Die mögliche Premierministerin Theresa May hat sich aber recht deutlich dazu ausgedrückt: "Brexit ist Brexit und es wird keinen Rückzug vom Brexit geben." (obwohl sie eine Befürworterin der EU ist). England als "älteste Demokratie" (wie sie sich bezeichnen) kann und wird sich das mE nicht erlauben, demokratische Wahlen rückgängig zu machen, weil das Ergebnis nicht passt.
Das komplette Parlament hat sich ebenso deutlich ausgedrückt und die Zurückweisung der Petition ist ein erstes Folgen dieser Haltung.
Was die sagen ist nicht zwingend wie sie die Dinge wirklich sehen. Die deutsche Regierung ist ein Beispiel dafür, und auch auf EU-Ebene ist es nicht so anders. Nehmen wir Merkel: Sie lässt ebenfalls keinen Zweifel daran dass die Briten im Grunde raus sind und öffentlich zeigt sogar sie, was nicht unbedingt zu ihren großen Stärken gehört, eine gewisse Eindeutigkeit und Härte. Aber die wollen das alle nicht. Die ganzen Signale nach GB sind eigentlich eher Signale in die EU hinein und gehen eigentlich v.a. an die Bevölkerungen, denn was sie fürchten ist v.a. das es Nachahmer geben wird. Auf politischer Ebene gibt es keine Notwendigkeit sich über die Medien auszutauschen und ich halte es für sicher, dass zumindest teilweise die Gespräche im Hintergrund anders verlaufen.
Grundlegend kann man eine sehr simple Formel anwenden die nicht immer richtig sein muss, v.a. diese Situation ist komplex, aber sie spielt zumindest immer mit hinein: Interessen der Wirtschaft im Allgemeinen und der Finanzindustrie im Besonderen. Letztere repräsentiert zwar nicht das System, aber das gesamte Gebilde wird auseinanderfallen wenn das Finanzsystem in die Luft fliegt.
Und wirtschaftlich ist diese Sache für eigentlich alle schlecht - wobei ich hier vom oberen Level der Wirtschaft spreche, also eher internationalen Konzernen und nicht zwingend von mittelständischen Betrieben. Daher hat man ne sehr klare Interessenlage.
Die andere Seite ist die Bevölkerung und da wird es paradox. Denn in Deutschland etwa, und das gilt für GB vielleicht noch mehr, ist die Wirtschaft ja vergleichsweise sehr gut. Aber ein sehr großer und größer werdender Teil der Bevölkerung profitiert nicht davon, sondern verliert beständig. Und die gehen auf die Barrikaden. Sie werden auch verlieren wenn die Wirtschaft den Bach runtergeht, aber sie können dem Establishment zumindest immer mehr die rote Karte zeigen. Und ich denke dass das zunehmen wird. Daher muss denen platt gesagt Angst gemacht werden.
Und was würde den Menschen Angst machen die sehr EU-kritisch eingestellt sind? Im Grunde das was gerade passiert. Die ganzen Meldungen das GB schon nach wenigen Tagen und Wochen wirtschaftlich unter dem Votum leidet, noch bevor der Antrag auch nur gestellt ist.
Worauf ich hinaus will ist: Das kann reichen. Es ist m.A.n. zumindest vom Prinzip her möglich GB sozusagen an den Rand der Klippe zu schieben, zumindest rhetorisch, und die gesamte EU soll das auch sehen. Und dann kann das zurückgenommen werden und es hat dann Effekt gehabt. Eine Volksabstimmung über einen möglichen Austritt würde schon jetzt in Deutschland z.B. weit weniger "Raus hier - Wähler" zu Tage fördern als vor der Brexit-Wahl. Das wird in anderen Ländern ähnlich sein.
Rein praktisch ist es nicht so leicht, v.a. in GB selbst. Aber es ist m.A.n. tatsächlich möglich das es verschleppt wird und nicht passiert. Das Votum ist nicht bindend.
Ich sage damit übrigens nicht dass ich glaube das sie drin bleiben. Sollte ich wetten, würde ich 60% auf Austritt und 40% auf Verbleib setzen. Irgendwie so. Es ist nur m.A.n. noch nicht so sicher wie es oft dargestellt wird.