Moral predigen oder begründen?

Ich hoffe, du willst mir damit nicht sagen, dass du mich für zu dumm hältst. :D
Wie du ja selbst siehst, ist es nicht nur für dich schwer - in Anlehnung an Schopenhauer - Moral zu begründen. Auf einer niederen Ebene, möchte ich sagen, ist es leicht, indem man einen Piesacker abwehrt, damit er einen in Ruhe lässt. Aber auf einer höheren Ebene wird es umso schwerer. - Auch für mich natürlich!

An sich sollte man erstmal klären, ob Zorn an sich unmoralisch ist.
Interessanter Punkt! Nehmen wir den bloßen Zorn, ohne Bezugnahme auf etwas Konkretes. - Was kann er dem oder im Menschen bringen?
 
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Beispiel für Moral:

Auf einer Kreuzung fahren 2 Autos zusammen, ein rotes und ein blaues. Blechschaden. Die Polizei wird gerufen, um herauszufinden, was die Ursache war.

Der ermittelndende Beamte geht zu einem Zeugen, der am Straßenrand steht, und befragt ihn:
"Haben Sie gesehen, wie das passiert ist?"
"Ja, Herr Wachtmeister. Die Sache ist ganz klar. Der Schuldige ist der Hersteller des blauen Fahrzeugs. Denn hätte er das Fahrzeug nicht gebaut, wäre es heute nicht zu dem Blechschaden gekommen."
Der Wachtmeister kratzt sich am Kopf, weil er eingestehen muss, dass die Antwort weder falsch, noch gelogen noch ausgedacht ist.

Um jedoch noch eine weitere Aussage einzuholen, geht er zu einem zweiten Zeugen am Straßenrand, um auch dessen Aussage als Entscheidungshilfe für den Richter zu Protokoll zu nehmen.
Der zweite Zeuge sagt:
"Es stimmt nicht, was der erste Zeuge sagt, Herr Wachtmeister! Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die Mutter des roten Fahrers die Schuld an dem Unfall trägt. Denn hätte sie ihren Sohn nicht geboren, dann wäre es heute nicht zu dem Unfall gekommen und sie könnten einen geruhsamen Nachmittag auf der Wache verbringen. Die Mutter des Fahrers des roten Autos ist eindeutig die Schuldige."

Der Fahrer des blauen Autos hört die Zeugenaussagen und schmunzelt. Nur er weiß, dass er vor dem Befahren der Kreuzung einer hübschen Blondine auf dem Bürgersteig nachgesehen hat, und deswegen zu spät bremste.

Alle diese Gründe können als gleichberechtigte Erklärung herangezogen werden. Kein Grund ist schlecher oder besser als der andere, keiner ist erfunden oder erlogen.

Was war denn nun der tatsächliche Grund? Vielleicht die defekten Bremsen des roten Autos?

Genauso gut ist die Erklärung: Unsere Sonne ist der wahre Grund für Unfall. Denn ohne Sonne, keine Erde, keine Autohersteller, keine Fahrer.

Jeder dieser Gründe ist genauso gut und richtig wie der andere.

Und die Moral?

Welche Moral ist denn die korrekt? Es wird die Moral als die korrekte empfunden, auf die man sich geeinigt hat und alle anderen gleichberechtigten Ereignisse ignoriert, die zu dem Unfall geführt haben.

So machen wir das.

Wenn ich der Polizist wäre, würde ich diese Zeugen für blöd halten.
Die sind offensichtlich nicht fähig, einen Sachverhalt zu schildern, um den es grade geht, nämlich den Unfallhergang zu beschreiben.
 
Wie du ja selbst siehst, ist es nicht nur für dich schwer - in Anlehnung an Schopenhauer - Moral zu begründen. Auf einer niederen Ebene, möchte ich sagen, ist es leicht, indem man einen Piesacker abwehrt, damit er einen in Ruhe lässt. Aber auf einer höheren Ebene wird es umso schwerer. - Auch für mich natürlich!

Kann ich dir nachfühlen, ich kann 's bisher ja auch nicht.
Wenn ich mich gewehrt habe, frage ich mich hinterher auch oft, ob 's berechtigt war und ob ich 's hätte anders machen können.... seufz .....

Interessanter Punkt! Nehmen wir den bloßen Zorn, ohne Bezugnahme auf etwas Konkretes. - Was kann er dem oder im Menschen bringen?

Er kann ihn vor Verletzung schützen und vor weiteren Übergriffen bewahren.
 
Wenn ich der Polizist wäre, würde ich diese Zeugen für blöd halten.
Die sind offensichtlich nicht fähig, einen Sachverhalt zu schildern, um den es grade geht, nämlich den Unfallhergang zu beschreiben.
"Aber Herr Wachtmeister, wie können Sie Tatsache ignorieren, dass die Sonne der wahre Grund ist. Haben Sie in Ihrer Schule und Ihrer polizeilichen Grundausbildung nicht gelernt, zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden zu können? Ich möchte nicht einer der Fahrer sein, den Sie in die Pfanne hauen! Scheiß vorgetäuschte Moral!
 
Welche Moral ist denn die korrekt? Es wird die Moral als die korrekte empfunden, auf die man sich geeinigt hat
Als Junge überfiel ich mit einem Freund zwei andere Jungen. Ich drohte einem der beiden, ihm einen schweren Stein auf dem Kopf zu schlagen. Dann aber sagte ich entsetzt zu mir selbst: Mensch, du kannst dem Jungen doch nicht den Stein auf den Kopf schlagen!? - Ich ließ von ihm ab und ließ ihn ziehen. Noch viele Jahre später schämte ich mich fürchterlich über meine Absicht. Gesprochen hatte hier keine Einigung und keine Moralerziehung meiner Eltern. Gesprochen hatte hier einzig und allein mein Gewissen. - Aber begründen konnte ich das nicht.
 
"Aber Herr Wachtmeister, wie können sie Tatsache ignorieren, dass die Sonne der wahre Grund ist. Haben Sie in ihrer Schule und Ihrer polizeilichen Grundausbildung nicht gelernt, zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden zu können? Ich möchte nicht einer der Fahrer sein, den Sie in die Pfanne hauen!"

Ich möchte nicht der Wachtmeister sein, der sich mit solchen Zeugen rumschlagen muss. :D
 
Als Junge überfiel ich mit einem Freund zwei andere Jungen. Ich drohte einem der beiden, ihm einen schweren Stein auf dem Kopf zu schlagen. Dann aber sagte ich entsetzt zu mir selbst: Mensch, du kannst dem Jungen doch nicht den Stein auf den Kopf schlagen!? - Ich ließ von ihm ab und ließ ihn ziehen. Noch viele Jahre später schämte ich mich fürchterlich über meine Absicht. Gesprochen hatte hier keine Einigung und keine Moralerziehung meiner Eltern. Gesprochen hatte hier einzig und allein mein Gewissen. - Aber begründen konnte ich das nicht.
Man kann hier als Erklärung anführen, dass du schon früh gelernt hast, auf Handlungen zu verzichten, die dich selbst und andere schädigen.
 
Man kann hier als Erklärung anführen, dass du schon früh gelernt hast, auf Handlungen zu verzichten, die dich selbst und andere schädigen.
Das ist, worauf ich hinweisen möchte. Es war nichts Erlerntes, nichts an einem rein mechanischen Vorgehen, so oder so tun zu sollen, sondern es war tief in mir selbst! Dies war eine ganz tiefe Empfindung, an die keine Erziehung einen Zugang hat.
 
Als Junge überfiel ich mit einem Freund zwei andere Jungen. Ich drohte einem der beiden, ihm einen schweren Stein auf dem Kopf zu schlagen. Dann aber sagte ich entsetzt zu mir selbst: Mensch, du kannst dem Jungen doch nicht den Stein auf den Kopf schlagen!? - Ich ließ von ihm ab und ließ ihn ziehen. Noch viele Jahre später schämte ich mich fürchterlich über meine Absicht. Gesprochen hatte hier keine Einigung und keine Moralerziehung meiner Eltern. Gesprochen hatte hier einzig und allein mein Gewissen. - Aber begründen konnte ich das nicht.

Ich finde, das Gewissen ist Grund genug.
Mir ist auch mal sowas passiert und zwar hatte ich mich völlig unbewusst einer Meute aus meiner Volksschulklasse angeschlossen, die einen Klassenkameraden hetzten, weil er angeblich etwas geklaut hatte.
Dieser brach dann an einer Mauer zusammen und ich sah ihm "zufällig" in die Augen und da wachte ich auf und schämte mich total.
Das war für mich der Anlass, mich nie mehr eine Menge anzuschließen.
 
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Das ist, worauf ich hinweisen möchte. Es war nichts Erlerntes, nichts an einem rein mechanischen Vorgehen, so oder so tun zu sollen, sondern es war tief in mir selbst! Dies war eine ganz tiefe Empfindung, an die keine Erziehung einen Zugang hat.
Wir kommen, um es mal esoterisch zu sagen, mit einem Licht der Vernunft (=Aufmerksamkeit) zur Welt, das uns erkennen lässt, was richtig ist.
Viele probieren jedoch etwas Anderes aus.
 
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