Dokumentiert: »Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt«
* Die wichtigsten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zum völkerrechtswidrigen Charakter des Irak-Krieges und seiner Unterstützung durch die Bundesregierung:
Gegen den am 20. März 2003 von den USA und vom Vereinigten Königreich (UK) begonnenen Krieg gegen den Irak bestanden und bestehen gravierende rechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gewaltverbot der UN-Charta und das sonstige geltende Völkerrecht. Für den Krieg konnten sich die Regierungen der USA und des UK weder auf sie ermächtigende Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates noch auf das in Art. 51 UN-Charta gewährleistete Selbstverteidigungsrecht stützen (...)
Rechtlich unverbindlich ist (...) ein Befehl, dessen Erteilung oder Ausführung als Handlung zu qualifizieren ist, die geeignet ist und in der Absicht vorgenommen wird, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (...)
Ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot kann nicht ohne weiteres deshalb verneint werden, weil die Regierung der Bundesrepublik Deutschland öffentlich wiederholt zum Ausdruck gebracht hatte, »daß sich deutsche Soldaten an Kampfhandlungen nicht beteiligen werden.« Die Unterstützung einer völkerrechtswidrigen Militäraktion kann nicht nur durch ein Tun oder (...) durch Unterlassen begangen werden. Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt.
Der neutrale Staat ist völkerrechtlich gehalten, jede Verletzung seiner Neutralität, wenn nötig mit Gewalt, zurückzuweisen (...) Streitkräfte einer Konfliktpartei, die sich auf dem Gebiet des »neutralen Staates« befinden, sind daran zu hindern, an den Kampfhandlungen teilzunehmen (...)
Weder der NATO-Vertrag, das NATO-Truppenstatut noch andere NATO-Abkommen sehen eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland vor, entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht völkerrechtswidrige Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen. Was gegen die UN-Charta verstößt, kann und darf die NATO nicht beschließen und durchführen. (...)
Es bestehen gegen mehrere (...) festgestellte Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der USA und des UK im Zusammenhang mit dem (...) Krieg gegen den Irak gravierende völkerrechtliche Bedenken. Dies gilt jedenfalls für die Gewährung von Überflugrechten für Militärluftfahrzeuge der USA und des UK, die im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg über das Bundesgebiet hinweg in das Kriegsgebiet in der Golfregion flogen oder von dort zurückkamen. Ebenfalls gilt dies für die Zulassung der Entsendung von Truppen, des Transports von Waffen und militärischen Versorgungsgütern von deutschem Boden aus in das Kriegsgebiet sowie für alle Unternehmungen, die dazu führen konnten, daß das Staatsgebiet Deutschlands als Ausgangspunkt oder »Drehscheibe« für gegen den Irak gerichtete militärische Operationen diente. Denn objektiver Sinn und Zweck dieser Maßnahmen war es, das militärische Vorgehen der USA und des UK zu erleichtern oder gar zu fördern. Wegen dieser Zielrichtung bestehen gegen das diesbezügliche Verhalten der Bundesregierung im Hinblick auf das völkerrechtliche Gewaltverbot und die angeführten Bestimmungen des V. Haager Abkommens gravierende völkerrechtliche Bedenken. (...)
* Das Urteil im Wortlaut unter:
www.bundesverwaltungsgericht.de