Renate Ritter
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Nehmen wir an, im Jahre 2040 erzählt eine 84jährige Frau eine Begebenheit aus ihrer Kindheit, an die sie sich noch lebhaft erinnert:
Es war Sommer und sie war acht Jahre alt. Zusammen mit einigen Freunden sowie der Dorfjugend war sie zu einem stillgelegten Steinbruch, der sich mit Wasser gefüllt hatte, zum Baden gegangen. Ein Junge sprang von einem Felsvorsprung kopfüber ins Wasser. Er tauchte schreiend wieder auf, aber nur einmal, dann nicht mehr. Das Wasser färbte sich rot. Zwei junge Männer sprangen hinterher, um ihn zu retten. Einer von ihnen zog den Jungen an Land; er hatte nur eine leichte Verletzung, die in den nächsten Tagen wieder abheilte. Der andere junge Mann tauchte nicht wieder auf. Er wurde später tot geborgen. Die Leute im Dorf erzählten sich, er hätte vielleicht einen Krampf bekommen, so dass er nicht mehr schwimmen konnte, oder er hätte einen Herzschlag bekommen wegen der Aufregung oder so.
Zugetragen hatte sich das Ganze am 21. August 1964.
Angenommen, im Jahre 2040 sind Zeitreisen möglich, also einfach so möglich für jeden Menschen ...
Eine junge Frau, nennen wir sie Ruth, hört diese Geschichte in der Zukunft und beschließt in die Vergangenheit zu diesem Ort und diesen Tag, den 21.08.1964 zu reisen. Das tut sie insgesamt dreimal. Das heißt, sie besucht das Geschehen einmal, kehrt zurück an ihren Ausgangspunkt, dann besucht sie das »gleiche« Geschehen noch einmal usw.
1. Zeitreise
Als sie zum entsprechenden Datum an diesem Ort erscheint, findet sie sich auf einer Wiese in unmittelbarer Nähe des Dorfes wieder. Einige Dorfbewohner arbeiten gleich nebenan auf einem Feld und müssten sie eigentlich sehen, so wie Ruth sie ja auch sehen kann. Aber niemand nimmt Notiz von ihr. Ruth sucht den Weg zu besagtem Steinbruch. Angekommen erlebt sie Folgendes: Ein Kind schreit im Wasser um Hilfe und geht dann unter. Das Wasser färbt sich rot. Ein junger Mann taucht nach dem Kind und zieht es an Land. Das Kind ist tot. An seinem Kopf sieht man eine blutende Wunde.
2. Zeitreise
Ruth landet diesmal auf einer Waldlichtung. Sie läuft einen Weg entlang, plötzlich biegen einige Leute um die Ecke. Sie sieht die Gruppe und überlegt, ob man sie wie beim letzten Mal wieder nicht wahrnimmt. Es scheint so zu sein, denn keiner zeigt irgendeine Reaktion. Jetzt will sie es wissen; sie wählt sich einen von ihnen aus, einen jungen Mann, etwa in ihrem Alter. Sie geht geradewegs auf ihn zu und ruft, dass er doch seine Augen öffnen soll. Als sie vor ihm steht, legt sie ihm ihre Hände auf seine Schultern - aber sie greift durch ihn hindurch. Und auch er geht einfach weiter, ohne dass ihr Körper für ihn irgendwie ein Hindernis wäre. Sie schaut ihm nach und muss wohl begreifen, dass sie unsichtbar ist für ihn und die anderen.
Doch plötzlich bleibt der junge Mann stehen, das heißt, er verlangsamt seinen Lauf. Er dreht sich um und blickt suchend in ihre Richtung. Ruth meint schon, dass er nun doch auf sie reagiert. Er schüttelt aber nur kurz den Kopf und schließt sich den anderen wieder an. Irgendwie muss er aber bemerkt haben, dass da etwas war.
Sie findet den Steinbruch und sieht, wie dasselbe Kind, das beim letzten Mal tot war, kopfüber ins Wasser springt, wieder auftaucht, fröhlich den anderen zuwinkt und dann ruhig weiter schwimmt. Kein Unfall, nichts ist geschehen.
3. Zeitreise
Ruth geht den schon bekannten Weg zum Steinbruch und sieht ein kleines Mädchen neben einem Baum sitzen. Sie stellt sich daneben. Weiter vorn am Wasser laufen die Leute aufgeregt hin und her. Ein Mann hat ein Kind aus dem Wasser gezogen, es liegt bewegungslos im Gras, aber Ruth kann nirgendwo Blut entdecken.
Das Mädchen fragt, ob sie, Ruth, den Jungen kennen würde. Ruth fährt erschrocken herum und starrt das Kind an. Es sieht mich? Sie hatte ganz selbstverständlich angenommen, dass dieses Kind sie genau so wenig sehen kann wie alle anderen ihrer Zeitgenossen zuvor. Dieses Kind aber nimmt sie wahr...
Die Menschen dieser vergangenen Zeit sehen Ruth nicht... fast nicht...
Ruth sieht jedes Mal dasselbe Ereignis, aber in teils wesentlich veränderter Form...
Es war Sommer und sie war acht Jahre alt. Zusammen mit einigen Freunden sowie der Dorfjugend war sie zu einem stillgelegten Steinbruch, der sich mit Wasser gefüllt hatte, zum Baden gegangen. Ein Junge sprang von einem Felsvorsprung kopfüber ins Wasser. Er tauchte schreiend wieder auf, aber nur einmal, dann nicht mehr. Das Wasser färbte sich rot. Zwei junge Männer sprangen hinterher, um ihn zu retten. Einer von ihnen zog den Jungen an Land; er hatte nur eine leichte Verletzung, die in den nächsten Tagen wieder abheilte. Der andere junge Mann tauchte nicht wieder auf. Er wurde später tot geborgen. Die Leute im Dorf erzählten sich, er hätte vielleicht einen Krampf bekommen, so dass er nicht mehr schwimmen konnte, oder er hätte einen Herzschlag bekommen wegen der Aufregung oder so.
Zugetragen hatte sich das Ganze am 21. August 1964.
Angenommen, im Jahre 2040 sind Zeitreisen möglich, also einfach so möglich für jeden Menschen ...
Eine junge Frau, nennen wir sie Ruth, hört diese Geschichte in der Zukunft und beschließt in die Vergangenheit zu diesem Ort und diesen Tag, den 21.08.1964 zu reisen. Das tut sie insgesamt dreimal. Das heißt, sie besucht das Geschehen einmal, kehrt zurück an ihren Ausgangspunkt, dann besucht sie das »gleiche« Geschehen noch einmal usw.
1. Zeitreise
Als sie zum entsprechenden Datum an diesem Ort erscheint, findet sie sich auf einer Wiese in unmittelbarer Nähe des Dorfes wieder. Einige Dorfbewohner arbeiten gleich nebenan auf einem Feld und müssten sie eigentlich sehen, so wie Ruth sie ja auch sehen kann. Aber niemand nimmt Notiz von ihr. Ruth sucht den Weg zu besagtem Steinbruch. Angekommen erlebt sie Folgendes: Ein Kind schreit im Wasser um Hilfe und geht dann unter. Das Wasser färbt sich rot. Ein junger Mann taucht nach dem Kind und zieht es an Land. Das Kind ist tot. An seinem Kopf sieht man eine blutende Wunde.
2. Zeitreise
Ruth landet diesmal auf einer Waldlichtung. Sie läuft einen Weg entlang, plötzlich biegen einige Leute um die Ecke. Sie sieht die Gruppe und überlegt, ob man sie wie beim letzten Mal wieder nicht wahrnimmt. Es scheint so zu sein, denn keiner zeigt irgendeine Reaktion. Jetzt will sie es wissen; sie wählt sich einen von ihnen aus, einen jungen Mann, etwa in ihrem Alter. Sie geht geradewegs auf ihn zu und ruft, dass er doch seine Augen öffnen soll. Als sie vor ihm steht, legt sie ihm ihre Hände auf seine Schultern - aber sie greift durch ihn hindurch. Und auch er geht einfach weiter, ohne dass ihr Körper für ihn irgendwie ein Hindernis wäre. Sie schaut ihm nach und muss wohl begreifen, dass sie unsichtbar ist für ihn und die anderen.
Doch plötzlich bleibt der junge Mann stehen, das heißt, er verlangsamt seinen Lauf. Er dreht sich um und blickt suchend in ihre Richtung. Ruth meint schon, dass er nun doch auf sie reagiert. Er schüttelt aber nur kurz den Kopf und schließt sich den anderen wieder an. Irgendwie muss er aber bemerkt haben, dass da etwas war.
Sie findet den Steinbruch und sieht, wie dasselbe Kind, das beim letzten Mal tot war, kopfüber ins Wasser springt, wieder auftaucht, fröhlich den anderen zuwinkt und dann ruhig weiter schwimmt. Kein Unfall, nichts ist geschehen.
3. Zeitreise
Ruth geht den schon bekannten Weg zum Steinbruch und sieht ein kleines Mädchen neben einem Baum sitzen. Sie stellt sich daneben. Weiter vorn am Wasser laufen die Leute aufgeregt hin und her. Ein Mann hat ein Kind aus dem Wasser gezogen, es liegt bewegungslos im Gras, aber Ruth kann nirgendwo Blut entdecken.
Das Mädchen fragt, ob sie, Ruth, den Jungen kennen würde. Ruth fährt erschrocken herum und starrt das Kind an. Es sieht mich? Sie hatte ganz selbstverständlich angenommen, dass dieses Kind sie genau so wenig sehen kann wie alle anderen ihrer Zeitgenossen zuvor. Dieses Kind aber nimmt sie wahr...
Die Menschen dieser vergangenen Zeit sehen Ruth nicht... fast nicht...
Ruth sieht jedes Mal dasselbe Ereignis, aber in teils wesentlich veränderter Form...
