Moin,
Für mich zählt [zum Begriff Zerstückelung] z.B. auch dazu, daß das alte Weltbild, die alten Denkweisen buchstäblich wie ein Kartenhaus in Stücke fliegen und etwas neuem Platz machen müssen und das ist nun einmal völlig unspektakulär für andere. Das muß man ausschließlich mit sich selber ausmachen.
Jau.
Na ja, es ist ja nun nicht gerade Mainstream. Rede mit Leuten, die sich darunter nichts vorstellen können oder die vollständig in den gesellschaftlichen Normen verankert sind darüber und die tippen sich hinter deinem Rücken vielsagend an die Stirn. Ich selber stehe gerade mal am Anfang dieses Weges und doch rede ich schon jetzt mit faktisch niemandem darüber. Wie auch, wenn eine gemeinsame Basis fehlt. Da wundert es mich nicht, wenn z.B. zwei schamanisch aktive gerade mal ein paar Häuser von einander entfernt wohnen und doch nichts voneinander wissen.
Ich meinte nicht in erster Linie das, was man "Außenstehenden" darüber erzählt, sei es in der Familie, im Job, unter Bekannten. Wobei mir das Problem gut bekannt ist. Ich bin mit dem Thema seit Anfang der 1990er in Berührung und habe damals auch die ersten Seminare mitgemacht, aber erst seit die Beschäftigung in den vergangenen drei Jahren sehr viel intensiver geworden ist, gehe ich offener damit um - was einfach daran liegt, dass das jetzt ein so großer Bereich meines Lebens geworden ist, dass ich einfach keine Lust mehr habe, nichts darüber zu erzählen. Es ist früher allerdings auch nie aufgefallen; wir haben unsere "schamanische Bibliothek" seit Jahrzehnten offen im Wohnzimmer stehen, wenngleich hinter Glastüren und nicht wie alles andere im offenen Regal, und es ist nie jemandem aufgefallen.
Was ich meinte, war, dass die schamanisch aktiven Kreise so gut wie keine Überschneidungen aufweisen, teils nicht einmal voneinander wissen - und zwar eben auch dann, wenn ihre Mitglieder, auch mit Klarnamen, im Netz präsent sind. Beispielsweise gibt es in München diverse Trommelkreise, von denen ich mir im vergangenen Jahr einige angeschaut habe. Es gibt keinerlei Überschneidungen der Kreise untereinander.
Wenn du den gesamten Abschnitt durchliest, wirst du sehen dass ich mich lediglich, im faktischen Sinne, auf die Kontraproduktivität bezog und ich in keinster Weise den verschiedenen Anhängern der Szene perse irgendwelche Chrakteristika zusprach. Ich sprach zu Beginn von der Berufung zum Schamanen und habe mich hierbei lediglich auf darauf bezogen, was ich hier im Forum bereits las. Du wirst mir hoffentlich zustimmen, wenn ich mich auf diverse Äußerungen von Schamanen hier im Forum berufe, die sich über Schamanen die keine sind negativ äußern.
OK. Dann sind wir uns im Wesentlichen einig.
Es wird sich wohl nicht jeder der Traumen erlebte als Schamane bezeichnen (auch wenn es manche tun), aber ich denke dass sich manche wohl spezielle Fähigkeiten zuschreiben. Damit meine ich im übrigen auch ganz grundlegend den Kontakt zu Geistern, der ansich bereits etwas Besonderes darzustellen scheint, weil "der Rest der Gesellschaft", von dem sich teilweise so vehemmt abgegrenzt wird, nicht dazu in der Lage ist. Hierbei rufe ich ebenfalls Delphiniums Posting ins Gedächtnis, dessen Beispiel mit den wohl inflationär auftretenden Zerstückelunen innerhalb der Szene, zum tragen kommt.
Nun ja ... wenn Du schreibst, "dass sich manche wohl spezielle Fähigkeiten zuschreiben", und zwar "ganz grundlegend den Kontakt zu Geistern", impliziert das, dass diese manchen das ohne Berechtigung tun. Dass manche von diesen manchen das in der Tat tun, darin dürften wir uns alle einig sein. Es wäre aber ein Fehlschluss anzunehmen, dass das nicht nur für manche, sondern für alle gilt. Ich nehme an, dass Du jetzt darauf hinweisen wirst, dass Deine Formulierungen das nicht hergeben. Granted; es kann nur zwischen den Zeilen gelesen werden. Ich möchte daher der Ausgewogenheit halber noch einmal explizit darauf hinweisen, dass es in der Tat Leute mit diesen "speziellen Fähigkeiten" gibt, unabhängig davon, ob sie sich die nun selbst zuschreiben oder ob - bedeutsamer Unterschied - sie ihnen von anderen zugeschrieben werden, aufgrund der Erfahrungen, die jene anderen damit gemacht haben. Noch einmal: ich nehme nicht an, dass Du das in Frage stellst. Ich möchte nur ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen.
In dieser Gesellschaft IST, leider, der Kontakt zu Geistern in der Tat etwas Besonderes, weil die "herrschende Meinung", wenn wir uns diesen wunderbaren juristischen Begriff einmal ausleihen wollen, das mangels der Existenz von Geistern tatsächlich für komplett unmöglich hält - und diese Sichtweise auch für so selbstverständlich hält, dass sie als gegeben vorausgesetzt wird. Es reicht, alle paar Monate etwa in der Süddeutschen im Feuilleton oder auf der Wissen-Seite auf Halbsätze zu stoßen, aus denen klar wird, dass der Autor, ohne auch nur darüber nachzudenken, die Tätigkeit von Schamanen (in welchem Kontext auch immer) oder ähnliche Dinge für Humbug hält. Hier prallen Weltbilder aufeinander, die nicht miteinander vereinbar sind, was dann eben auf beiden Seiten zu Abgrenzung führt. Ich verallgemeinere; es gibt auf beiden Seiten des Zauns durchaus auch Aufgeschlossene.
Nun gut. Soweit ich das im Forum eruieren konnte werden Stammtische, Kreise und diverse Treffen regelmäßig durchgeführt und beworben. Verknüpfungspunkte sind demnach durchaus vorhanden, teilweise wohl auch erwünscht. Auch wenn es dir und anderen nicht gefällt, ich sehe den Schamanismus als eigene Szene an und bin mir sehr sicher, dass ich weitaus mehr Gegenstimmen erhalten hätte, wenn ich ihn als Unterkategorie der esoterischen Szene bezeichnet hätte.
Moment, ich glaube nicht, dass ich gesagt habe, dass mir das nicht gefällt. Es ist eine Frage der Perspektive. Du schaust von außen und siehst "die Szene", die von außen mit Sicherheit auch eine solche ist. Die meisten hier Schreibenden schauen von innen und sehen nicht "die Szene", sondern die Vielfalt dort. Beide Sichtweisen sind berechtigt, und ebenso berechtigt ist es darauf hinzuweisen, dass es die jeweils andere Sichtweise auch noch gibt.
Das ist wie mit meinen amerikanischen Kunden: manche von denen schauen von außen auf Europa und begreifen gar nicht, dass sie es mit vielen verschiedenen Ländern zu tun haben (einer habe ich mal erklären wollen, die von ihr gesuchten Unterlagen lägen vermutlich im Archiv im hessischen Marburg; sie schreibt zurück: ich finde auf der Karte ein Maribor [das in der Tat früher Marburg hieß], meinst du das?). Andersherum ist mir erst bei einem Besuch drüben klargeworden, wie groß allein schon Kalifornien ist. Auf der Karte sah das immer so klein aus.
Für einen Außenstehenden, wie mich, bleibt allerdings ein Problem bestehen: Die Grenze zwischen diesen Subszenen ist, zumindest für mich, nicht klar ersichtlich. Ich vermute sogar, dass nicht nur ich dieses Problem habe, sondern auch manche Mitglieder dieser Subszenen. Wie soll es hierbei Hilfesuchenden ergehen?
Berechtigte Frage. Allerdings sind diese "Subszenen" vor allem im Rahmen der von mir beschriebenen zweiten Kategorie (Leute, die für sich selber schamanisieren) relevant. Diejenigen, die Hilfe suchen, werden genau das tun, was sie auch tun würden, wenn sie, keine Ahnung, einen Laden für spezielles Fischereizubehör suchen: im Internet gucken. Die eine Webseite mag einem dann sympathisch sein, die andere nicht, mit dem einen oder anderen mag man dann telefonieren, der eine mag dann in Frage kommen, der andere nicht. Der Rest klärt sich bei der persönlichen Begegnung. Geht gar nicht anders.
LG
wolfswald