Voluntarismus, Monopol oder Alternative ?

TommyCasagrande

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Oft erlebe ich es, dass Diskussionen um die richtige Gesellschaftskonstruktion derart konzipiert sind, dass der Eindruck entsteht, dass ein alter König von einem neuen König ersetzt werden soll.


Derzeit ist die Idee des Staates jenes Monopol, zu dem es auf dieser Welt keine Alternative gibt. Diese Idee basiert auf der Herrschaft von Menschen über Menschen. Ein sehr zweifelhaftes Prinzip, dass selbst die Minimalstaatler nicht beerdigen möchten. Nichts desto trotz ringen die Minimalstaatler um Einflussnahme auf das dominierende Staatskonzept um es innerhalb des Systems zu transformieren. Bildlich gesprochen entspricht dies einem krebskranken Menschen, den man versucht, mit Hilfe einer Bestrahlungstherapie insoweit wieder herzustellen, sodass er als geheilt gilt, wenngleich vereinzelte Zellen beschädigt zurückbleiben aus denen neues Unheil sich entwickeln kann. Dieses Staatskonzept nenne ich die "negative Krebs-Theorie". Denn in dieser negativen Krebs-Theorie gehe ich davon aus, dass die zurückbleibenden beschädigten Zellen erneut dazu führen werden, dass die Krankheit erwacht und den menschlichen organismus befällt. Eine "positive Krebs-Theorie" kann ich deswegen nicht bieten, weil empirisch keine Erfahrungswerte dafür sprechen, dass sich das Rad nicht doch wieder langsam zurückdreht. Ebenso gibt es aus Sicht der anarcho-kapitalistischen Exponenten, theoretische Anhaltspunkte darob, dass die Anreize, die innerhalb eines Gewaltmonopols dazu verleiten, Macht auszubauen und zu missbrauchen, so lange andauern werden, wie es ein Monopol auf Gewalt gibt, dem diese Macht per definitionem inne wohnt.


Man stelle sich das heutige Konstrukt des Staates vor als einen Tempel in dessen Innern ein Thron steht. Auf diesem Thron wird nur eine Idee herrschen, die darüber bestimmt, wie sich die Menschen innerhalb des Tempels zu verhalten haben. Die Heute auf diesem Thron sitzende Idee ist die Idee des Konzeptes vom Staat in all seinen Ausmaßen. Um diesen Thron kämpfen innerhalb des Tempels verschiedene Splittergruppen. Seien es die Rechten, die Linken, die Grünen oder die Minimalstaatler. Es gibt aber noch eine andere kleine Gruppe die ebenfalls um diesen Thron kämpft, die Voluntaristen.


Die Voluntaristen sind die einzige Gruppe, welche die gesamte Idee des Tempels in Frage stellen, während die anderen Gruppen sich lediglich um die Ziele oder das Ausmaß der Gewaltherrschaft streiten. Ist ein solcher, von Gewaltherrschaftsfantasien gefüllter Tempel jener Ort, an dem sich Voluntaristen Duelle liefern sollten, um auch einmal den Thron besteigen zu dürfen ? Ich meine, nein.


Mein Vorschlag zielt darauf ab, dass jeder sich seinen eigenen Tempel bauen soll, damit jede Idee auf ihrem eigenen Thron sitzen kann. Es ist ähnlich eines Fussballspieles, wo 22 Menschen einem Ball nachjagen. Wenn alle 21 Menschen schreien, sobald der 22. den Ball hat, dann gib jedem seinen eigenen Ball. Und genau dies könnte eine utopische Vorstellung dafür sein, gesellschaftspolitische Konflikte zu entschärfen. Gib jeder Idee, wie sich Gesellschaft organisieren kann, einen Raum, einen Spielplatz, um sich verwirklichen zu können, und die Vertreter der jeweiligen ideen schlagen einander nicht die Köpfe ein.


Dies führt zu einer Welt, die nach meinen Vorstellungen sehr vielfältig gestaltet ist. Darin kann es Staaten geben, die innerhalb ihres Territoriums sich so verhalten wie es heutige Staaten bereits tun. Daneben existieren paralallel dazu Staaten die den Ansprüchen der Minimalstaatler zugrunde liegen, die dann die Möglichkeit haben, zu beweisen, dass auch Staaten, die explizit nach Minimalstaatskriterien konzipiert sind, sich nicht verwandeln in einen ausufernden Leviathan. Vielleicht würde dies aber auch deswegen nicht passieren, weil jene, die sich mehr als nur einen Minimalstaat wünschen, die Möglichkeit hätten, das territorium zu wechseln um ein ganz anderes politisches Umfeld vorzufinden. Und neben den Territorien der Ideen von Vollstaat und Minimalstaat existiert daneben ein Territorium, welches nach voluntaristischen Prinzipien und Grundsätzen aufgebaut ist. Wer frei sein will, der zieht in dieses Territorium und hat auch jederzeit die Möglichkeit zu gehen, was auch den Bewohnern der anderen Territorien möglich wäre. In dieser Welt würden die verschiedenen Ideen von Gesellschaft nebeneinander existieren. Und das Mittel um diese Ideen realer scheinen zu lassen sehe ich in der Methodik der Sezession. Ebenfalls lässt sich das Gebilde eines Territoriums nicht bloß im Ausmaß heutiger Nationen denken sondern kann auch in Form heutiger Städte und Gemeinden verwirklicht werden. Schließlich bestand einst das heutige Griechenland auch aus nichts anderem als Stadtstaaten.


Ich habe mit diesem Text versucht, aus voluntaristischer Sicht eine Perspektive zu ermöglichen, um sich selbst die Frage zu stellen, wie man sich das Konzept einer voluntaristischen Gesellschaft vorstellt. Soll Voluntarismus ein Monopolgedanke sein, der alle Minimalstaatsanhänger sowie alle Vollstaatsanhänger die nicht vom Voluntarismus überzeugt sind, miteinbezieht oder soll der Voluntarismus als Gesellschaftskonzept separat zu einem Vollstaat und einem Minimalstaat existieren, und somit nur jene Menschen beinhalten, die auch von dieser Idee überzeugt sind ? Meine persönliche Meinung ist, dass der Voluntarismus eine Alternative sein soll, weil er damit auch Anziehungskraft bewahrt.


Nichts desto trotz befürworte ich eine nicht relativistische Sichtweise des Voluntarismus und bestreite hiermit nicht, dass ich seine Werte als objektiv besser als die Werte anderer Gesellschaftskonzeptionen sehe. Dennoch gehört es zu diesen Werten dazu, niemandem zum mitmachen zu zwingen. Nichts desto trotz darf man versuchen jeden zum mitmachen zu gewinnen. In diesem Sinne sind Diskussionen unter den Befürwortern verschiedener Gesellschaftsmodelle stets bereichernd für das theoretische Fundament, die den Menschen eine Orientierung bieten.


In Anbetracht der Tatsache, dass wir Heute alle im Tempel des Staatskonzeptes leben, der immer mehr danach strebt, die vollumfängliche Verfügungsgewalt über das Individuum in seine bürokratischen Hände zu bekommen, ist es nicht nur ein Ausdruck Orientierung schaffen zu wollen, indem man die Idee des Staates diskreditiert sondern auch Ausdruck von Abwehr, nicht damit einverstanden zu sein, von diesem Staatskonzept vereinnahmt zu werden.
 
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