Liebe Mipa,
so sehe ich das auch – wobei mancher nur glaubt er er würde sein Seelenheil in Händen halten. Das Seelenheil ist jedoch kein Besitz, den man horten kann – sondern etwas, um das man sich jeden Tag neu bemühen muß. Eine Mühe, die Frauen nun einmal leichter gelingt als den Männern.
In dieser hohen Kompetenz zur Spiritualität liegt dann auch die Angst der Männer etwas von ihrer Dominanz und damit auch von ihrer Stellung in der Gesellschaft aufgeben zu müssen. Man stelle sich den Dammbruch vor, wenn die Kleriker zugeben würden, daß Frauen im Grunde doch die besseren Seelsorger wären. Wie groß muß diese Angst sein, wenn man den Frauen das Denken in Abrede stellt?
Merlin
Lieber Merlin
Ich weiss nicht genau, ob wir unter heil/seelenheil dasselbe verstehen. Sich heil und ganz fühlen heisst für mich, keine unzulänglichkeit (an sich) mehr wahrzunehmen. Nicht, weil sie nicht da wäre, sondern weil ihr fehlen nicht schwach macht und deshalb nach keinem ausgleich mehr zu suchen braucht. Ich nenne es ein grundgefühl, dass sich einstellen kann und das von äusseren ereignissen unberührt bleibt. Vielleicht kann man es mit einer tiefen und liebevollen versöhnung/annahme mit/von sich selbst bezeichnen.
Die angst, die du erwähnst, war schon immer sehr tief und ihre auswüchse grotesk. Damit meine ich nicht nur die hexenverfolgung, die ja vor allem heilerinnen galt, denen man teufelswerk nachsagte, weil man ihre erfolge nicht anerkennen wollte, sondern auch die einflussnahme auf die hebammen der früheren zeit. Sie hatten gegenüber den medici ja immer eine leidlich gedultete und belächelte stellung. Sagten sie eine totgeburt ode behinderung des kindes voraus, tauchte ja sofort der medicus in begleitung eines geistlichen auf, um eine 'nottaufe' vorzunehmen, indem er weihwasser in den uterus spritzte. Selbst diese frauendomäne wurde in letzter konsequenz von männern überwacht - vom klerus. Selbstverständlich starben die frauen u.a. dadurch reihenweise an einer sepsis.
Mir kommt es vor, als ob gerade dieser prozess des 'leben schenkens' den männern angst einjagte, weil er sich ihrer kontrolle und einflussnahme entzog.
Wenn man nun den frauen das denken zuerkannte, wäre das ein weiterer punkt, wo frau macht bekommen hätte. Wenn sie nun einerseits empfangend, lebenschenkend und auch noch denkend war, wurde sie dem angstvollen mann gefährlich, weil sie in seinen augen zwangsläufig eine vormachtstellung einnahm.
Mich interessiert, warum viele männer aber dennoch ganz anders dachten und denken und frauen gleichberechtigt neben sich sahen/sehen. Wovon hängt es genau ab, dass sich ein patriarchat etabliert, beziehungsweise beibehalten wird? Ein kluger und sensitiver mann wird eine frau nie als konkurrenz betrachten. Er hat folglich diese angst nicht, warum nicht, woher kommt sie?
Einen schönen sonntag