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Nightbird
Guest
Teil II
Dennoch greifen die Banken nur zögernd zu. Ihnen fehlen potente Kreditnehmer. Die Produktion muss zurückgefahren werden. Der Absatz kommt nicht in Schwung.
Denn den potentiellen Käufern gehen weiterhin zunehmend die Mittel aus. Sie werden auf Kurzarbeit gesetzt oder verlieren ihren Arbeitsplatz. An Lohn- und Gehaltserhöhungen ist nicht zu denken. Die Versicherungen dagegen heben ihre Beiträge an. Die Steuern bleiben hoch.
Das ist ein Teufelskreis. Die Staaten versuchen, ihn zu durchbrechen, indem sie noch mehr Geld auf den Markt werfen.
Dadurch aber nimmt das Missverhältnis zwischen produzierten Gütern und im Umlauf befindlichem Geld immer bedrohlichere Ausmaße an. Schon vor der Krise ermittelte Eberhard Hamer, dass sich die Gütermenge in der Welt in den letzten dreißig Jahren vervierfacht habe, die Geldmenge jedoch vervierzigfacht (Nixon musste 1971 die Golddeckung des Dollars aufgeben, weil ohne freie Geldschöpfung der Vietnam-Krieg nicht mehr zu finanzieren war).
Da steht eine drastische Geldentwertung ins Haus.
Die bevorstehende Inflation hat Auswirkungen auf die Möglichkeit der Staaten, sich mit weiterem Kapital zu versorgen. Sie veranlasst die Geldgeber der Staaten, vorzugsweise Banken und Versicherungen, ihr Geld lediglich mit kurzer Laufzeit und hoher Verzinsung zu vergeben.
Über kurz oder lang werden auch die großen Industriestaaten keine Geldgeber mehr finden. Auch ihr Bankrott rückt in den Bereich der Wahrscheinlichkeit.
An einer Währungsreform jedenfalls führt kein Weg vorbei. Nur indem sie sich der Ersparnisse ihrer Bürger bemächtigen, können die Staaten sich ihrer Schulden entledigen. Wenn man es recht bedenkt, ist diese Lösung auch aus einem weiteren Grund geboten. Denn der nächsten Generation neben einer arg demolierten Umwelt eine Unmenge an Schulden aufzubürden, ist alles andere als verträglich.
Allerdings erbringt das neue Geld nur eine kurzfristige Entlastung. Denn solange das Finanzsystem unverändert bleibt, muss der Markt Inflation, Spekulation und Staatsschulden weiterhin verkraften. Eine Besserung könnte nur eintreten, wenn das in Umlauf gebrachte Geld wieder an einen Sachwert gebunden würde.
Des weiteren haben wir es heute mit einer Steigerung der Gegensätze zu tun. Wobei sich erschwerend bemerkbar macht, dass die Ungerechtigkeiten nicht verborgen bleiben, sondern durch die Medien jedermann kundgemacht werden.
Da ist zunächst die Verbreiterung der Kluft zwischen den Armen und den Reichen. Die Politik versucht auf zwei Wegen diesem Missstand abzuhelfen.
Der erste Weg erhält durch den Kollaps mehrerer Staaten und Banken besondere Wertschätzung. Es gilt, dem Markt Regeln zu verpassen. Das ist ihm schon in reichlichem Maß zuteil geworden. Momentan wird zusätzlich für nötig erachtet, den Banken gewisse Manipulationen zu verbieten und die Höhe der Gehälter der Bosse zu begrenzen.
Ein freier Markt indessen hat seine eigenen Gesetze. Diese bedürfen nicht nur keiner Festlegung, sie vertragen sie auch nicht. Überlässt man den Markt sich selbst, bestraft er Fehlverhalten und Fehlkalkulation von sich aus.
Regeln dagegen fordern den Betrug heraus und die schamlose Ausnutzung der Lücken in den Gesetzen. Sie enthemmen die Teilnehmer am Markt, setzen Moral und Gewissen außer Kraft und liefern letzten Endes die Grundlage für die Verarmung der einen und die Gewinnmaximierung der anderen.
Der zweite Weg ist mit dem Bemühen der Umverteilung beschrieben. Der ganze Marx ist in Verruf geraten. Der halbe kommt in Gestalt der sozialen Marktwirtschaft daher. Als erhielte man mit dem entmündigten, seiner Selbstachtung beraubten Bürger ein wertvolles Glied der Gemeinschaft. Und als könne man die Tüchtigen und Fleißigen unter Zwang zum einsichtsvollen Teilen und die Weniger-Tüchtigen durch Alimentierung zu mehr Fleiß veranlassen.
Wie dem auch sei, das herrschende System macht die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer, wenn man den Veröffentlichungen der diesem Phänomen nachspürenden Institute glauben darf.
Sodann erweist sich das Verlangen nach Selbstbestimmung als unausrottbar Es gibt kaum einen Staat auf der Erde, in welchem nicht eine Minderheit mehr Freiheiten oder die völlige Eigenständigkeit einfordert. Einige Bürgerkriege schwellen seit über vierzig Jahren. Und dort, wo ein Aufstand gewaltsam niedergeschlagen wurde, dürfte der innere Friede nicht von langer Dauer sein. Denn die geweckte Wut wird von den Eltern an die Kinder weitergegeben.
Die Auseinandersetzung mit der größten Ausstrahlung findet im nahen Osten statt. Der Mainstream-Meinung zufolge könnte ein Palästinenser-Staat sie beenden. Als würde sich dieses Volk, das seinen Stolz täglich unter Beweis stellt, mit einem zusammengestückelten Staatsgebiet zufrieden geben, das obendrein durch eine Anzahl israelischer Siedlungen unterbrochen wird, die auch noch gesicherte Versorgungswege zum Stammland benötigen.
Gepriesen wird der Rechtstaat. Doch in allen Demokratien hat das Recht inzwischen einen Umfang angenommen, dass es niemand mehr durchschaut. Wer sein Recht sucht, muss viel Geld und Geduld aufbringen. Es kann zehn Jahre dauern, bis er ein nicht mehr anfechtbares Urteil erhält. Und ob er das dann als gerecht empfindet, ist sehr die Frage.
Einstweilen wird jedermann fortgesetzt betrogen, nicht nur von Neppern, Schleppern, Bauernfängern, sondern auch von ehrenwerten Einrichtungen, wie etwa Versicherungen, sogar von staatlichen Behörden. Und zu einer Sühne oder gar Wiedergutmachung kommt es selten.
Die Risikogesellschaft (Ulrich Beck) ist durch organisierte Unverantwortlichkeit gekennzeichnet. Sie überfordert auf die Dauer selbst den wohlmeinendsten Bürger. Aus Verstörtheit wird Verzweiflung, am Ende Wut und Hass. Auch in den ehrwürdigen Demokratien steigt die Gewaltbereitschaft.
Bedauerlicherweise finden Warnungen und Vorschläge zur Systemänderung kaum Gehör, solange der äußere Anschein noch einen geregelten Gang vorgaukelt. Erst ein Zusammenbruch, die Katastrophe bringt den Menschen dazu, nach einem Weg aus der Bedrängnis zu suchen.
Zu hoffen ist, dass die Zerstörung der Umwelt bis zum absehbaren Umsturz nicht so weit fortgeschritten ist, dass selbst eine neue Gesellschaftsform nichts mehr bewirken könnte.