Jaja. Es ist die Frage, ob unser Organismus tatsächlich zwischen Eu- und Dysstress unterscheidet. Schließlich ist das, so wie es richtig in Deinem Link steht, ein Konzept und damit etwas geistig Erdachtes. An Konzepte glaube ich aber nie so ganz.
Wenn z.B. der Jäger mit seinem Speer hinter dem Mammut hinterher läuft und nichts von diesem Konzept weiß, dann hat er dabei ganz einfach Stress, also einen Reiz, dem er unter Hochspannung folgt. Nehmen wir an der Jäger braucht das Mammut unbedingt, weil seine Sippschaft verhungert. Die nervliche Anspannung und damit auch Puls, Blutdruck und die muskuläre Leistungsfähigkeit wird höher sein, weil das Bedürfnis nach Jagderfolg höher ist. Wir würden dem Jäger einen Dysstress unterstellen. Dabei wissen wir aber auch: es kommt ausschließlich auf den Jäger selber an. Je nachdem wie anpassungsfähig er an die Belastungssituation ist, umso natürlicher wird er der Belastung standhalten. Wir nennen diese Fähigkeit zur Anpassung bzw. Akzeptanz der Belastungssituation dann "Kohärenz". Sie ist davon abhängig, Belastung zu "lernen".
Wenn ich mir nun einen Menschen mit erhöhten Blutdruck anschaue und es dafür keine großartige somatische Ursache gibt, dann gehe ich zunächst mal davon aus, daß er "Stress" hat. Medizinisch differenzierend würde man sagen, daß es Dysstress ist. Welcher Motivation folgt dieser Mensch nun in der Regel, wenn er anfängt zu laufen? Einer Dysstress-Motivation, denn er will ja seinen vermuteten Dysstress loswerden, ihn "weglaufen". Es ist aber die Frage, ob man den bzw. dem eigenen Dysstress dauerhaft weglaufen kann. Und es ist ausserdem die Frage, ob der Organismus kapiert, daß jetzt beim Laufen bitte Eustress herrscht, obwohl man läuft, um Dysstress loszuwerden. Mir persönlich ist das alles zu konzepthaft, es ist so, als ob ich eine Birne loswerden will, indem ich mir einen Apfel nehme.
Viel wichtiger finde ich persönlich eben die Entschleunigung, im Gegensatz zur Beschleunigung durch das Laufen. Beim Gehen bemerke ich mein persönliches Tempo, spüre meine Energie im Ruhezustand des Spazierens. Eben erst bin ich ein Stündchen gegangen und habe mich gewundert, wie langsam ich doch gehe. Dabei hat sich der Herzrhythmus seiner Pausen entledigt und mein Blutdruck ist auf die bei mir üblichen Werte unter 120 syst. gesunken. Wäre ich dagegen gelaufen, hätte mein Körper lernen können, daß meine Herzfrequenz hochgehen kann und daß mein Blutdruck ansteigen kann, denn zum Laufen braucht man Beides. Erst in der Entspannungsphase nach dem Laufen würde ich dann den Rückgang von Blutdruck und Puls erfahren. Ich würde also lernen, daß ich bei Stress (und dabei ist es egal, ob es Eu- oder Dysstress ist) hochfahren muß und daß ich erst herunterfahren kann, nachdem ich den Stress bewältigt habe. Das erscheint mir nicht sinnvoll: geschickter ist zu lernen, daß man während der Belastung einen ruhigen Puls und einen niedirgen Blutdruck haben kann. Und so lernt man es beim Gehen. Völlig ohne Gedanken an Eu- oder Dysstress und ohne das Kohärenzgefühl einsetzen zu müssen wie z.B. beim Laufen. (Wenigstens bei mir ist Laufen doch immer mit Überwindung verbunden, insbesondere wenn ich in die anaerobe Phase komme. Das ist aber natürlich Übungssache. Was aber bleibt ist die Notwendigkeit, während des Laufens den Blutdruck zu erhöhen. Und ich will ja gerade lernen, ihn zu senken.)
lg