Eltern - und andere Lebensgefahren

Und es hat fatale Folgen, wenn man sich das schönredet. Das Gute, das gerade giftige Eltern ja in völlig unberechenbarer Weise auch zeigten, machte das Ganze so verrückt, so zerreissend im wahrsten Sinne des Wortes. Und es wiegt das Schlimme einfach nicht auf. Es geht schließlich um die Prägungen, um die Spuren, die elterliche Gewalt hinterlassen hat und die werden durch Gutes nicht gelöscht!
Vielmehr lernen Kinder unter diesen spezifischen Einflüssen, sich ungeachtet all der Schrecken und Schmerzen AM GUTEN FESTZUHALTEN UND DAS SCHLIMME ABZUSPALTEN. Eine Überlebensstrategie, die dann Frauen in Gewaltbeziehungen tatsächlich durchhalten hilft....

Ha JA. Danke für diese Worte, Melodie, die drücken das klar aus, was ich so diffus als Unbehagen empfunden habe, als ich "das Positive im Negativen finden" gelesen hatte.

Weil - vielleicht meinst du ja etwas anderes, Magdalena, dann bitte korrigier mich - ich es so erlebe, daß das sogenannte Positive in solchen verrückt verdrehten Strukturen ja auch in sich verdreht ist. Weil es sich so einfach gar nicht finden läßt.

Ich habe - so seh ich das im Moment - gelernt, nicht nur am Guten in einem Menschen festzuhalten und das Schlimme abzuspalten - bis es mich zerreißt. Ich habe noch eine Schraubenwindung weiter gelernt - als Überlebensstrategie - dieses Gute herauszuheben, richtiggehend zu überzeichnen. Das war dann das Bild von meinem Partner, in das ich verliebt war, das Bild von dem Freund, den ich gern gehabt habe, das Bild von einer Kollegin, der ich ergeben war,... oh meine diesbezügliche Galerie ist rekordverdächtig. Und die hab ich mir so perfekt vor die echten Leut gestellt, daß ich überzeugt war, das sind die Leut...

Fatal wird es dann, wenn nun einer daherkommt, der seinerseits grade drum bemüht ist, ein entsprechendes Bild von sich zu zeichnen und dann vor sich herzuschieben. Dann hakt das ein und ist nur noch sehr schwer zu lösen.

Ich hoffe, irgendwem, der das alles hier liest, hilft es in ähnlich verkorksten Situationen, Licht in den Keller zu bringen :)
 
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Krass Kinnih. Meine herzlichste Gratulation zu deinem Ausbruch und alles Gute für die Zukunft.

Hoffe, deine Selbsthilfegruppen helfen wirklich.

:kiss4:
Jo sind nicht nur Selbsthilfegruppen - ist schon auch eine Therapeutin, mit der ich jetzt an meinen Baustellen stehe und sie hat mir erst einmal eine Taschenlampe in die Hand gedrückt, damit ich mal sehe, was da überhaupt alles im Dunklen liegt ;)

Eine Therapeutin von der Sorte, die erstens weiß und zweitens großen Wert darauf legt, daß Ebenen fein säuberlich auseinandergehalten werden. Daß Therapeuten ihre "Berufskleidung" anzulegen haben (also auch im übertragenen Sinn), bevor sie in eine Therapiestunde einsteigen mit einem Patienten - und daß sie diese auch im übertragenen Sinn zu sehende Berufskleidung wieder ausziehen müssen, sobald sie wieder ins private Leben zurücktreten. Das alles hat sie mir sehr anschaulich erklärt. Weils bei mir ja ein gravierendes Thema ist im Umfang der Ereignisse. Daß man als Therapeut sehr sorgfältig drauf zu achten hat, alles zu vermeiden, was dazu beiträgt, Ebenen nicht unzulässig zu vermischen (also ganz konkret, zum Beispiel - man verwendet als Praxisraum bitte nicht das eigene Wohnzimmer :D ). Damit, so sagte sie mir, vermeidet man auch den weit verbreiteten Fehler, als Therapeut dann auch in Freundschaftsbeziehungen die Freunde drauflosundinGrundundBodenzutherapieren ;)

Ich hab in den letzten Monaten gelernt, daß ich mir die Leute nicht zufällig aussuche, die ich in mein Leben eindringen lasse - und es ist auch ab jetzt, wo mir das bewußt wird, meine eigene Verantwortung, wie weit und wie tief ich sie eindringen lasse - also nehm ich mal an, es besteht ein sehr tiefer Zusammenhang, wenn ich jetzt an einer Therapeutin angelangt bin, die so großen Wert auf Ordnung in allen Lebensbereichen hält. Ich sehe die Konsequenzen. In meinem Leben entsteht in den letzten Wochen Ordnung, die ich so nie kannte...

Damit möchte ich übrigens auch ermutigen - was uns Eltern-Trauma-Kindern widerfahren ist, läßt sich oft nicht lösen ohne therapeutische Hilfe. Es fragt sich nur, von wem und auf welche Weise... auch darüber laut oder leise nachzudenken, ist Platz hier im Thread, gell. Habs ja grad bereits getan. :)
 
Bei mir wars kein prügelnder Ehemann, sondern Missbrauch in der Kindheit. Aber ehrlich gesagt, hat mir kein einziger Therapeut geholfen. Die haben alles nur noch schlimmer gemacht. Einer unfähiger als der andere. Von daher freu ich mich sehr, dass du offenbar jemand wirklich Hilfreiches gefunden hast. Mit brauchbarer Unterstützung kann man effizientere Fortschritte machen.

Das mit dem Leute-Aussuchen geht uns allen so. Den wenigsten wird das jemals so bewusst. Find ich gut, dass ihr das auch im Fokus habt.

Ich hab keine Zweifel, dass du die Kurve ins Neue gut kriegst :)

:kiss4:
 
Ja Trixi, so habe ich auch gehört ;) Und die Tatsache, daß man die Energie - ohne es zu wollen - an die eigenen Kinder weitergibt, diese Erkenntnis ist ein Ding. Oh das ist in einem Blitz durch mich durchgefahren. Als ich zusammen mit meinem Jüngsten bei der Polizei war, um meinen Ex anzuzeigen wegen der Körperverletzung. Und der "Kleine" dort meine Aussagen ergänzt hatte um die Tatsache, daß auch er hinter meinem Rücken geschlagen und getreten wurde. Und nix gesagt hat, ja sogar gelogen hat wegen der blauen Flecken - um mich zu schonen... das war schon ein Schock. Und dann. Waren wir zu Hause angekommen, und mein Bub sagte, er wünscht sich, daß alles wieder gut würde und ... der Ex wieder da wäre und wir doch weiter eine Familie sein könnten. Oh du Sch...ande, dachte ich entsetzt, hab ich ihn bereits mit reingerissen in meine verdrehte Wahrnehmung - ist es schon so weit, daß er bereit ist, Gewalt zu erdulden, bloß um einen Menschen nicht zu verlieren - um jeden Preis???

Das war ein Schock, der hat mich schlagartig ziemlich wach gemacht. Ich wollte doch um alles in der Welt nicht, daß mein Kind auch blind wird für Gewalt, die ihm angetan wird.

Ich glaub aber, inzwischen, ich habs bei ihm grad noch rechtzeitig derbremst. Es sprudelt aus ihm heraus, woran er sich erinnert, und die Wut, die er jetzt für damals empfindet, darf ans Tageslicht...
Das freut mich. Gut daß Ihr das so gemacht habt...

Bitte, gern geschehen. Hüpft auf einer Menge Tabus rum, merk ich grad auch so beim Mitlesen... wenn ich mir anschau, wo und wie das GEspräch abbiegt.
hui ja, es berührt die Archetypen Mann und Frau, das ist nicht ganz leicht. Aber wie es scheint, klappt es ja. Erstaunlich daß das doch noch geht. :)

Es ist ja so, daß es da nicht stehenbleibt, bei dem, was die Eltern geprägt haben. Das hat ja - wie der zweite Teil des Titels sagt - Konsequenzen. Die anderen "Lebensgefahren" sind ja Folgen der Eltern - und sie kommen unweigerlich, solange die Muster nicht erkannt werden - und dann aufgetrennt... Da wirds dann erst so richtig spannend, wenn man draufkommt, wie oft und womit hab ich das Muster überall schon wiederholt...

Ja danke für deinen Beitrag, Trixi - ich hoff, ich bin ned grad die 7. Generation - und ich durchbrech die Muster, damit niemand krank wird bei uns :)
Das mit dem Krankwerden habe ich nicht genau genug ausgedrückt. Bzw. dachte ich schon beim Schreiben, daß das Soziale von manchem Leser vielleicht aus dem Gesundheitsgeschehen ausgelagert wird, weil sie Gewalt in sozialen Zusammenhängen gewohnt sind. ;-)

Die Situation, in der Du gelebt hast, scheint ja krank gewesen zu sein. Wenn Du jetzt mal überlegst: wenn Du nicht Deinen Beruf hättest, sondern Alternpflegerin wärest, täglich nicht singen würdest, was ja Deinen Körper entfaltet, sondern Dich laufend hinunterbücken müßtest, wenn Du nach dem Job keine Energie mehr für Nichts hättest und Du dann in den wohlverdienten Burnout rutschst, dann empfindest Du die gleiche soziale Situation, in der Du gesteckt hast, vielleicht ganz anders. Für Dich war es ein großer Energieaufwand, Dich und Deine Kinder aus diesen Situationen zu befreien. Aber Du bist Kinnarih und nicht Susanne F. aus B. bei K. Du verstehst, was ich meine? Du hast eine Art von Selbstbewußtsein, die genaue Grenzen kennt, auch wenn es blinde Flecken hat. Wer hat das nicht.

Für Susanne B. aus F. bei K. ist Schicksal X also möglicherweise ein Kinderspiel. Es kann sein, daß sie genau mit diesem Schicksal das Karma ihrer Familie löst, und es fällt ihr noch nicht mal allzu schwer, weil sie " nur" endlich die Gewalttätigen um sie herum verlassen mußte. "Leicht" war es geradezu verglichen mit Irma G. aus S. bei M., welche ebenfalls ihr Familienkarma mit dem gleichen Schicksal löst, dies aber merkt, weil sie Brustkrebs kriegt und mit einer Hasenscharte geboren wurde, weshalb sie schlecht Luft bekommt, außerdem hat sie Krähenfüße und kreisrunden Haarausfall auf ihren behaarten Männerbeinen, auf denen ganz oben stark kurzsichtige Augen wohnen in einem einwandfrei häßlichen Gesicht. Für sie fühlt sich das Gleiche dann an, als wäre sie diejenige, die das gesamte Leid der Familie trägt. (Zumal gestern schließlich ein Unwetter war, die Scheune gebrannt hat, der Hund gestorben ist, vorletzte Woche der Karl und ich nicht weiß, wie ich mein Essen bezahlen soll. Also das muß dann schon Familienkarma sein, denn soviel schwarz-weiß geht auf keine Kuhhaut. ;-) )

Tja. krank oder nichtkrank, das ist hier die Frage. :rolleyes:

Liebe Grüße an Irma und Susanne,
Blumenstrauß

P.s.: so ganz ernschd main i getz den Baitrag net, gell? Weil ich mich mit dieser Idee des Karma nicht zu 100% anfreunden kann. Ich halte diese Theorie für begrenzend, ich denke sie verleitet Menschen mitunter dazu, sich in Abhängigkeitsverhältnissen wohl zu fühlen. Denn alles ist ja erklärt, man hat es verdient, man darf unkritisch sein, Amen.

Aber gestern hat's wirklich geregnet.
 
Ist das klasse!
Ich finde es einfach nur gut, befreiend und ermutigend, euch zu lesen! Danke Kinny für diesen Thread :umarmen:

Selbst wenn ich in kurzen Abständen herein schaue, komme ich kaum hinterher damit, das Ganze "Kenn ich auch" und "Stimmt haargenau" nebst einigen Ergänzungen, die mir wichtig sind, auszudrücken.

Einer mußte sie beschützen - dachte ich zumindest damals noch ......Was für ein Wahnsinn, denn jeder macht die Erfahrungen, die er machen muß......
Heute würde ich differenzierter agieren, mich nicht mehr so einmischen, denn es war schließlich ihr Leben....:)

Ach ja, und natürlich habe ich meine Mutter idealisiert, tat es lange Zeit, aber na ja......es gibt Schlimmeres im Leben....;)


LG
U.

Hallo Urajup,
wichtig ist, dass du aus dem Wahnsinn erwacht bist ;), weil der sonst deine Beziehungen mit Sicherheit geprägt hätte...
Solange du, um sie zu idealisieren nicht ein paar haarsträubende Misshandlungen ausblenden musstest, gibt es tatsächlich Schlimmeres :)

Das war ein Schock, der hat mich schlagartig ziemlich wach gemacht. Ich wollte doch um alles in der Welt nicht, daß mein Kind auch blind wird für Gewalt, die ihm angetan wird.

Ich glaub aber, inzwischen, ich habs bei ihm grad noch rechtzeitig derbremst. Es sprudelt aus ihm heraus, woran er sich erinnert, und die Wut, die er jetzt für damals empfindet, darf ans Tageslicht...
Liebe Kinny,
und gerade drum, weil du ihm zuhörst und seine Gefühle bestätigst und ihm hilfst, sie auszudrücken, wird er es überwinden können - jetzt schon, noch lange ehe er selbst Kinder hat und aufgrund seiner Elternblindheit und der emotionalen Taubheit sich selbst gegenüber in Gefahr kommen kann, das Elend weiter zu reichen.

Was hätte uns das gut getan, hernach wenigstens gehört und ernst genommen zu werden, es raus lassen zu dürfen und in unserer gesunden Wahrnehmung bestärkt und ermutigt zu werden.
Oder täuscht mich da was, wenn ich beobachte, dass den Misshandlungen fast zwangsläufig Repressionen folgten, sobald man drüber reden wollte? Weil die gestörte Familie ums Verrecken und notfalls über die Leichen der Opfer auf "heile Welt" geschminkt werden muss?
Wir waren Spiegel, die die Wirklichkeit bezeugten, die nicht sein durfte.

..., z.B. als mein Vater starb, als ich 7 war. Wie übrigens auch sein Vater, er fiel im Krieg als mein Vater sieben war. In meinem Halbwaisesein wiederholt sich das Schicksal der Männer in meiner väterlichen Linie also 1:1. Keiner ist älter als 40 geworden in der letzten Generation. Bin jetzt 38. :)

Hallo Trixi Maus,
von Karma verstehe ich nichts, aber man muss es auch nicht bemühen, um ganz schlüssige Erklärungen dafür zu finden, dass Traumen weitere Traumen nach sich ziehen und wie sich überhaupt Belastungen über die Generationen "vererben".
Was du da schilderst, ist übrigens keineswegs selten und könnte ein guter Grund sein, eine gute Familienaufstellung in Erwägung zu ziehen.

Ha JA. Danke für diese Worte, Melodie, die drücken das klar aus, was ich so diffus als Unbehagen empfunden habe, als ich "das Positive im Negativen finden" gelesen hatte.

Hallo Kinny,

immer wieder gerne :D ich kennen ja nun solche giftigen Gedanken nur zu gut...

- dieses Gute herauszuheben, richtiggehend zu überzeichnen. Das war dann das Bild von meinem Partner, in das ich verliebt war, das Bild von dem Freund, den ich gern gehabt habe, das Bild von einer Kollegin, der ich ergeben war,... oh meine diesbezügliche Galerie ist rekordverdächtig. Und die hab ich mir so perfekt vor die echten Leut gestellt, daß ich überzeugt war, das sind die Leut...

Wusstest du, dass du da deinen eigenen goldenen Schatten auf andere projiziert hast?
Kannste mal sammeln und erkennen, wie du wirklich bist :)
Ich hoffe, irgendwem, der das alles hier liest, hilft es in ähnlich verkorksten Situationen, Licht in den Keller zu bringen :)

Jo! Vor allem denen, die schon am Aussteigen aus dem Wahnsinn sind und von der Ermutigung wirklich profitieren. Ich rechne fest damit, dass vor allem solche, die noch nicht reif für die Erkenntnis sind, wie wahnsinnig sie sich behandeln lassen, auf Idealisierung, Bagatellisierung, Relativierung und vor allem der berüchtigten Versöhnungskeule bestehen wollen werden....

LUL :D
Eva
 
Ja danke für deinen Beitrag, Trixi - ich hoff, ich bin ned grad die 7. Generation - und ich durchbrech die Muster, damit niemand krank wird bei uns :)

Ha JA. Danke für diese Worte, Melodie, die drücken das klar aus, was ich so diffus als Unbehagen empfunden habe, als ich "das Positive im Negativen finden" gelesen hatte.

Weil - vielleicht meinst du ja etwas anderes, Magdalena, dann bitte korrigier mich - ich es so erlebe, daß das sogenannte Positive in solchen verrückt verdrehten Strukturen ja auch in sich verdreht ist. Weil es sich so einfach gar nicht finden läßt.

:)


hallo kinny,

mit 'das positive im negativen finden' meine ich nicht das negative durch die rosa rote brille betrachten - ganz im gegenteil.
das ist ja das große missverständnis des sogenannten 'positiven denkens' - das schön reden von etwas, das absolut nicht schön ist.
nein, für mich liegt die lösung eben darin sich das negative in vollem umfang bewusst zu machen - nicht aus welchen gründen auch immer zu verdrängen.
erst dann wird es ja möglich sich vom negativen zu distanzieren - daraus zu lernen.
im lernen erkenne ich das positive - letztlich auch das negative als lernauftrag erkennen lernen.
auch das negative in sich selbst - lernen wahrhaftig umzugehen mit sich selbst.
exakt das tust du ja auch.:)
ich denke übrigens nicht, dass du dir sorgen machen musst um deinen sohn - denn du hast dich ja rechtzeitig auf den weg gemacht.
so betrachtet erkenne ich die körperliche gewaltanwendung deines mannes als 'positiv'. wäre es 'nur' psychische gewalt gewesen hättest du dich sehr wahrscheinlich sehr viel schwerer getan sie als gewalt zu erkennen.
mich erinnert das immer an die strophe aus der dreigroschen oper:

und der haifisch der hat zähne
und die trägt er im gesicht
doch macheath der hat ein messer
und das messer sieht man nicht

(sorry sollte ich nicht ganz exakt zitiert haben - ist aus dem gedächtnis).

das mit der 7. generation finde ich interessant.
also ob es sich immer um die 7. handelt?
aber es ist schon etwas dran - jedenfalls nach meinen erfahrungswerten.
ich habe erfahren, dass von generation zu generation immer mehr verdrängt wird - die leute immer weniger sich ihre eigene realität bewusst machen, weil sie ja von ihren eltern nichts anderes gelernt haben - der leidensdruck, der durch die unwahrhaftigkeit entsteht immer größer wird - bis es eben irgend wann zur eskalation kommt.
meine mutter z.b. hat ihr gesamtes leben lang immer nur stereotyp die paar wenigen geschichten aus ihrer kindheit und jugend erzählt. mit der zeit habe ich immer mehr die widersprüche erkannt - nicht zuletzt die schweren widersprüche über ihre rolle in der nazizeit. da hilft alles beschwören nichts - ihr sagen du warst noch sehr jung, ich weise dir keine schuld zu - das problem liegt im nicht eingestehen der wahrheit - vor allem gegenüber dir selbst.
sie kann es nicht verstehen, dass menschen immer lernunfähiger werden je mehr sie verdrängen.
die herkunft ihrer mutter liegt auch im dunkeln - und ich kann nur aus aufgeschnappten brocken schließen, dass sie wahrscheinlich uneheliches kind eines ungarischen adeligen war.
die geschichte meiner großmutter väterlicherseits ist noch wilder.
sie hatte eine angebliche 17 jahre jüngere schwester. diese schwester war ihr wie aus dem gesicht gerissen und hat mama zu ihr gesagt.
nach dem tod meines großvaters wurde dann 'eingestanden', dass sie nicht schwester meiner großmutter gewesen wäre, sondern uneheliche tochter einer älteren schwester der großmutter.
aus allem was ich so aufgeschnappt habe sieht es mir aber eher so aus, dass meine großmutter die mutter war - und dass es sich um eine inzestgeschichte handelt.
meine nachforschungen nach dem tod der tante haben das erstaunliche resultat erbracht, dass sie amtlicherseits kind einer familie war, die ich noch nicht mal kenne. keine adoption.

meine mutter hat von mir immer absolute ehrlichkeit verlangt.
der diebstahl von ein paar groschen für ein eis - noch nicht mal für mich sondern für eine freundin, die mir ständig eis spendiert hat, weil ich kein taschengeld bekommen habe, hat mich für mein ganzes leben zur diebin gestempelt - eine harmlose notlüge zur lügnerin -
wer einmal lügt dem glaubt man nicht, selbst dann wenn er die wahrheit spricht - das kann ich singen.
das alles hat mich zu einem außergewöhnlich ehrlichen menschen gemacht -
innerlich wie auch äußerlich...
 
Hi Alana,:)

Alana Morgenwind schrieb:
Juppi, ich war übrigens auch mal so, ich hätte mein letztes Hemd hergegeben, wenns jemand gebraucht hätte. Nur einen Baum hätte ich keinesfalls absägen lassen, soweit ging es nicht bei mir. Hab auch gelernt, daß ich jetzt mal schön bei mir selbst bleibe und schaue, was mir gut tut, soweit das eben möglich ist. (Alana Morgenwind)


Tja, das mit dem Baumfrevel hab ich auch nicht vergessen, drum schrieb ich wohl gerade diese Episode auch nieder.:D

Und das "mit dem letzten Hemd weggeben“ ist bei dir, wie auch bei meiner Mutter, sicher ein Muster aus der Kindheit. Vielleicht wollte man dadurch das Überleben sicherstellen, wollte „das gute Kind zu sein“, erhoffte sich durch die überreichten Geschenke Liebe, zumindest aber Wohlwollen, um „überleben“ zu können..…Das hat sicher etwas mit der inneren Unsicherheit zu tun, ob man geliebt wird oder nicht. Evtl. bekam man von Vater/Mutter suggeriert, dass man nicht „richtig ist“, so wie man ist oder gar überflüssig? Man wurde nicht akzeptiert, spürte dies.....Und so bringt man, auch als Erwachsener, immer noch Geschenke dar, so wie manche Ureinwohner, wenn die Eroberer einfielen, um diese „gnädig“ zu stimmen…Natürlich alles unbewusst……

Bei meiner Mutter hatte ich zusätzlich noch das Gefühl, sie wollte sich möglichst unsichtbar machen, nicht auffallen.
Genauer wurde mir dieses Muster klar, als ich anfing, mich näher mit meiner Familie zu beschäftigen. Seit der Transit-Pluto in meinem vierten Haus rumgeistert, beschäftige ich mich außerdem mit Ahnenforschung. So bleibt es natürlich nicht aus, dass man anfängst, seine ganze Herkunftsfamilie zu beleuchten.

Meine Mutter war von vier Kindern das dritte Kind. Ihr einziger Bruder war der Älteste und das Lieblingskind des Vaters. Dann folgte eine Schwester, 2 Jahre älter wie sie, dann meine Mutter, dann die Jüngste (vier Jahre jünger wie sie und das Lieblingskind ihrer Mutter).
D.h., daß meine Mutter mit ihrer um zwei Jahre älteren Schwester die Außenseiter waren, also eigentlich überflüssig, denn der Vater hatte sein Lieblingskind, die Mutter ebenfalls.

Diese ältere (Außenseiter)-Schwester wurde auf Zwang geschieden. Es stellte sich heraus, dass ihr Mann homosexuell war (ein Unding in den 40-iger Jahren) und sie ihn aufgeben musste…(Was sie nicht wollte, denn sie liebte ihn, hatte mit ihm auch zwei Kinder). Also diese Scheidung warf sie völlig aus der Bahn und sie bekam von jeweils 2 verschiedenen Männern noch zwei Kinder. Natürlich wurde sie von den Eltern daraufhin zum Sündenbock und der Schande der Familie abgestempelt.
Es ist bezeichnend, dass ich diese Sache mit dem homosexuellen Mann niemals von meiner Mutter hörte. Auch von sonst keinem. Erst vor 2!!! Wochen hatte mir mein einziger noch lebender Onkel (väterlicherseits!) diese Geschichte erzählt…….

Die schlechte Behandlung meiner Tante durch meine Großeltern hat, so denke ich, viel mit meiner Mutter zu tun. Sie wollte in dieser Familie nicht auffallen, um keinesfalls so abgestraft zu werden, wie ihre Schwester, denke ich mal……Und dieses Muster der Anpassung an andere, hat sie ihr Leben lang beibehalten…..:rolleyes:

Das sind diese Art verschwiegenen und weggesperrten Familiengeschichten, die es wohl zu Hauf gibt; all diese Muster, die dann, wenn man nicht aufpasst, an die nächsten Generationen weitergegeben werden…


Melodie schrieb:
Ist das klasse!
Ich finde es einfach nur gut, befreiend und ermutigend, euch zu lesen! Danke Kinny für diesen Thread

Da stimme ich dir zu, Melodie, es macht wirklich Freude diesen Thread zu lesen, auch wenn der Anlass der Eröffnung ein Trauriger war…..

wichtig ist, dass du aus dem Wahnsinn erwacht bist , weil der sonst deine Beziehungen mit Sicherheit geprägt hätte...

Nun, erkannt habe ich es, ganz bin ich aus der Geschichte wohl aber noch nicht raus, denn mich treibt es ja immer noch oft dazu, vermeintliche „Opfer“ zu retten….(Auch hier im Forum). Nicht mehr so oft, aber immerhin…..

Melodie schrieb:
Solange du, um sie zu idealisieren nicht ein paar haarsträubende Misshandlungen ausblenden musstest, gibt es tatsächlich Schlimmeres

Nein, ausblenden muss ich da nichts. Meine Eltern hatten mich nie körperlich gezüchtigt.
Sie haben mich überhaupt nicht gezüchtigt…..Ich war Juppi im Takka-Tukka-Land und trank mit Pippi auf der Veranda Brause…:D;)


LG
U.
 
Nachsatz zur Erklärung meines vorherigen Post´s:

Die beiden zusätzlichen Kinder der Schwester meiner Mutter (die Geschiedene), wurden beide un-ehelich geboren. Sie hatte die Väter dieser beiden Kinder nie geheiratet.

LG
U.
 
Da sind jetzt ein paar Sachen von euch allen dabei, die nehm ich jetzt mit mir, um eine Nacht drüber zu schlafen, bevor ich was dazu in Worte fasse.

Ja es tut gut, hier zu lesen und zu schreiben. Danke einmal an euch alle für den Austausch. Ich bin auf alles gespannt, was noch kommt... auch von mir, da tut sich was in mir, merk ich.
 
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Wenn dann die Bomben fallen und alles wackelt, wie geht es einem Kind dann? Ich kann Euch sagen, was passiert, man weiß es nämlich: es phantasiert. Es baut sich eine Phantasiewelt im Geist, in das es sich zurückzieht. Die Psyche des Menschen ist, könnte man sagen, gnädig: bei vitalen Bedrohungen und in solchen traumatischen Situationen haben wir die "eingebaute Gnade", daß wir gezeigt bekommen, was wir sonst nicht erreichen können. Das ist dem Trauma als Solches zu eigen, daß es parallele Welten öffnet.

Trixi, Du machst mich nachdenklich.
Der Krieg wird gern und oft vernachlässigt (auch von den Betroffenen selbst).
Meine Mutter erlebte Flucht UND Vertreibung, die Massenvergewaltigungen, die endlosen Toten/ Zurückgelassenen auf den Trecks, die Tötungen schreiender Säuglinge durch die Russen (sie "klatschten" schreiende Säuglinge und kleine Kinder einfach an die Wand, die Leichen/ wimmernden Schwerverletzten durften nicht berührt werden - und das stundenlang ... , da war meine Mutter elf und verantwortlich für drei kleinere Geschwister - wehe, wenn die schreien sollten).
Das war nur ein Beispiel von vielen, die mir meine Mutter erzählte.
Meine Mutter kann es bis heute nicht fassen, daß sie und ihre Geschwister unter all den Umständen überlebten - in sonst jeder ihr bekannten Familie zu dieser Zeit gab es reichlich tote Kinder.

Mein Chef postulierte einst, man habe immer und stets die letzten beiden Generationen "im Kopf" - meine spontane Reaktion: alles, nur nicht das (meine Großeltern haben zwei Weltkriege erlebt ... ).
 
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