommt dann die Wahrnehmung von Zeit zustande. Hätte ich kein tickeltackel, also keine Aktion, dann hätte ich die Zeit auch nicht genutzt und ergo vermutlich auch nicht sinnlich wahrgenommen. Sie wäre einfach so verflossen, ohne weiteren erkennbaren Nutzen.

Mir fällt noch das Meditieren ein: wenn ich aktiv meditiere, also die Zeit nutze, dann vergeht bei mir die Zeit sehr rasch. Wenn ich dagegen passiv meditiere, also die Zeit vergehen lasse, dann vergeht sie sehr langsam. Aber: wie wir wissen ist das nur mein Gefühl, die "gefühlte Zeit", und hat mir der Tatsache der Zeit wenig zu tun. Mein Gefühl von Zeit muß ich also von der Realität der Zeit trennen. In der Realität der Zeit gibt es ja sicherlich kein "schneller" oder "langsamer", oder wie seht ihr das?

lg,
Trixi Maus
 
Hi Gen Fu!

Ja, wenn man zum Thema Zeit kommt wird einem klar, das man eigentlich gar nichts weiß. Denn ohne Zeit zu verstehen kann man die Realität nicht verstehen, also den Gesamtablauf. Und ich frage mich, ob man mehr haben kann als bloß Theorien.

Allerdings... und das ist etwas wo es sich lohnt das zu verstehen:
Angenommen, es gibt absolut keine Objektivität, angenommen alles ist auf einer Basis aufgebaut die so unendlich frei ist, das alles sein kann... jeder Gedanke, jede Idee... Das hieße: Man wird niemals eine objektive Wahrheit finden können, keine objektive Erklärung, außer wiederum der, das man mit der eigenen subjektiven Ansicht durchaus richtig liegt. Und zwar obwohl sie anderen wiederspricht. Unter Strich steht: Es ist so wie Du denkst. Jeweils genau J e t z t. (Der zweite Satz ist wichtig... ).

Worum es mir daher geht ist, das ich eine Art Konzept entwickle, das an der Realität gemessen sowohl funktioniert, wie auch von Vorteil ist. Ich meine, es ist leicht ein begrenzendes Konzept zu entwickeln, eine Theorie aufzustellen "Es ist so und so, weil..." Aber an einen Punkt zu kommen an den man will, weil man verstanden hat das es möglich ist und auch wie... das ist m.A.n. Sinn der Sache. Und wenn diese Basis aus Freiheit Wirklichkeit ist, dann bedeutet das auch: Die Begrenzung die man erfährt ist sowohl der momentan wahre Status Quo, wie auch etwas das überwunden werden kann. Das Mittel dazu müsste das Denken selbst sein. Oder auch "Nicht-Denken" bzw. "richtig-denken".

Aber, das nur eher allgemein. Hat aber auch viel mit Zeit zu tun. Ich habe ja versucht meine Theorie zu erklären was Zeit betrifft... und die Frage an der ich da sitze ist: Was entscheidet, wie ein Moment-Zustand zum anderen wird? Wobei auch die Antwort auf diese Frage wäre: Es ist wie man denkt/glaubt. Das ist im Grunde wirklich eine interessante Theorie, weil sie alles im Paradoxen auflöst.

Aber auch hier taucht ein kleines Problem auf ? Sind wir wirklich dieselbe Person (dasselbe Geschöpf), oder nehmen wir es nur aufgrund unserer permanenten Identität so wahr ? Gibt es möglicherweise kein permanentes Ich, sondern vielmehr ein Fluss, ein unendlicher Wandel von Energien ?
Das eine schließt das andere nicht aus. Objektiv gesehen kann es durchaus sein, das wir sozusagen in jedem Moment ein "anderer Gedanke" sind, ein vollkommen neues Bewusstsein... aber dessen Ausdruck, die Aussage "Ich bin Gen Fu/Condemn/Jesus" ist immer dieselbe. Wie bei meinem "Bilder-Beispiel"... Es ist für jeden Moment ein absolut neues und einzigartiges Bild... aber im Inhalt ist es mit den anderen verbunden.

Es ist aber auch denkbar, das sich das Bewusstsein sozusagen hierarchisch aufteilt. Vom Absoluten aus immer weiter unterteilt.... das "Ich" ist dann eine Art Basisbewusstsein der Persönlichkeit, das sich mit den gewissen Eigenschaften die sie unverwechselbar machen identifiziert, sie ausagiert usw. Ich stelle mir das ein bisschen so vor wie eine Sonne ("Ich") um die Planeten kreisen (Eigenschaften, Identifikationen). Aber: Auch das "Ich" ist nicht das was wahrnimmt... es ist ebenfalls etwas das wahrgenommen wird und durch den Ablauf wird die Illusion erzeugt, es sei sozusagen der Mittelpunkt.

Das ist wirklich ein sehr paradoxes Thema.. Denn es wäre gleichzeitig "hierarchisch" wie auch parallel. Das "ICH" stünde sozusagen über den Eigenschaften (Gedanken mit denen es identifiziert ist)... gleichzeitig ist es aber auch "nur" ein paralleler Gedanke... selbst eine Art Eigenschaft des nächst Höheren.


Was ich denke ist, dass das Zeitgefühl etwas mit der Identität zu tun hat. Tiere haben keine permanente Identität, heißt das sie verstehen nicht was Vergangenheit ist ? Das hängt wahrscheinlich auch von dem Tier ab. Ich meine primitivere Lebensformen, wie Insekten usw. Erleben Diese überhaupt so etwas wie Zeit ?
Ich weiß nicht, ob es bei Tieren so ist. Erinnerung gibt es da schon auch glaube ich. Aber: Das Zeitgefühl etwas mit Identität zu tun hat... davon bin ich überzeugt. Unsere Identität ist durch die Vergangenheit geprägt. Und das ist ein sehr interessanter Effekt, wenn man das mal in sich selbst untersucht... Nimm mal das Beispiel eines Problems. Irgendetwas das Dich belastet. Wenn Du Dich jetzt fragst, wie groß Deine Hoffnung ist es sehr sehr schnell und problemlos in den Griff zu bekommen, wirst Du feststellen das sie nicht sehr groß ist. Sonst wäre es kein Problem das Dich belastet. Aber warum ist sie es nicht? Wäre man hoffnungslos, wenn es kein Wissen aus der Vergangenheit gäbe? Ich denke nicht. Gleichzeitig ist es aber so, das man es nicht abrufen muss, sich nicht vor Augen führen muss, damit es sozusagen im Hintergrund eine Wirkung erzeugt. Damit will ich sagen: Wir machen über die Zeit hinweg Erfahrungen. Sie sind in irgendeiner Form gespeichert... und egal ob man sie sich direkt vor Augen führt, also konkret erinnert, oder ob man die Aufmerksamkeit vollkommen auf den gegenwärtigen Moment richtet: Die Vergangenheit bleibt wie eine Art Schatten im Hintergrund... und im negativen Fall ist es ein belastender Schatten der z.B. hoffnungslos macht.

Was ich denke ist: Alles was man erlebt und was in irgendeiner Weise unausgewogen ist, womit ich meine: Man sieht/sah es als Ursache für Freude oder Leid an, speichert sich sozusagen als eine Art Muster. Es ist als Gedanke und Erinnerung abrufbar, aber auch wenn das nicht geschieht ist es für das Jetzt prägend. Und insofern bestehen wir, unsere Identität, meiner Ansicht nach aus allem was in der Vergangenheit nicht ausagiert wurde. Im negativen Fall ist es belastend, im positiven Fall sieht es positiv aus, ist aber dennoch eine Identifikation und eine Art Kompensation... Also etwa "Ich bin der weltbeste Pianist, ich habe mit 4 Jahren angefangen und schon hunderte großer Konzerte gegeben, und ohne das wäre ich gar nichts."

Das sieht einerseits positiv aus, andererseits ist es wiederum etwas das unausgewogen ist, denn ohne diese Fähigkeit wäre da Leid. Und ich glaube, das wir daher alles aus der Vergangenheit mitnehmen, dem wir Ursächlichkeit zuschreiben, irgendeine Form der Macht über einen. Und so kommt es dann auch, das wir einen klaren roten Faden erfahren... denn wir projezieren sozusagen die Vergangenheit in die Zukunft. Wir können gar nicht anders. Ich kann nicht Jahre lang von Frauen enttäuscht werden und dann auf einen Schlag vollkommen zuversichtlich und unbelastet auf eine zugehen. Oder Jahre lang von den Eltern oder irgendwem erzählt bekommen man sei dumm oder bei irgendetwas unfähig, und ohne diese Prägung das betreffende Thema in der Zukunft erfahren. Erst muss der Ausgleich stattfinden.

Übrigens sagt S.N.Maharaj (ein "Erleuchteter") von sich, er habe keine Vergangenheit. Natürlich kann er sich als Person an ein Früher erinnern. Aber er bildet keine neuen prägenden Erinnerungen. In jedem Moment ist für ihn alles vollkommen ausgeglichen, ohne Konflikt, daher ohne irgendein Bedürfnis für die Zukunft. Denn das ist ja auch etwas, das Zeit erzeugt: Angenommen Du hast einen Streit und erfährst eine krasse Demütigung. Dann strebt etwas in Dir massiv nach Ausgleich. Das kann Rache sein, das kann irgendetwas sein um Deinen Stolz wieder herzustellen usw. Überall da, wo wir die Tendenz haben besser sein zu wollen, oder herausragend, es gerne mal allen beweisen zu wollen, ist die Ursache dafür eine Form der Demütigung die nach Ausgleich sucht.

Wenn wir keine zeitlich-überdauernde Identität hätten, könnten wir unsere Erlebnisse gar nicht zuordnen, weil wir kein Bezugssystem hätten.
Ich würde also so weit gehen, zu sagen dass wir nur deswegen selbstbezogene Erinnerungen haben, weil wir eine feste Identität bestitzen. Zeit ist dementsprechend ein relatives Maß, abhängig von unserem persönlichen Ich. Ich möchte zwar den Menschen nicht überschätzen, aber in der Tat hat nur er ein reflektiertes „I“ (Ich), genau aus diesem Grund ist er auch dazu imstande Erinnerungen zu überdenken.
Die Frage ist da ein bisschen, für wie objektiv hält man die Wahrnehmung... "WIE" man etwas wahrnimmt? Wenn man sagt das sie entscheidend sei, dann kann man auch definitiv sagen, das wir eine Zeitüberdauernde Identität haben. Würde man sich fragen, ob da etwas wirklich über Zeit hinweg objektiv existiert... dann muss das nicht so sein.

Stell es Dir mal so vor:
Denk Dir mal ein leeres Buch. Und ich schreibe jetzt auf die erste Seite die Charakterisierung einer Person und deren Handlung für einen MOment. Auf die nächste Seite beschreibe ich dieselbe Persönlichkeit, aber in einem neuen Moment... andere Handlung, andere Umstände... Es ist dieselbe Persönlichkeit die zwei verschiedene Zeitmomente erfährt. Aber: Sie ist es nur vom Inhalt her. Das, woraus sie "gemacht" ist... sowohl die Buchstaben, Worte, wie auch das Papier auf denen sie stehen sind immer wieder neu. Und wenn man das auf Bewusstsein übersetzt: Denk Dir ein unendliches Bewusstsein... ein "Meer aus Sein"... wie ein großer Raum für alle Arten von Gedanken. Und in diesem Raum existiert nun mehrere Millionen mal der Gedanke "Ich bin GenFu"... und jeder dieser Millionen Einzelgedanken verbindet sich mit anderen Gedanken, die mehr oder weniger einzigartig sind, so dass sich aus ganz vielen Einzelstücken eine gesamte Lebensgeschichte zusammensetzt, eine scheinbar stabile und zeitüberdauernde Persönlichkeit, während in Wirklichkeit jeder Moment vollkommen neu ist. Sowohl jede einzelne Wahrnehmung, wie auch der scheinbar immer gleiche Basis-Ich-bin-Gedanke....

Nur: Ich finde das solche Überlegungen nicht so wichtig sind. Ich sehe die Priorität eher darin wie man es wahrnimmt. Ob etwas in jedem Moment objektiv vollkommen neu ist, vom Inhalt her aber zeitlichen Bezug hat und als zeitüberdauernd wahrgenommen wird, oder ob etwas tatsächlich jetzt erscheint... eine gewisse Zeit überdauert... und dann wieder vergeht... das finde ich nicht so entscheidend. Allerdings tendiere ich persönlich zur ersten Theorie und glaube, das objektiv gesehen jeder Moment brandneu ist. Das um einen herum, genau wie man selbst, nichts existiert das überhaupt mit Zeit in Verbindung gebracht werden könnte. In der Gesamtsumme entsteht aber genau dieser Eindruck.

Warum mir das gerade einfällt ? Weil ich in meiner Vergangenheit etwas gewühlt habe. Es ist tatsächlich so, dass Fotos, Aufnahmen usw. so erlebt werden können, als hätte es nie eine Spanne zwischen diesen und den damaligen Momenten gegeben. Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen, und es ist irgendwie so, als ob es keinen wirklichen Unterschied darin gäbe. Alte Gefühle werden wach, längst vergrabene Eindrücke kommen wieder hoch, als wäre nie Zeit dazwischen gewesen.
Ja... ich glaube wie gesagt, das wir gewisse Muster fortsetzen bis sie aufgelöst werden. Du wirst feststellen, das Du Dich perfekt an alles erinnern kannst das für Dich große Bedeutung hatte, unbedeutendes vergißt Du unglaublich schnell. Bedeutung wiederum hat für Dich, was für Dich eng mit dem Thema Freude und Leid zusammenhängt... Alles was für Dich ursächlich zu sein scheint, sozusagen Macht über Dich hat. Im Grunde liegt darin auch ein Irrtum... Denn all dem, dem Du Ursächlichkeit zuschreibst, schreibst Du auch "Nicht-Ich" und Andersartigkeit zu. Wir erkennen bei nichts die Wirklichkeit der Existenz, sondern immer nur unsere Interpretation. Und erst wenn man die Interpretation einer Wahrnehmung deren Wirklichkeit (Bewusstsein wie man selbst... ohne Aussage) annähert, wird es sozusagen verinnerlicht und verschwindet aus der Wahrnehmung. Denn man nimmt immer nur das Unausgewogene wahr.

Was würdest du dazu sagen, siehst du auch einen Zusammenhang zwischen Identität und Zeit ? Ich glaube zu wissen, dass es zumindest in die „richtige“ Richtung geht.
Ja... definitiv. Ich denke, ohne Zeit (auch wenn sie objektiv nicht existiert, wovon ich ausgehe) keine individuelle Identität. Eine Art von Existenz mit Sicherheit und diese Existenz ist wohl auch eher Wirklichkeit zu nennen als das was wir hier wirklich und "Ich" und Identität nennen. Aber Persönlichkeit, Erfahrungen, Individualität... das braucht definitiv Zeit.

VG,
C.
 
Gen Fu schreibt:


Widerspruch, euer Ehren!
Ich kann keine Zeit wahrnehmen. Ich kann eine Uhr, einen Ablauf, einen Sprechenden, angenehmen Duft, Musik, Luftschwingungen usw. wahrnehmen. Aber Zeit ist immer schon vergangen, wenn ich hinschaue. Zeit nehme ich nicht wahr, ich nehme Räume wahr.
Aber diese "Räume" haben Zeitinhalte... Damit meine ich: Wenn Du Dich an etwas erinnerst... eine vergangene Erfahrung vor Dein inneres Auge rufst, ist damit auch irgendeine Form von Zeitbewusstsein verbunden. Es ist definitiv eine Erinnerung, keine Fantasie oder Vorstellung für die Zukunft. Du kannst sehr klar unterscheiden, zeitlich gesehen, ob Du eine Erfahrung der Vergangenheit vor Augen hast, oder z.B. eine Wunschvorstellung für die Zukunft, oder die Vorstellung das auf einem anderen Planeten gerade Affen gegen Aliens kämpfen. Und das was Zeit mit ins Spiel bringt ist, WIE sich das was Du Dir vorstellst mit Dir verbindet, welche Bedeutung es für Dich hat. Eine Vorstellung einer zukünfitgen Situation löst vollkommen andere Gefühle aus als eine vergangene... Das könnte z.B. Angst sein. Die Wahrnehmung von Zeit ist eng mit deren Bedeutung verknüpft. Und vielleicht gibt es nicht einen Aspekt den man einfach "Zeit" nennen könnte... ein klares Zeitgefühl... aber Bedeutungen transportieren Zeit und das alles spielt sich in der Wahrnehmung ab.

VG,
C.
 
Jeden Tag älter zu werden? So nehme ich die Zeit wahr. Aber es ist noch keine Definition. Die Chronologische Zeitordnung ist unendlich. Noch immer kein Hinweis auf Definition.

Ich würde mich jetzt gern mit Heinrich Böll unterhalten. Es mag durchaus sein, er beschäftigte sich mit dieser Frage, schon bevor er Nicht nur zur Weihnachtszeit geschrieben hat.
 
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Immer, wenn wir auf die Zeit schauen, ist sie schon wieder weg.

Nur in der bewussten Wahrnehmung, wenn wir garnicht hinschauen, sind wir in der Zeit drin.
Es ist absolut sinnlos, auf die Uhr zu schauen und zu sagen, es ist jetzt 00:37 Uhr. Wenn wir dies bewusst machen, istsieschon wiederweg, die Zeit, die wir nur als ein Jetzt wahrnehmen können, eben in diesem 'Jetzt' - tzt - t.

Erst wenn wir einkehren in uns selbst, in unser Ich - eigentlich - 'I'. Im Englischen ist es richtig = I

eieiei - I bi's, I - hoscht mi

Ja, eigentlich Klein i

es ist ja der Punkt auf dem i

das Bindu (ind.) der Punkt in der Schale, Synonym für das Selbst.

Jetzt sind wir angekommen, in unserem wahren Sein, das wir selbst sind. Erst hier sind wir in der Zeit darinnen, vorher haben wir sie uns immer 'nur' von aussen (mit der Uhr in der Hand) angesehen.

Zeit gibt es also nur, weil es ein Sein gibt, das auf einer Spur lebt, auf der Spur ins Ur.

Buonas noches - gute Nacht
ELi
 
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