Blick vom Tellerrand Satiren für jede Gelegenheit


Déja vu

5. Februar
Plötzlich wachten wir mitten in einem Drama auf und mussten feststellen, dass das, was wir schon immer geahnt hatten, leider vollkommen einer fürchterlichen Wahrheit entsprach.


Heute, die vereinigten Anwälte der Parteien treiben, kurz vor Morgengrauen, ungestört die Wahrheit durchs Dorf, schleiche ich über den Kirchhof und prüfe die verbliebene Gültigkeit der Grabmäler, indem ich sie umzustürzen versuche. Aber bei uns ist die Welt noch Ordnung, kein Stein fällt, alle Stelen halten Bestand. Da höre ich von der Terrasse, die den alten vom neuen Totenteil trennt, Stimmen. Ich erkenne Helmut, unseren örtlichen Gendefekt mit der überschätzten Vergangenheit, wie er sich mit einer opaken Erscheinung unterhält, die so nicht aus unserem Ort stammen kann.
H(elmut): Wohin willst du mich führen? Rede, ich gehe nicht weiter.
G(eist): Höre mich an.
H: Das will ich.
G: Die Stunde naht, da ich in die Pein zurückkehren muss.
H: Du dauerst mich, armer Geist.
G: Bedaure mich nicht, sondern höre aufmerksam an, was ich dir entdecken werde.
H: Rede, ich bin schuldig, zu hören – -
G: Und zu rächen, was du hören wirst.
H: Was?
G: Ich bin der Geist deines Landes, verurteilt eine bestimmte Zeit bei Nacht herumzuirren, und den Tag eng weggeschlossen zu schmachten, bis der Sinn meines irdischen Lebens leer und weggefeget ist. Wäre mir‘s nicht verboten, ich könnte eine Erzählung machen. Aber diese Szenen sind nicht für Ohren von Fleisch und Blut.
Horch, horch, o horch auf.
Wenn du jemals Liebe zu deinem Land getragen hast – -
H: O Himmel!
G: So räche meine schändliche, unnatürliche Ermordung.
H: Ermordung?
G: Jeder Mord ist höchst schändlich, aber dieser ist mehr als schändlich, unnatürlich und unglaublich.
H: Eile, mir den Täter zu nennen, damit ich schneller als die Flügel der Betrachtung zu meiner Rache fliege.
G: So bist du, wie ich dich haben will. Nun, Helmut, höre. Es ist vorgegeben worden, der Bürger habe sein Interesse an mir verloren. Mit dieser erdichteten Ursach sollten alle getäuscht werden. Die Schlange, die dein Land zu Tode stach, trägt den Namen deiner Partei.
H: O meine Seele. Meine Partei?
G: Ja, deine Partei, verführt durch den Zauber langer Macht und verräterische Geschenke (O! Verflucht sei die Macht und die Geschenke, die so verführen.). O, Helmut, welch ein Abfall war das. Von mir, dessen Liebe, in unbefleckter Würde Hand in Hand mit der Verfassung ging, zu einer solch elenden Eigenliebe abzufallen.
Doch sachte, mich deucht, ich wittre Morgenluft.
Ich muss kurz sein. Ich lag in meiner ganzen Nachkriegspracht im tiefen Schlaf, jedermann tat seine Pflicht und alles war, wie es in einem guten Land sollte sein. Doch Jahre einer Herrschaft kamen, und mit jedem wuchs Begehrlichkeit, die Partei dem Lande gleichzusetzen, die Trennung von Person und zeitweiligem Mandat, die im Gesetz genau und pünktlich vorgeschrieben, aufzuheben zum Zwecke puren Machterhalts. Loyalitäten wurden umgeleitet, die Eide, die man der Verfassung schwor, meineidig der Partei geleistet. Durch vieler Gefälligkeiten Tausch wob sich ein Netz aus Schuld und Schuldigkeiten, Reih um Reih zentrierten sich die Mannen, im Haus die Macht, die Hausmacht der Partei.
Und mit jedem Fortschritt starb ein Stück des Geists, fiel wie faules Fleisch herab, Lepra meiner Volksherrschaft, Demokratie unter Aussatz, Pest in der Republik. Ich starb, hingemeuchelt von genau jenen guten Menschen, die, laut und unentwegt, des Lobes meiner Freiheit voll, preisend durch die Parlamente zogen. Allein, ich starb und ich starb nicht auf eignen Wunsch.
So dir noch blieb von der Verfassungstreue, gehe hin und sage offen, dass du und die Deinen gefehlt, bekenne, dass Partei und Staat sind zweierlei, die wohl geschieden und getrennt gehalten werden müssen, soll Stillstand nicht die Regel sein.
Der Feuerwurm kündigt den Morgen an. Adieu, adieu, adieu.
Gedenke meiner, Sohn!
Der Geist verschwand.
»Starke Rede!«, sage ich zu Helmut, während ich zwischen den Büschen hervorkomme, hinter denen ich gelauscht hatte.
»Keine Ahnung, was der gemeint hat.« Helmut zuckt bedauernd mit den Achseln. »Ich habe immer nur meine Pflicht für meine Partei getan.«

:D

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Ignoranter Pessimismus

9. Februar
Es ist ja nicht so, dass man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen möchte. Aber natürlich nur unter Einsatz ideologisch korrekter Mittel.


Heute, ich soll operativ von den typisch deutschen Blinden Flecken am rechten Auge befreit werden, was wiederum die Vorbedingung für einen entsprechenden Eingriff am linken Auge bildet und zusammen zu den unumgänglichen Opfern gehört, die Satire und Satiriker in diesen Zeiten zu bringen haben, womit dieser Satz endgültig aus dem Ruder läuft und einen unbelasteten Neuanfang nötig macht:
Heute, ich soll aus den bekannten Gründen am Auge operiert werden, und will mich gerade durch das Öhr zwischen den abweisend geschlossenen Einfahrts-Schranken fädeln, als mir ein Flugblatt der zuständigen Gewerkschaft aufgedrängt werden soll. Auch mein Einwand: »Ich bin Patient!« erweist sich nicht als die gültige Parole, der Zutritt scheint nur über die Entgegen- und Kenntnisnahme des dargebotenen Flugblattes zu führen.
Nun ich bin ich als Bürger dieses Landes von Kind an im Gehorsam gegenüber öffentlicher Organisationen erzogen worden und so hatte meine anfängliche Verweigerung eh keine echte Chance, ich nehme das Blatt und überfliege es tief.
Es enthält die üblichen Forderungen: Mehr Kohle, weniger Maloche, ansonsten Besitzstandsicherungsausbau.
»Schafft aber auch nicht unbedingt mehr Arbeitsplätze.«, fasse ich zusammen, und: »Wo bleibt denn da die Solidarität mit den Arbeitslosen?«
Der unbekannte, aber örtliche Gewerkschafter zuckt nachlässig mit den Schultern: »Es wird nie wieder genug Arbeit für Alle geben. Also werden wir sie gerechter verteilen.«
»Ziemlich pessimistisch, die Auffassung. In anderen Ländern gibt es inzwischen wieder so was wie Vollbeschäftigung, in den USA ist die Arbeitslosigkeit auf den Stand von 1970 gesunken. Und sinkt immer noch.«
Der Mann auf der anderen Seite der Schranke entzieht mir brüsk das zuvor aufgedrängte Flugblatt: »Sind doch alles nur Micky-Maus-Jobs, von denen keiner richtig leben kann. McDonalds und so. Aber keine richtige Arbeit.«
»Als ich das letzte Mal nachschauen war,..« und ich zerre das Blatt auf meine Seite der Schranke: »..waren da kilometerweit neue Gewerbegebiete voll mit Bürogebäuden, die wiederum voll mit neuen Jobs waren und das sah mir nicht alles nach Schnellimbiss aus. Kann ja sein, dass dort nicht alles Spitze ist, aber wenigstens hat dort jeder eine Chance.«
Das Blatt gehorcht dem verstärkten Zug und nähert sich wieder dem Gewerkschaftsstandpunkt: »Wie diese Manchesterkapitalisten dort ausbeuten, interessiert mich absolut nicht.«
»Mao sagte: >Vom Feind lernen, heißt für unsere Sache lernen<. Oder zumindest klang es so ähnlich.« Mao bringt das fragliche Blatt weit auf mein Gebiet. »Und in diesem Fall wäre es ja für einen guten Zweck. Jobs für die Arbeitslosen, Hoffnung für die Ausgegrenzten. Nicht doch Bedarf an einer persönlichen Inaugenscheinnahme?«
»Nein!« Dem zugehörigen Ruck halten die überbeanspruchten Forderungen auf dem Flugblatt nicht länger stand, die Kluft zwischen öffentlichem Dienst und Bürger reißt auf, der Mann hinter der Schranke sichert sich das Mehr und das Weniger, mir bleiben die unendlich vielen, wieder einmal erhöhten Monatsraten, mit denen wir abzahlen, was die Politik bestellt hat. »Nein, niemals! Wir wissen, was wir tun! Und wir tun das Richtige!«
Daraufhin dränge ich mich vor und den unbekannten Gewerkschafter druckvoll zur Seite, drehe mich auf dem sicher erreichten Krankenhausgelände noch einmal um: »Dann werdet ihr für die Arbeitslosen soviel erreichen, wie die Anwälte der Parteien, die immer noch die Wahrheit unerreicht vor sich her durchs Dorf treiben.«

:D

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Wem Gott ein Amt ..

12. Februar
Es hat schon was, wenn auch nicht unbedingt was Gutes, wenn man seine Unschuld von einem Rudel Anwälte erklären lassen muss. Und noch nicht mal einfach per Flugzeug Reißaus nehmen darf.


Heute, die Parteien waren, infolge der frisch aufgetretenen Anwaltskrise, zu ihren gewohnten, wechselseitigen Verunglimpfungen übergegangen, verkrieche ich mich ruhebedürftig im neuen Müllcontainerunterstand, einer getreu verkleinerten Nachbildung eines mangels Masse nie realisierten Expo2000-Pavillions hinter unserem örtlichen Supermarket.
Ich stelle gerade die dritte Überschlagsrechnung über die Qualität der Mülltrennung in mittleren Einzelhandelsunternehmen an, als mich die Politik wieder in Gestalt unseres Landrates Joe einholt, welcher mit seinen, den Parteien abgeworbenen Anwälten in den Unterstand einfällt. Landrat Joe verdankt sein Amt einem sturen Hang zur Ausdauer und seiner guten Gesundheit, in unserer Gegend wird Beharrungsvermögen gerne mit Eignung verwechselt.
Ich wünsche ihm einen guten Morgen, was allerdings sofort aus seinem Gefolge dementiert wird: »Landrat Joe hat die Qualität dieses Morgens in keinster Weise beeinflusst, noch nahm er auf die Reihenfolge der Tageszeiten Einfluss und noch viel weniger wurde er beeinflusst, Dinge oder Aktivitäten in diesem Zusammenhang zu beeinflussen.«
»In Hinblick auf diesen nun vollständig und erschöpfend aufgeklärten Tatbestand ziehe ich den guten Morgen zurück. Darf ich?« Das »Darf ich?« bezog sich auf Landrat Joes Bauchladen, der mir wieder mal erweitert vorkommt. Landrat Joe lebt in dem unheilbaren Glauben, er müsse nur die richtigen Traktate in ausreichender Stückzahl unter die Leute bringen und alles würde gut. Anfangs trug er die entsprechenden Papiere gebündelt in allen Taschen seiner dunklen, dreiteiligen Anzüge, aber die anhaltende Verweigerung der Leute, dem kondensiert guten Geist der Traktate Folge zu leisten, führte zu mehr und eindringlicheren Appellen, hinzu kam die neugeschaffene Abteilung Kommerzielles. Kurz, eine Neuorganisation des freihändigen Verkaufs ließ sich nicht vermeiden. Landrat Joe erwarb aus dem Nachlass eines aufgelassenen Nachtklubs billig einen Bauchladen, aus dem in dessen aktiven Tagen schützende Präservative verkauft worden waren, was Landrat Joe nicht wußte, aber sinngemäß trotzdem passte. Nach dem Erwerb der Bauchlade zog Landrat Joe anbietend durch die Lande und die Abteilung Kommerzielles verzeichnete nicht unerhebliche Wachstumsraten, was die Erbauungsschriften bis zu ihrem vollständigen Verschwinden in die Defensive drängten.
Landrat Joe beantwortet meine Frage mit einem erwartungsvollen Vorschieben seines Angebotes und ich überfliege die Titel der schmalen Druckerzeugnisse.
Vom unverfänglichen Gründen von Fluglinien durch Dritte.
Schnaps ist Schnaps, Dienst ist Dienst. 99 entlastende Cocktailrezepte aus nur zwei Grundstoffen.
Was uns die Salami über das politische Zugeben lehrt.
Ich war wohl in die bekannte Unterrubrik Kommerzielles, öffentlich geraten und wechsele in das Nebenfach:
Warum immer mit Diäten leben? Mach mehr aus deinem Amt.
Wie man Wünsche ohne die Gefahr der Ablehnung äußert.
Illegal ist, wenn jemand Legales moralisch hinterfragt.
Aha, die Unterrubrik Kommerzielles, persönlich. Das nächste Fach ist leer. Ich blicke Landrat Joe fragend an. Der Anwalt links von ihm, er trägt einen umfangreichen Aktenordner mit der Aufschrift Kommt noch, erläutert: »Mein Mandant hat sich, in enger Zusammenarbeit mit seinen juristischen Beratern, über diesen Themenkomplex noch keine zu veröffentlichende Meinung gebildet.« Sein Kollege, der mit dem auf Wachstum angelegten Ordner War schon, schränkt ein: »Was nicht so zu verstehen ist, dass dieses Fach zwangsläufig gefüllt werden wird. Wir halten uns in dieser Hinsicht alle denkbaren Freiheitsgrade offen.«
»Verstehe. Sie geben natürlich freiwillig keine mögliche Ausrede auf. Und das hier?« Ich zeige auf das verbliebene, gefüllte Abteil.
»Die auf Anraten seiner..«, der Jurist zuckt flüchtig mit dem Kopf in Richtung Landrat Joe: »..Anwälte geschaffene Rubrik Tätige Reue. Wir versprechen uns für die Zukunft sehr viel ihr.«
Ich finde:
Wenn die Natur schon Krokodilstränen geschaffen hat, sollten wir sie auch nutzen, schließlich fallen sie auf.
Der lange Weg zur Entschuldigung oder eigentlich war es ja alles gar nicht so schlimm.
Denke deine Vergangenheit erfolgreich um und mache dich damit glücklich.
Ein Müllader fährt vor, seine Besatzung schwärmt zu den uns umgebenden Containern aus.
»Vielleicht sollten wir ein Wenig zurücktreten?« frage ich praxisgerecht.
»Niemals!«, schreit Landrat Joe und verlautbart sich damit zum ersten Male direkt und taktisch ungefiltert: »Das schadet nur dem Amt!«

:D

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Höflichst

16. Februar
Wenn schon kein König oder Kaiser in Sicht ist, dann wollen wir wenigstens förmlich der Monarchie möglichst nahe kommen.


Heute, die Parteien hatten sich verbrüdert und gemeinsam die demokratische Staatsform als regierungsunfreundlich und politikbehindernd diskreditiert, treffen wir uns alle am Abend bei der großen, örtlichen Prunksitzung im Bürgerhaus.
Der Chef des Elferrats, unser Hans, ein in Abwesenheit beamteter Verwalter mit richtigem Parteibuch, entert die Bütt&#8216; und spricht, wie Narren halt so sind, gereimt, die Wahrheit:

Ihr Damen und ihr Herrn,
Sagen tät&#8216; ich schon mehr gern,
Doch passt in eines Abends Länge
Der Worte nicht unendliches Gedränge,
Und ich würde richtig lügen,
Stritt ich wider das Vergnügen,
Welches mir der Promis Nennung
Mitsamt ihres Amt Kennung
Hier in dieser Bütt drin macht,
Denn zuletzt lacht, wer schon dacht
Früh genug an Freundlichkeit,
Die kommt von der Obrigkeit.

Landrat Joe, der Stille,
Weilet, denn so ist sein Wille,
Und seit hundert Jahren Sitte
Mittendrin in unserer Mitte.
Demütig sagen wir ihm Dank,
Springen hoch und auf die Bank,
Klatschen, trampeln, schrein Hurra,
Unser allererster Mann ist da!

Auch ein erster Mann,
Und zwar immer dann,
Wenn der Kreis hält Tage,
Unser Gerhard, keine Frage.
Hier und sicherlich auch heute,
Ihm zu Ehren, liebe Leute,
Gerne steigen lasset ihr Raketen
hoch und laut von den Staketen.

Namensvetter Hans, der Kleine,
Gemieden sitzt am Tisch alleine,
Was uns nicht verwundern möge,
Hütet er des Geldes Tröge.
Schmeicheln wir uns bei ihm ein,
Bumsen machtvoll mit dem Bein,
bis der ganze Boden ringsum dröhnt,
Hoffend, dass Hans unsere Mühe löhnt.

Immer schon im Amte war,
Schultheiß Edmund, das ist klar,
Und er tut uns jährlich zeigen,
Dass das höfische Verneigen,
Niemals seine Sache sei.
Eher steht&#8216;s uns Leuten frei
Im tiefen Schatten seines Loden,
Küssend zu ehren seinen Boden.

Nicht hier und unter denen,
weil Schaden in den Genen,
Was brachte ihm der Medien Spott,
Verzichtet Helmut auf der Ehrung Trott.
Drum brechen wir aus voller Brust
Und mit der Untertanen Lust,
Stehend in wilden, lauten Beifall aus.
Er braucht&#8216;s, wir liefern&#8216;s ihm frei Haus.

Zu Ende nun der Abend schon,
Weg die Zeit mit Politpromotion.
Verhehle nicht, dass in meinem Tone,
Der Wunsch nach einem Haupt mit Krone
Hintergründig unterschwellig schwang,
Ersehnt von diesem Narrenvolke lang,
Liebte es doch wirklich niemals nie
Sein Land in Form der Demokratie.

:D

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Alltagskriminalität

19. Februar
Ein Schiedsrichter hat den Vorteil, dass er die Regeln auslegt.
Deshalb finden sich auch so viele selbsternannte Schiedsrichter in unserem Alltag.

Heute, die Parteien fegen ihre Scherben unter unsere Teppiche, geht mir der Schnürsenkel auf. Ich trete zurück, stelle den betreffenden Fuß auf den Bordstein und beginne, eine neue Schleife zu formen.
Das kleine Werk ist fast vollendet, als mich, in Höhe des Wadenmuskels, ein mattschwarzer Stoßfänger der automobilen Oberklasse langsam und sanft, aber unaufhaltsam Richtung Bürgersteig schiebt. Ich springe auf und in Sicherheit.
Bodo, unser geachteter, örtlicher Winkeladvokat, entsteigt seinem jetzt korrekt geparkten Wagen: »Du kannst nicht einfach Parkplätze besetzen. Das ist illegal!«
»Aber ich hab&#8216; doch nur...«
Bodo setzt seine Gerichtsstimme auf, leise, gleichmäßig und sinnverwischend: »Bereits der Vorsatz ist entscheidend. Dein ohne Zweifel gutgemeintes Motiv könnte sich eventuell strafmindernd auswirken, aber der Tatbestand unrechtmäßiger Aneignung öffentlichen Parkraums bleibt. Und dagegen musste ich einschreiten.«
»Du musst doch gesehen haben, dass ich mich mitten in der Bewältigung einer Art von Notstand befand?«
Bodo schüttelt nachdrücklich verneinend den Kopf: »Du gabst vor, dich mitten in der Bewältigung einer Art Notstandes zu befinden.«
»Aber nein. Mir ging der Schnürsenkel auf. Und weil ich mir an den gesetzlich vorgeschriebenen, monatlichen Statistikmeldungen das Kreuz verhoben habe, wollte ich die lindernde Höhe des Bordsteins nutzen.«
»Wobei die Sache mit dem Schnürsenkel sich vermeiden hätte lassen, wärest du nur mit der nötigen Umsicht und Sorgfalt deinen Obliegenheiten nachgekommen. Stattdessen versuchst du mit unbeweisbaren Beschuldigungen nicht anwesender Dritter dich hinterrücks aus deiner Verantwortung zu schleichen. Schäbig, kann ich da nur sagen,..«, Bodo wird noch leiser, nahezu traurig leise: »..äußerst schäbig.«
»Moment. Ich bin also selbst daran schuld, dass du mich gewaltsam und eine vorsätzliche Körperverletzung billigend in Kauf nehmend von diesem Parkplatz vertrieben hast, nein, besser, vertreiben musstest?«
Jetzt lächelt er, unser geachteter Bodo: »Na also, geht doch.«
»So einfach auch wieder nicht. Wieso glaubst du eigentlich, dass ein eventueller Verstoß meinerseits dir das Recht zu einem Verstoß deinerseits gibt?«
Bodos Lächeln erstarrt zu juristischem Eis: »Du begreifst gar nichts. Wo lebst du eigentlich? Wenn ich dir das ungestraft durchgehen lasse, wirst es immer wieder tun und ich komme dir gegenüber uneinholbar ins Hintertreffen. Also muss ich bereits beim kleinsten Anzeichen einer Möglichkeit reagieren. Noch besser allerdings ist es, dir vorbeugend unlautere Absichten zu unterstellen. Damit stelle ich mir selbst einen Persilschein aus und kann, von meinem schwachen, aber doch immerhin Gewissen unbelästigt, unlauter Vorteil nehmen, zumindest solange die Gesellschaft es mich lässt. Und die Gesellschaft lässt heute oft und lang, weil Jeder Jedem unentwegt nur die miesesten Motive unterschiebt.«
Ich denke kurz nach, finde Bodos Beweisführung zwar schlüssig, aber abstoßend: »Und wenn man sich vertrauen würde? Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich dir selbstverständlich diesen Parkplatz überlassen. Dein Wagen würde parken, wie jetzt auch.«
Bodo zischt verächtlich: »«Ich mach&#8216; mich doch von Niemandem abhängig!«

:D

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Nutzung der Kosten

23. Februar
Demokratie wäre sicherlich eine brauchbare Form der politischen Machtausübung. Wenn nur diese Bürger sich nicht immer einmischen wollten.


Heute suche ich unsere örtliche Sparkasse zum Zwecke des Erwerbs meines eigenen Geldes im Rahmen einer kostenpflichtigen Automaten-Abhebung auf.
Ich vertreibe mir die Wartezeit in der Schlange vor dem einzigen, von drei vorhandenen, funktionierenden Automaten mit statistischen Erhebungen der durchschnittlichen Anzahl Versuche, die der durchschnittliche Barabheber zur fehlerfreien Eingabe seiner Geheimzahl benötigt, als es sachte, aber nachdrücklich oft auf meine Schulter tippt.
Im Umdrehen erkenne ich den rasenden Roland, unseren bisher so aufstrebenden Stern am lokalen Politikfirmament. »Ich bin wichtig.«, erklärt er mir: »Kann ich vor?«
Da ich in den letzten Jahren einem ungewollten, aber verschärften, praktischen Lehrgang in Flexibilität bewohnen durfte, biete ich Roland postwendend einen Deal an: »Wenn ich in der verbleibenden Wartezeit drei Fragen stellen darf?«
»Ungern. Aber wenn es nicht anders geht.«
Ich lasse Roland vorbei und stelle die erste Frage: »Diese beabsichtigte Abhebung steht hoffentlich nicht im Zusammenhang mit irgendeinem parteilichen Geldfluss?«
Roland bellt sein jungenhaft täuschendes Lachen: »Nein. Manchmal brauchen sogar wir Politiker privates Bargeld. Auch wenn jetzt schwere Zeiten auf uns zukommen und äußerste Sparsamkeit angesagt sein wird.«
»Was mich zur nächsten Frage bringt. Stimmt es, dass die geplante Verlängerung der Legislaturperiode um ein Viertel nur aus Gründen der Sparsamkeit erfolgen soll? Keine anderen, sorgsam versteckten Motive im Hintergrund oder so?«
Wieder dieses abwehrende Lachen, dann: »Das waren eigentlich schon zwei Fragen. Aber ich will mal nicht so sein. Also, in der Hauptsache geht es ums Sparen. Wahlen sind ein teures Vergnügen. Und dann kommt noch hinzu, dass wir Politiker in fünf Jahren einfach besser arbeiten können. Und das nützt ja wohl zuallererst dem Bürger.«
»Zuallererst nehmt ihr dem Bürger ungefragt 25% Mitbestimmung und damit Demokratie weg. Natürlich vorsorglich fürsorglich, bevor der mündige Bürger auf den Gedanken kommen kann, dass Demokratie Geld kostet und er vielleicht die Lust daran verliert, was niemand wirklich wollen können will. Wobei, mit Verlaub bemerkt, die Parteien an den steigenden Wahlkosten nicht ganz unbeteiligt waren.«
Roland lacht nicht mehr so jungenhaft, eher verkniffen: »War das jetzt die dritte Frage?«
»Nein, eher eine Feststellung. Die dritte Frage lautet: Wenn weniger Demokratie bereits zu spürbaren Einsparungen führt, wie viel würde dann noch weniger Demokratie kosten? Und im Extremfall, wie viel würde der vollständige Verzicht an Demokratie bringen?«
Roland lässt nachdenklich auch den letzten Rest seines Lachens weg: »Das müsste man mal ernsthaft durchrechnen.«
Der letzte funktionierende Geldautomat schaltet auf Störung und fährt sein Schutzschild aus.
Roland dränge entschlossen und grußlos ins vermutlich noch von Personal betriebene Innere der Sparkasse.
Ich nehme an, dass wir das Ergebnis seiner Kosten-Nutzen-Rechnung in Bezug auf unsere Demokratie demnächst in der einschlägigen Presse verlautbart bekommen werden.

:D

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Eigentumsfragen

26. Februar
Dass wir uns nicht falsch verstehen, hier geht es nicht unbedingt gegen die Genforschung. Eher stellt sich die Frage, wieso ein Patent auf mein Erbgut erteilt werden kann.

Heute erhalte ich überraschende Post, das längliche Fensterkuvert trug den Stempel: Die Parteien raten: Lassen Sie doch einfach uns für Sie denken!
Drinnen findet sich dann allerdings nicht die logische Beitrittserklärung, sondern ein formal korrektes Schreiben eines der neuen Biotech-Unternehmen:

Sehr geehrter ...

Wie wir anlässlich eines Routinetests Ihrer Gene mittels der Auswertung Ihrer achtlos weggeworfener Papiertaschentücher feststellen mussten, nutzen Sie ein persönliches Genpotential, welches zu 99,98% mit unserem Euro-Patent übereinstimmt.
Die Nutzung unseres Anteils wird Ihnen hiermit untersagt, und zwar unverzüglich und ohne Ausflüchte.
Insbesondere wird Ihnen das Verbreiten unseres geistigen Eigentums mittels willkürlichen als auch spontanen Ausstoßes von Sperma verboten.
Zuwiderhandlungen werden aufs Äußerste geahndet.
Allerdings sind wir nicht vollkommen unmenschlich und unterbreiten Ihnen deshalb ein wirklich nettes Angebot, wie Sie eventuelle sexuelle Stauzustände auch in Zukunft legal beseitigen können. Bestellen Sie noch heute einfach mittels des beigefügten Formulars unsere preiswerte, persönliche Lizenz zur Selbstbefriedigung. Vergessen Sie bitte nicht die Freigabe Ihres Kontos für unseren freien Zugriff zu unterschreiben.
Sollte unser fürsorglich gedachtes Angebot aus für uns unvorstellbaren Gründen für Sie nicht in Frage kommen, schlagen wir eine Vasektomie vor. Diese kleine Operation löst Ihr Problem nachhaltig und erlaubt Ihnen darüber hinaus im intergeschlechtlichen Aktionsraum allen denkbaren, Ihnen derzeit untersagten Aktivitäten legal nachzukommen. Wir arrangieren gerne alles Notwendige, müssen Ihnen aber in diesem Zusammenhang mitteilen, dass weder die Krankenkassen noch wir die Kosten übernehmen. Aber ein ausgefülltes Geschlechtsleben ist ja auch was wert, nicht wahr?

Mit freundlichen Grüßen

Unleserlich

PS: Hüten Sie sich in nächster Zukunft vor Unfällen. In letzter Zeit treten gehäuft gewaltsame Penisextraktionen auf.

Ich werfe diesen Scherz in den von der Umweltbehörde vorgesehenen einen Müllbehälter von insgesamt Vieren und gehe ins Eiskaffee.
Verona, unser unerklärlicher Medienerfolg, hatte sich zu einem Tete-a-tete bereit erklärt.
Wir kommen auch gut voran. Meine Hand hat bereits die Hälfte der trennenden Distanz zurückgelegt, bald würde ich einen Erstkontakt erleben, wie ich ihn prominenter noch nicht gehabt hatte.
Ein düsterer Mann in Trenchcoat und mit dem obligatorischen Schlapphut tritt an unseren Tisch: »Wir haben Sie unter Beobachtung. Glauben Sie ja nicht, dass Sie uns hinters Licht führen und unbemerkt mit ihr da bumsen können.« Er macht eine den beklemmenden Eindruck verstärkende Pause, dann: »Und immer an die Unfälle denken, wie leicht geht ein Schwanz verloren. Schönen Tag noch.«
»Werden immer mehr, diese Irren.«, will ich herunterspielen, spreche aber bereits in einen leeren Raum, die Botschaft war bei Verona angekommen.
Hoffentlich ist der Papiermüll noch nicht fachgerecht entsorgt und ich finde diesen Brief.

:D

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(Wdh.)

1. März
Als der 1.000.000ste Gastarbeiter in den 60igern im Ruhrpott anlangte, wurde ihm ein Moped überreicht.

Der Mann starb übrigens später bei einem Arbeitsunfall und wir lernen auch nicht dazu.

Heute, die Parteien starten öffentlich ihre neue Kampagne: Lassen Sie sich nicht durch hektische Innovation verunsichern, wiederholen Sie lieber mit uns zusammen immer wieder die nachhaltigsten Fehler der Vergangenheit!, treibt mich die Neugier am Bahndamm entlang zum Bahnhof. Ich suche die vermutlich vergangene Zukunft des schienengebundenen Nahverkehrs, und will noch schnell nachschauen, bevor längere Autofahrten zum nächst erreichbaren Schienenstrang notwendig werden.
An unserem de facto stillgelegten, stillen Bahnhof herrscht unerwartet großer Bahnhof, sämtliche Regionalpolitiker haben sich parteiübergreifend aufgeboten, verstärkt durch die örtlichen Spitzenfunktionäre der Wirtschaft, es muss also ein Ereignis feierlich zu begehen sein, das außer willkommener Medienpräsenz keine sonstigen schädlichen Nebenwirkungen aufweist.
Ich drängele mich in die Masse dunkler Anzüge, werde aber von einem noch dunkleren Anzug aufgehalten: »Nur geladene Gäste! Kein Durchgang.« Wieder einmal beeindruckt mich die Sicherheit, mit der unsere Sicherheitsbeamten wirklich wichtige Menschen von gewöhnlichen Bürgern zu unterscheiden wissen. Schüchtern frage ich an: »Was wird denn hier in meinem Namen begangen?«
»Wieso in ihrem Namen? Wer sind Sie überhaupt?«
»Entschuldigung. Wenn ich mich vorstellen darf, ich, freier Bürger und Souverän dieser Republik.«
Der dunkle Anzug fältelt sich vor Heiterkeit: »Wohl mit dem Grundgesetz unter dem Arm aufgewachsen. Wo waren Sie denn die letzten 16 Jahre? Im Ausland?« Und bevor ich diese nicht wirklich gestellten Fragen in meinem Sinne beantworten kann, setzt der dunkle Anzug nach: »Ausland passt übrigens gut. Wir warten hier auf den 10.000sten außereuropäischen Programmierer.«
»Ah ja.« Meine vorgesehenen weiteren Meinungsäußerungen werden wirksam von öffentlicher Lautsprecherei unterbrochen: »Der Zug kommt.«
Von meinem untergeordneten Standort aus laufen die nächsten Geschehnisse ohne direkte Wahrnehmung ab. Schließlich aber wird ein gut gebräunter Mensch mit feschem Turban über die Menge sichtbar auf ein Podest gestellt und Gerhard, unser medienwirksamer Kreisvorsitzender, nutzt die Macht seines Amtes zur Erstansprache: »Wir freuen uns, lieber Gast, dass Sie dem Hilferuf unseres Landes so schnell gefolgt sind und uns tatkräftig unterstützen wollen. Wir hätten zwar noch eine ganze Menge arbeitsloser Programmierer gehabt, aber die sind schon über Vierzig und damit zu senil für die hohen Ansprüche unserer Wirtschaft. Ja, wenn sie entsprechend qualifiziert gewesen wären, dann hätte man sie als Astronauten einsetzen können, so aber müssen sie arbeitslos bleiben. Nichtsdestotrotz, freuen wir uns, dass unsere weltweite Klage über die Versäumnisse der Vergangenheit nicht ungehört verhallt sind. Und wie es in unserem Land guter Brauch ist, wollen wir es nicht bei leeren Worten belassen, sondern schon wie in der Vergangenheit geübt, überreiche ich hiermit den Schlüssel zu einem Moped der Luxusklasse, welches übrigens von der örtlichen Wirtschaft gestiftet wurde. Natürlich wird unser Gast seinen geldwerten Vorteil versteuern müssen, aber immerhin, der Tank ist voll!«
Der Turban über den Köpfen verschwindet, die Kreissäge eines kleinvolumigen Zweitakters heult auf, die Menge teilt sich, dadurch stehe ich unvermittelt in der ersten, aussichtsreichen Reihe, das Moped schießt vorbei und nimm schlingernd Kurs auf die Ausfahrt des Bahnhofsvorplatzes.
Ich begreife in diesem Moment die dräuende, verkehrstechnische Problematik und brülle ihm hinterher: »Drive at the right side!«
Mein Ratschlag trifft leider erst nach dem massigen, luftgefederten Computertransporter ein, der diese noch nicht richtig begonnene Karriere, rechtmäßig auf seiner angestammten, rechten Spur fahrend, schuldlos, aber unglücklich und letal beendet.
Gerhard, immer noch im Besitz des eingeschalteten Mikrophons, entfährt: »Man hätte vielleicht doch vorher mal drüber nachdenken sollen.«

:D

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Exklusivität

4. März
Big Brother war noch nicht auf Sendung, als es auch schon verboten werden sollte. Vermutlich befürchtete die Regierung einen Engpass bei der Lieferung von Überwachungskameras.

Heute, die Parteien spielen uns unentwegt das alte Lied vom heilenden Gänschen, mit dem bald alles wieder gut werden würde, will ich mir eine billige Flucht gönnen und gehe, die Abkürzung über den Schulhof nehmend, in Richtung unseres Bistros. Der Schulhof ruht ungewöhnlich still vor sich hin, selbst die Basketballanlage hängt ungenutzt und unbeschädigt im nassen Abendwind.
Verunsichert bleibe ich stehen und forsche nach wahrscheinlichen Ursachen, einer Evakuierung infolge einer der beliebten Bombendrohungen oder vielleicht auch der spontane Fund eines Blindgängers, mit dem uns die Geschichtsträchtigkeit unseres Bodens sporadisch in Erinnerung gerufen wird. Aber, die gesamte Umgebung liegt gleichfalls verlassen in der einfallenden Dunkelheit, keine Anzeichen schützender Staatsmacht wie rotierende Blaulichter oder billige Uniformen, nicht der leiseste Hauch eines aufgebockten Containers mit der beruhigenden Aufschrift Krisenstab oder auch nur das blecherne Timbre eines aufgeregten Megafonträgers, nichts.
Die Achseln zuckend, wer kann oder will all die öffentlichen, örtlichen Ungereimtheiten schon ergründen, will ich meinen Weg fortsetzen, als mir aus der inzwischen dichten Dunkelheit zwei massive Gestalten in den voraussichtlichen Weg treten. Ich sortiere mit der Rechten in der Hosentasche vorbereitend meinen Hausschlüssel zwischen Zeige&#8211; und Mittelfinger zu einem improvisierten Schlagring und verlagere mein Gewicht verteidigungsbereit aufs rechte Standbein, was nichts über meine politische Gesinnung aussagen soll, sondern die übliche Position eines boxenden Linkshänders darstellt, zu welchem ich mich in Krisensituationen automatisch zurückbilde, meine jugendliche Zwangserziehung zur Bevorzugung der Rechten vergessend.
Meine akute Raubüberfallphantasie löst sich in das latent schlechte Gewissen eines ertappten Staatsbürgers auf, als mich der Befehl: »Ihren Ausweis!« erreicht. Räuber nutzen gewöhnlich das vertrauliche Du und verlangen eher nach Geld als behördlichen Papieren.
Vorsichtig und unter Nutzung aller mir zur Verfügung stehender, unverdächtiger Bewegungen reiche ich das Gewünschte an. Eine Taschenlampe leuchtet Bild und Original vergleichend aus, das Ergebnis scheint, zumindest vorläufig, zu meinen Gunsten auszufallen, die Lampe wird entschieden hörbar ausgeknipst.
»Was machen Sie hier?«
»Ich wollte ins Bistro.«
»Über den Schulhof?«
»Ist eine gängige Abkürzung.«
»Und warum blieben Sie mitten auf dem Schulhof stehen?« Die beiden Gestalten rücken zangenartig näher, sie haben wohl eine entscheidende Fragen gestellt.
»Er schien mir ungewöhnlich verlassen. Ich dachte darüber nach, was hier wohl nicht stimmt.«
Der behördliche Zangengriff schließt sich noch enger: »Und?«
»Mir fiel keine plausible Ursache ein.«
»Aha. Und was wollten Sie im Bistro?«
»Hatte eine kleine Flucht in den Alkohol vor, wollte diesem neuen Parteienchor entkommen.«
Die Gestalten lachen, schließlich beschließt die vermutliche ranghöhere: »Der ist unverdächtig.«
Ich lasse den Schlüsselbund mühsam aus der inzwischen verkrampften Hand fallen. »Darf ich was fragen?«
»Aber ja doch.«
»Wie haben Sie mich in der Dunkelheit überhaupt geortet?«
»Kein Problem. Seit kurzem sind hier überall Kameras installiert. Mit Infrarot. Für den extra scharfen Durchblick in der Nacht.« Die zugehörige Gestalt lache schmutzig auf, sie denkt wohl an die gewöhnlich verborgen ablaufenden Aktivitäten von Teenagern ohne eigene Bude.
»Aber das ist ja wie in dieser Fernsehsendung. Nur dass die Leute mit ihrer Überwachung durch Kameras einverstanden sind. Und ich noch nicht mal was davon ahne.«
»Kann man so sehen. Wenn man unbedingt so will.«
»Und warum wollt ihr die Sendung dann verbieten?«
»Weil wir in diesem Staat das Monopol auf Gewalt haben.«

;)

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Lehrplan

8. März
Wenn es stimmt, dass wir vorwiegend am Vorbild lernen, dann sollten wir uns hin und wieder Gedanken über uns selbst machen.


Heute, die Parteien kaufen ihre Kritiker mit Spenden von der Strasse und ins Verstummen weg, kühlen wir unsere Kater auf dem alten, aufgelassenen Friedhof und schauen gefühlstaub den streunenden Hunden zu, wie sie nach vergessenem Gebein graben.
Aus dem Hinter&#8211; über den Mittelgrund schafft sich Joschi, unser grüner Ortsgärtner, diktierend bis zu unserer Gruppe vor, gefolgt von seiner jugendlichen AZUBIne, die beiden arbeiteten bereits an dem Angebot, das unser Magistrat nächste Woche von ihnen anfordern wird.
»Und, wie laufen die Geschäfte?«
»Nicht schlecht. Je trister die politische Lage, desto mehr öffentliche Pflanzaufträge.«, begeistert sich Joschi. »Wuchern sollen wir&#8216;s lassen, zuwuchern, überwachsen, verranken und umschlingen. Flächendeckendes Grün, mit kräftigen, roten Tupfen, aufgelockert von eventuellem Gelb.«
»Wo bleibt das öffentliche Schwarz?«
»Da es sich bisher erfolgreich allen Zuchtversuchen widersetzte, muss es ungesät und damit ohne Wachstumschancen bleiben.«
»Wie hart!«, bedauert Hera, unsere blonde Kulturistin.
»Infam!«, lacht Gerhard, unser mediengerechter Kreistagsvorsitzender.
»Unbezahlbar!«, steuert der kleine Hans bei, der Gerhards Kasse wartet.
»Die Natur...«, bestätigt Joschi: »..., die Natur lässt mit sich nicht ungestraft spaßen. Und schon gar nicht so.«
»Wie?«, staunt Hera.
»Wie?«, wundert sich der kleine Hans.
»Versteh ich das?«, fragt sich Gerhard.
»Na so.«, erklärt Joschi und wird vom Vibrieren seines Handys an der angefangenen Erläuterung gehindert: »Joschi, der grünste Gärtner nördlich der Sahara, was möchten Sie wachsen lassen? ... Verstehe. ... Aber sicher. ... Gute Idee. ... Das wird nicht so einfach sein. ... Natürlich geht das, aber wie gesagt, nicht einfach. ... Da sind Sie bei uns in den besten Händen. ... Nein. Dieser Termin ist kein Problem. ... Wie groß sagten Sie. ... Na ja. Das ist ja dann doch wohl eher klein. ... Kleinen Moment. Gebe Sie an eine Spezialistin weiter.« Joschi legt seinen grünen Daumen dämpfend auf das Mikrofon und: »Hier ist ein Kunde. Sein Auftrag ist für die Firma zu klein. Lohnt sich nicht. Aber für dich, liebe AZUBIne, wäre die Sache genau richtig. Das Material kaufste über mich und die Werkzeuge stell ich dir kostenlos. Also, ran ans Geschäft.« Er nötigt der überraschten AZUBIne das Handy auf.
Die führt, stockend, mit häufigem, fragenden Blickkontakt und zahlreichem Soufflieren ihre erste eigenständige Auftragsverhandlung zu einem letztlich doch guten Ende.
»Gratuliere zur ersten Schwarzarbeit.«, steuert Hera bei.
»Ist zwar nicht so gut für meine Kasse, aber sind ja nur eigentlich nur Peanuts.«, freut sich der kleine Hans: »Und, da zeigt sich schließlich der viel beschworene Unternehmungsgeist.«
»Tja. Unsere Jugend.«, Gerhard blickt verträumt in seine Zukunft: »Unsere Jugend. Die lösen ganz pragmatisch all die Probleme, die wir ihnen aufgebaut haben. Wirklich beeindruckend.«
»Und da heißt es immer, unsere Ausbildung sei nicht praxisgerecht.«, beschließt Joschi unser allgemeines Schulterklopfen.
Mir ist immer noch nur einfach schlecht.

;)

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