Dann glaubte ich, die Erfüllung zu finden. Etwas womit ich möglicherweise von der Konsumenten auf die Anbieterseite wechseln konnte: Das Studium zur Gesundheitspraktikerin. Biodynamische Lebensmittel, genügend Schlaf, Bewegung, gesunde Ernährung, Umwelt schonen. Edle Ziele. Werte Motive. Ich hielt es für das allein selig machende und dachte mir: Wenn ich das habe, werde ich endlich, endlich glücklich sein. Ich erarbeitete mir das Diplom. Nur: vegetarische Ernährung, frische Luft und genügend Schlaf, das war's noch immer nicht.
Jedesmal wenn etwas Neues dazugekommen ist, war es wirksam. Zum Beispiel die Bachblüten. Ich bin ein Mensch der nur schwer "Nein" sagen kann. Also nehme ich ein Mittel, dass mir hilft, den Leuten Grenzen zu setzen. So nehme ich die entsprechenden Tropfen. Sie wirkten. Bald spürte ich, dass ich innerlich hart wurde. Weit über das gewünschte Ziel hinaus. Ich bekam Schuldgefühle. Darum nahm ich die Tropfen die diese Gefühle abbauten. Dafür tat ich wieder, was alle von mir wollten und ich war wieder im alten Kreislauf.
Dann sieht man: Diese Praktik ist es auch nicht. Und schon kommt die nächste. Kristalle, Farbtherapie, Chakrenmeditationen und so weiter. Wieder brachte es nicht die Erfüllung, was kommt jetzt? Damals gehörte dies für mich zum Ganzheitlichen: Das nehme ich noch dazu, das auch noch und jenes dann als nächstes. Bis zur Erfüllung.
Ich lies mich zur Kommunikationstrainerin ausbilden (nach einem esoterischen Prinzip) und buchte weitere Rückführungen; eine kostete 800 Schilling. Ich lernte, dass meine Probleme auf meine früheren Leben basieren, wo ich "das und das falsch gemacht habe." Mit diesen Rückführungen musste ich Leben um Leben wie bei einer Zwiebelschale abstreifen. Nach der Sitzung müsste es einem folglich besser gehen. Bei mir nur selten der Fall. Ausserdem wusste ich nicht ob ich 50 oder 100 oder noch mehr solcher Zwiebelschalen abzulegen habe; ob ich 40'000 oder 80'000 oder noch mehr Schilling auszugeben habe.
Total crasy! Aber für mich als New Agerin war das total logisch. Ich war gewillt, mein ganzes Geld da rein zu stecken. Nur schon um im nächsten Leben weniger lösen zu müssen. Immerhin in zwanzig vergangenen Leben war ich schon. Mitunter erlebte ich sogar pränatale Phasen. Meine Geburt. Ich kam in einer Privatwohnung zur Welt. Alles konnte ich exakt beschreiben: Was die Schränke im Schlafzimmer für Maserungen hatten, in was für ein Badetuch ich eingewickelt war, wie die Hebamme ausschaute, wo die Fenster waren, welche Kleider mein Vater getragen hatte. Später - nach der Rückführung - sprach ich mit meiner Mutter darüber. Alles stimmte. Bis ins kleinste Detail. Ich hinterfragte nie. Obschon ich mich immer für einen Menschen mit Tiefgang hielt.
Gott
Mein Mann - wir lebten bereits getrennt - erhielt das Büchlein "Vom Minus zum Plus". Eine christliche Schrift des Predigers Reinhard Bonnke, dem "Mähdrescher Gottes". Er blätterte in diesem Büchlein herum und wollte mir zeigen, dass ich auf einem falschen und gefährlichen Weg bin. Ich war keinen Argumenten zugänglich. Dann sah er das Büchlein nochmal an und dachte sich: "Jetzt probiere ich es mit beten." Er ging tatsächlich ins Schlafzimmer, auf die Knie und betete dass ich da raus finde. Davon erfuhr ich aber erst später. Die Auswirkung aber liess nicht lange auf sich warten: Keine zwei Tage später spürte ich in meinem Herzen die Frage: "Was ist mit Gott?". In der nächsten Sitzung stellte ich sie meiner Trainerin. "Gott, Gott, Gott. Was soll das mit Gott? Wir alle sind Gott!" In meinem Herzen tauchte die nächste Frage auf: "Aber was ist mit der Liebe?" Wir wurden trainiert, keine Gefühle zu haben. Wir hatten Medien, die waren schon ein Jahr im Training drinnen. Sie waren fähig, sich zwei Stunden auf einen Meter Distanz gegenüber zu sitzen, sich in die Augen zu schauen, ohne eine Körperbewegung. Ohne einen Gedanken. Jedesmal wenn ein Gedanken aufflackerte sagten sie: "Stop!" und stellten den Wecker oder die Uhr wieder zurück. Ohne Gefühl, ohne Gedanken. Ohne zu Zucken. Sitzen und nur schauen. Ihre Gefühle waren komplett abgestumpft. Abgebrüht. Abgerichtet. Kommunikationstraining.
Die Frage bohrte tiefer: Was ist mit der Liebe? Sollte sie nicht das Höchste sein? Mehrfach verwickelte sich die Trainerin in Widersprüche. Sie lebte nicht das was sie sagte. Plötzlich wusste ich: Ich steige aus diesem Programm aus. Dieser Gedanke "ich steige aus" bereitete mir eine ungeahnte Freude.
Auf einem anderen Planeten
Zwei bis drei Monate später erzählte mir eine Freundin von einer Christengemeinde. Sie meinte, ich solle da einmal hingehen. Aber ich steckte noch immer in meiner Ausbildung zur Gesundheitspraktikerin. "Annelis", erwiderte ich, "ich hab jetzt viele Prüfungen wegen meinem Diplom, aber im März bin ich damit durch. Im April schaue ich mir das einmal an." April. Sonntag morgen. Kurz vor zehn Uhr. Ich komme rein. Musik. Gesang. Stehende Leute. Sitzende Leute. Singende Leute.
An die Wand war der Text eines Liedes projiziert. Ich las die Strophen. "Du stillst meine Sehnsucht." Wie ein Blitz durchzuckten mich diese Worte. "Du hörst meines Herzens Schrei." Ich wusste: Mein Suchen hat ein Ende. Ich bin Zuhause. Solange suchte ich genau das. Von der Predigt bekam ich kaum etwas mit. Zwei Stunden lang konnte ich nicht aufhören zu weinen. Gottes Liebe überwältigte mich dermassen.
Zum Schluss fragte der Prediger ob er für jemanden beten solle. Jemanden der Jesus noch nicht kennt. Automatisch fuhr meine Hand nach oben. Er holte mich - glücklicherweise - nicht nach vorne sondern sagte: "Ich bete für die Frau da hinten."
In der folgenden Woche beobachtete ich mich und hatte nicht den Eindruck, dass sich mein Leben veränderte. Dafür freute ich mich in den folgenden Wochen immer auf den Sonntag. Obschon es draussen noch immer kalt war und der Anfahrtsweg fast eine Stunde in Anspruch nahm. Aber es zog mich hin.
Eines (Sonn-)Tages kam ein Gastprediger. Er integrierte eine Gebetszeit: "Ich möchte, dass wir uns jetzt zwei bis drei Minuten Zeit nehmen, füreinander zu beten. Geht dafür zu zweit oder zu dritt zusammen." Ich konnte schon nichts damit anfangen, dass da Leute herumstehen, die "Halleluja" sagen und die Hände in die Höhe heben. Jetzt sollte ich plötzlich für jemanden beten. Noch war ich in diesen Gedanken versunken, da kam eine junge Frau auf mich zu und strahlte "Hi, ich bin die Claudia!". "Ich die Romana." Sie betete für mich. Als sie fertig war gestand ich: "Claudia, ich kann das nicht." - "Das ist okay." Die Frau gefiel mir. Ich wollte ihre Telefonnummer. Wir verabredeten uns.
Drei Tage später trafen wir uns im Stadtpark, in einem Open-Air-Café. Nach ein paar belanglosen Themen, sprach ich sie auf den Glauben an. Laut und begeistert verkündete sie aus tiefstem Herzen im gut gefüllten Bistro: "Weisst Du, ich habe so eine Liebe zu Jesus, ich könnte keinen Tag mehr ohne ihn leben!" Meine ersten Gedanken:
Ist die blöd?
Ist die wahnsinnig?
Da hören hundert Leute um uns herum zu und die sagt das so laut. Aber etwas in mir drängte: "Wooow! Was die hat, will ich auch."
Beten und Bibel lesen gab es bei mir nicht. Niemand sagte mir etwas darüber. Aber es hat mich nicht mehr los gelassen. Irgendwann fragte mich jemand: "Hast Du Jesus schon in Dein Leben eingeladen?" - "Nein. Muss man das?" - "Ja. Tun wir das mal!" Wir gingen zum Pastor. Der fragte, ob er vorbeten solle. "... übergebe Dir die Führung meines Lebensschiffes..." und so weiter. Zuhause dachte ich mir dann: Nein. Dass war nicht ich. Mach ich nochmal. Um zehn Uhr abends ging ich auf meine Knie. Echt. Mit Tränen. "Jesus. Schau Dir mein Leben an. Bis jetzt probierte ich es ohne Dich. Ein einziger Scherbenhaufen. Ich will es nicht mehr ohne Dich versuchen. Komm Du jetzt in mein Leben. Führe mich." Dass war ich. Ich kriegte eine riesige Freude.
Esoterische Kräfte zeigten seit meinem Gebet keine Wirkungen mehr. Jesus erwies sich als stärker. 25 Jahre suchte ich in der Esoterik vergebens nach Liebe und Geborgenheit. Heute weiss ich, was ich all die Jahre gesucht habe: Jesus. Damals konnte ich das nicht in Worte fassen. Wenn ich früher den Namen Jesus hörte, war eine Resonanz in mir. Eine ganz stille Freude im Herzen. Aber ich wusste nichts damit anzufangen.
Nachdem ich ihm mein Leben übergeben hatte, lies ich mich taufen. Vor der Taufe wollte ich den ganzen "Stuff" aus der Vergangenheit loswerden. Vor der sichtbaren wie der unsichtbaren Welt ein markantes Zeichen. Ich verbrannte alles. Alles. Ein ansehnlicher Stapel. In Jesu Namen sagte ich mich von all dem los. "Mit diesen Methoden will ich nichts mehr zu tun haben. Sie haben mir nie auch nur einen Teil von dem gegeben, was ich jetzt von Dir erhalten habe. Es ist vorbei. Du bist meine einzige Quelle." Das war's.
Streets of Gold(?)
Auf einem weissen Pferd reite ich jetzt auf goldenen Strassen und Rosenblättern in den Himmel hinein und es gibt keine Probleme mehr. Zumindest einige stellen sich mein Leben jetzt so vor. Ich mir damals auch. Bei vielen die zu Jesus kommen ist das so. Du hast Gebetserhörungen und schwebst wie auf Wolken. Dir geht es nur gut. Dann kommen aber auch die Tests. Du betest, dass du gesund wirst und kriegst noch mehr Fieber.
Trotzdem dass es bisweilen auch Probleme gibt, wird mein Leben immer schöner und reicher. Von einem Level zum anderen. Keinen Tag möchte ich mehr ohne ihn leben. Manchmal frage ich: "Daddy, was war da vorher? Wie habe ich ohne Dich leben können? Wie?"
Einem Esoteriker berichtete ich von Jesus. Er hielt eigentlich viel von ihm: "Jesus war ein guter Mensch. Ein gutes Vorbild. Gott ist die Summe aller guten Energien im Kosmos." Eine typische, nebulöse Bezeichnung für alle Leute die ihn noch nicht persönlich kennen. In meinem Leben begegnete ich folgenden zwei Gottesbildern: Zuerst lernte ich ihn im Religionsunterricht als den verdammenden, strafenden Gott kennen. Darum wollt ich nichts mit ihm zu tun haben. Später, in der Esoterik mutierte er in meinen Gedanken zu einem unpersönlichen Allwesen, das allgegenwärtig und zugleich nirgends ist: Alles ist Gott. In uns, in der Natur, überall.
Mein Herz schmerzt, wenn ich sehe wie abertausende in der Esoterik suchen; wie viele "Blinde Blindenführer" es dort gibt. Ich konnte keinen einzigen finden der glücklich ist. Keinen. In 25 Jahren. Keinen. Dabei unternimmt man alles um Erfüllung zu finden. Satan hat die Kontrolle in diesem Bereich. Es wird viel über Beziehungstherapien gesprochen. Aber: Ich kenne in der Esoterik kein einziges Paar - und ich kenne sehr, sehr viele Paare -, das eine auch nur halbwegs glückliche Ehe führt. Angefangen bei der Trennung in der eigenen Familie von meinem Mann.
Der Diabolos verwendet eine subtile Taktik. Zuerst verwöhnt einen der Teufel. Dann zerstört er. Mein Leben ist eines von zahllosen Beispielen. Mit dem "esoterischen Feuer" kann man nicht spielen, ohne sich zu verbrennen.
In meinem Leben habe ich gemerkt, dass der Feind raffiniert ist und immer checkt, wenn man mit einer Praktik am Ende ist. Dann stellt er einem einfach die nächste Methode hin. Und dadurch dass man immer noch am Suchen ist, greift man nach diesem neuen sich bietenden Strohhalm. Heute sehe ich dies als eine Verblendung an. Wenn Yoga auch ein Weg zur Erlösung wäre, hätte Gott seinen Sohn nicht sterben lassen müssen.
Im Gespräch mit Esoterikern hörte ich aber in letzter Zeit immer wieder: "Ihr Christen habt es gut. Ihr habt eine Hoffnung. Etwas "fixes"." Um das auch anzunehmen ist der Stolz dann aber zu gross. Trotzdem: Für Esoteriker habe ich eine riesige Hoffnung. Denn sie suchen von ganzem Herzen. So denke ich, dass noch viele wirklich finden werden.
Mein Glaube hilft mir in jedem Bereich des Alltages. Früher fürchtete ich mich vor der Zukunft. Heute habe ich keine Angst mehr. Vor nichts. Weder davor ein paar Stunden in einem Parkhaus eingesperrt zu werden, noch vor einem finanziellen Desaster oder sonst etwas - die Ängste die mich früher zerfressen hatten, sind weg.
Nach aussen hat sich bei mir nicht viel verändert. Weder habe ich jetzt einen Traumjob, noch quillt mein Bankkonto über. Dafür ist innen alles anders. Unbezahlbar. Eine vorher nicht gekannte Lebensqualität. Und wenn ich erst schaue, was mir als Christin von Gott noch alles zusteht... Unerschöpflich."
Romana Vrana, (44) lebte bis vor einem Jahr in Wien. Heute besucht sie die Bibelschule in Wels(A).
Ihre, sowie weitere Lebensberichte, sind im Buch "Esoterik - die unerfüllte Suche" (Autor Daniel Gerber) beim Brunnen Verlag, Basel erschienen.
ink: Audio-Beitrag: Interview mit Romana Vrana
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Brunnen Verlag
Datum: 30.04.2002