"Wir haben von alledem nichts gewusst!"

Ruhepol, ich HÖRE in mir noch meinen Großvater und seinen (einzigen) Gefühlsausbruch zu dem Thema "habe von alledem nichts gewußt". Als einst einmal ein anschließend zum Bundespräsidenten gewählter Herr im Fernsehen seine wohlüberlegte Gedächtnislücke mit diesem Satz präsentierte.

Mein Großvater sprang auf und brüllte außer sich vor Zorn "Wos wü mir der dazöhn - er hod nix gwußt - DER???? Mir olle mir klan Schipsln beim Militär hams gwußt, ganz genau hammas gwußt, wos do passiert - und der woa ana von de Obastn - und der hod nix gwußt???????"...

Es gereicht meinem Großvater zur Ehre - er hat es wenigstens nicht verdrängt und verleugnet. Meine Oma hat es einmal ganz leise ausgesprochen. Natürlich haben sie alle gewußt, wohin die Nachbarn gebracht worden sind von den finster guckenden Herrn in den Hemden mit der grauslichen Farbe. Das ganze Haus hats gewußt, daß sie die nicht wiedersehn werden. Nette Leute waren es, es hat mir schon leid getan, sagte die Oma, aber was hätte ich denn machen sollen...

Aber ich finde, unsere Generation (bin Baujahr 1960) darf es halt auch niemandem zum Vorwurf machen, daß er damals niemanden versteckt hat, sondern angstvoll den Kopf eingezogen. Eine alte Wiener Schauspielerin hat mir einmal erzählt, wie schnell man damals an der Wand gestanden ist. Sie hat es zweimal erlebt, daß im Hausflur einer niedergeknallt wurde von den Braunhemden. Nur weil der Betreffende raus wollte aus der Propaganda-Maschinerie, in die er sich hatte reinziehen lassen. Das waren junge Männer, die hatten Frauen und Kinder... die alte Dame meinte, sie könne jeden verstehen, der damals aus Angst geschwiegen hat.

Daß ich dennoch wünschte, meine Vorfahren hätten ... anstatt ... - das steht auf einem anderen Blatt. Aber vor allen Dingen finde ich es wichtig, daß wir Heutigen nicht in den alten Rechtfertigungskisten wühlen. Nein, es war nicht mutig, geschwiegen zu haben, das kann ich sagen, auch ohne wen zu verurteilen.

Nachdenklich
Kinnaree

Hätten...würden wir denn?
Selbst unter den heutigen Umständen...wer würde schon freiwillig seine gesundheit riskieren und gegen einen Trupp gröhlender Nazis angehen...nur verbal...geschweige denn dazwischengehen, wenn die einen Juden/Türken/Afrikaner verprügeln...obwohl das Gesetz u.U. auf der Seite des Helden wäre...damals wäre dieser held auf jeden Fall weggeschafft worden...einfach verschwunden...oder während des Krieges auch sehr beliebt...mal eben an dieFront geschickt worden...wieviele Flieger der deutschen sind denn plötzlich mit der Kiste abgeschmiert...teils Selbsmord, weil Repressalien drohten..teils gar gar nicht abgestürzt, sondern einfach um die Ecke gebracht worden, weil sie aufmüpfig wurden...für die Öffentlich keit wurde der Heldentod gestorben.
Wenn man schon diese Leute beseitigen konnte...um wievieles einfacher konnte da ein normaler Bürger verschwinden...
Und die Schmach über die eigenen Feigkeit...um sie zu ertragen...wandelt sich in "wir haben nix gewußt...das war doch alles gar nicht so schlimm..."

Sage
 
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Ich glaube nicht dass eine ganze Generation eine Taetergeneration sein kann.
Dein Blick ist da doch sehr undifferenziert. :o Und du tust Menschen damit unrecht die sich sehr wohl gewehrt haben.

Oder, um es jetzt mal ganz provokativ zu sagen, sind alle israelischen Soldaten eine "Taeter- und Wegsehergeneration" wegen Sabra und Schatila? :o



mir ist sehr wohl bekannt, "das nicht alle mörder waren", schlieslich habe ich auch überleben können als kind und ich kenne auch andere überlebende!

du bist mit israel keines falls provokativ - sondern schlitweg nur *****! genauso ***** wie alle andere, die immer dieses "argument" bringen, wenn es um die shoah geht...

(um das verstehen zu können, was in irael passiert, müssters du dich viel mit der geschichte beschäftigen, vile lesen...und noch mehr hirnschmalz verbrennen - das ist aber hier nicht das thema, was in israel passiert!!!)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aber ich muss jetzt mal loswerden, was mein Mann mir gerade erzählte. Ein befreundeter Pfarrer hat ihm heute Nachmittag erzählt, dass Unbekannte den Schaukasten an seiner Kirche geöffnet und ein Plakat mit diffamierendem Text gegen Sinti und Roma hinein gehängt haben. Mit Schlagworten aus "Stammtischgesprächen" gespickt.......passt ja ganz gut zur derzeitigen Einwanderungsdiskussion und findet im "offiziellen" Kasten einer Kirchengemeinde sicherlich genügend Aufmerksamkeit.
Und was macht der Mann? Anstatt die Polzei zu rufen oder wenigstens ein Foto zu machen ist er entsetzt und entfernt das Plakat schnellstens. Ich finde es so wichtig, dass solche Aktionen öffentlich verurteilt werden und als Pfarrer hätte er dazu die Gelegenheit gehabt. Das mag wie eine Kleingkeit klingen, aber "wehret den Anfängen" ist einfach wichtig.

Alles Gute



shalom blaugeist.


es ist sehr bedaurlich, dass diese "vorfälle" immer wieder gibt...wundern tut es mich schon lange nicht mehr und deswegen schreibe ich auch immer wieder darüber... du müsstest lesen, welche "leserbrife" in der lockalzeitung meines wohnortes zu thema wieder gibt..."ich kann nicht so viel essen....". die nachkommen der täter sind wieder unter uns, das ist fakt. es ist auch fakt, dass ca ein Viertel der deutsche bevölkerung ausländerfeindliche und nazistische gedanken hegt und pflegt.

so lange ich lebe, werde ich nicht dartüber schweigen.


shimon
 
Juden waren eine Minderheit und Homosexuelle haben sich damals natürlich nie geoutet.
Meine beiden Omas und mein Opa kannten keine Juden,auch nicht aus der Nachbarschaft und kannten keine Homosexuellen oder Sinti und Roma.
Von daher konnten sie garnichts von alldem gewusst haben.




shattenElf,

die juden waren eine sehr zahlreiche minderheit in deutschland. in meine heutigen umgebung, rundum witzenhausen, gibt es viele kleine orte, wo früher übeall ein synagoge stand und juden gelebt haben... nicht viele aber immerhin genug um eine gemeide zu bilden deren anzahl 10 männer sein müssen... alle dies juden sind spurlos verschwunden, oft auch die synagogen und friedhof... hier in witzenhausen hat jeder und jede "die" juden gekannt, schliesslich sind die kinder in die selbe schulen gegangen und und die juden waren zum beispiel vieh händler...und die bauer haben siesie gekannt.
 
Hoppla, was ist bei dir denn kaputt? :o

Du hast meinen Beitrag glaube ich nicht verstanden :)
Mit Sabra und Schatila wollte ich ausdruecken, dass die Verurteilung einer ganzen Generation nicht moeglich ist. Man muss das diffeenzierter sehen.

Fuer mich waere es einfach zu sagen "die Deutschen", "die Taetergeneration", weil ich Niederlaender bin. Aber das tue ich nicht.




wenn du niederländer bist,


solltest du dich gerade nicht so **** ässern, schliesslich sehr viele niederländer haben die jüdischen diamntenschleifer aus amsterdam nach der einmarsch deutschen nach holland, gerette haben...israel ist nnicht unser thema!


shimon
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
stolpersteiner finde ich persönlich sehr gut - in der stadt, wo ich heite lebe wurden die steine schlichtweg (vor allem von cdu und spd!) abgelehnt. wir haben zwar an den heusern erinnerungstafeln, aber keine stolperstein...

"zug der erinnerungen" ist auc h ein gute lösung.


die pflege des jüdischen friedhofes ist normalerweise die sache der jüdischer gemeinde. wo es nach der shoah keine gemende mehr gibt, sollte schon die gemende die friedhöfe pflegen. in der stadt, in der ich lebe, wird der friedhof von der stadt in ordnung gehnalten und gepflegt.




shimon

In Wien gibts vor Häusern, in denen jüdische Bürger gelebt haben, am Gehsteig kleine Messingplaketten, mit eingravierten Namen der Opfer des Naziregimes.

Gestern war ich im 6ten Bezirk in Wien, unterwegs, ging nach dem Gürtel über die Gumpendorferstrasse, dort sind vorm
Haus einer Burschenschaft

http://olympia.burschenschaft.at/

Plaketen angebracht, die Namen sind verwischt.

Der zusätzliche Nachteil der Gehsteiglage: die Namen sind nicht leicht ablesbar und man rutscht, kann drauf ausrutschen.

Ich ging weiter, in die Mollardgasse - dort befindet sich Gebäude einer Berufsschule. Die Plaketen mit Namen der jüdischen Schüler, die im 2ten Weltkrieg ihr Leben verloren haben, wurden an der Hauswand beim Eingangstor befestigt. Diese Lösung finde ich viel gescheiter.
 
Es gibt mehr Kriege auf dem Planeten, als zur damaligen Zeit.
Es geschieht unvorstellbares Leid, jede Sekunde. Wir rauben den Planeten aus, zerstören ihn, missachten das Leben, auch in unserem Gegenüber und wir haben von all dem nichts gewusst? Es ist doch immer noch das gleiche Thema!
 
In Wien gibts vor Häusern, in denen jüdische Bürger gelebt haben, am Gehsteig kleine Messingplaketten, mit eingravierten Namen der Opfer des Naziregimes.

Gestern war ich im 6ten Bezirk in Wien, unterwegs, ging nach dem Gürtel über die Gumpendorferstrasse, dort sind vorm
Haus einer Burschenschaft

http://olympia.burschenschaft.at/

Plaketen angebracht, die Namen sind verwischt.

Der zusätzliche Nachteil der Gehsteiglage: die Namen sind nicht leicht ablesbar und man rutscht, kann drauf ausrutschen.

Ich ging weiter, in die Mollardgasse - dort befindet sich Gebäude einer Berufsschule. Die Plaketen mit Namen der jüdischen Schüler, die im 2ten Weltkrieg ihr Leben verloren haben, wurden an der Hauswand beim Eingangstor befestigt. Diese Lösung finde ich viel gescheiter.




es freut mich ausserordentlich, dass auch die wiener lernfähig geworden sind. ich habe etwa zwischen mein 18 und 30 lebensjahr in wien gelebt... damals waren die wiener noch ganz anders darauf...(wenn dich interssiert: höre von herrn qualtinger "den herr karl" an...es gibt bei www.yotube)


shimon
 
Ruhepol #57
Wieso glaubst du deiner Oma nicht? Wo und wie hat sie gelebt, dass du unterstellst sie hätte wissen müssen, was mit den Menschen geschieht?
Sie haben die Juden vor Deportation versteckt, haben ja erlebt, dass sie verschleppt werden und nicht mehr auftauchen. Man hat sie ja auch noch einige Sachen packen lassen, so als ginge es nur vorübergehend irgendwohin, wo sie dann auch Kleidung etc. benötigen. Woraus hätten z. B. Nachbarn/Freunde schließen sollen, dass sie nicht in ein Arbeitslager gebracht werden, sondern direkt in die Gaskammer? Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, dass Menschen andere Menschen vergasen/töten, nur weil sie einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören.
Ich finde es hanebüchen einem gesamten Volk zu unterstellen es hätte gewusst was da passiert und ihm (dem gesamten Volk), sowie seinen Nachkommen, über Generationen die volle Verantwortung dafür zuzuschieben.

Es ist für mich nicht die Frage, ob die Bevölkerung Details von Gräuel, Verfolgung und Tötung wusste. Aber dass während des Erstarkens der Nationalsozialisten und in der Zeit des Hilter-Regimes die Menschen in Österreich und Deutschland die Demütigung, Verfolgung und später auch das Verschwinden „unliebsamer“ Mitbürger mitbekommen haben sehe ich als gegeben.
Zu viele Berichte von Zeitzeugen, Beschreibungen von fast täglichen Ereignissen (Demütigungen, Übergriffe, Enteignung, Abtransport, Niederbrennen od. Verwüsten jüdisch-religiöser, aber auch politischer Einrichtungen…) und Hetzberichten, Gemeindeprotokollen uvm. machen es mir unmöglich, das Gegenteil anzunehmen. Von den Radioübertragungen der Ansprachen Hitlers, Goebbels und Konsorten ganz zu schweigen.

Ich sehe mich auch nicht in der Rolle einer Richterin über die damals lebenden Generationen und deren Umgang mit diesem (sehr wahrscheinlich vorhandenen) Wissen. Zumal ich mir nicht anmaßen möchte anzunehmen, es unter ähnlichen Umständen nicht ähnlich an Courage fehlen zu lassen (in unserer Phantasie sind wir ja oft heldenhaft, aber ob ich der Realität standhalten könnte?).

Was mich erschüttert ist der vielerorts heutig anzutreffende Umgang mit diesem Wissen. Sowohl von der Kriegs-, aber vor allem von der Nachkriegsgeneration einschließlich vieler heutiger junger Erwachsener.
Es würde auch mein Lebensbild von mir zerstören, über mein eigenes Handeln irgendwann sagen zu müssen „ich habe es gesehen / gewusst, aber ich habe nichts dagegen getan“.
Dass vielen (den meisten?) Österreichern und Deutschen der Kriegsgeneration ein solches Eingeständnis schwer fällt, ist mir klar (und wie gesagt, gehe ich nicht davon aus, in dieser Situation automatisch zu besserem Handeln fähig zu sein).
Das was mich aber wirklich verstört, ist der Umstand, dass auch heutige (junge) Erwachsene, trotz all des Wissens (nämlich darüber, wie alltäglich und verbreitet Gräuel gegen Mitbürger waren und wie verbreitet und zugänglich diese Informationen waren) nach wie vor diese Schutzbehauptungen verteidigen.

Oder die eigenartige Tendenz, die damaligen Gräueltaten gegen spätere Vergehen und Repressalien aufzuwiegen (so nach dem Motto: was wollen die Juden jetzt noch, die führen sich in Israel gegen die Palästinenser auch nicht fein auf…).
Oder der Hinweis auf die Verluste der deutschstämmigen Aussiedler. So dramatisch der Verlust der früheren Heimat und so schwer der spätere Neubeginn war, die Aussiedler wurden NICHT gequält, verfolgt, ermordet, mussten sich nicht in Lagern zu Tode schuften, man ließ sie nicht verhungern oder missbrauchte sie gar als Versuchskaninchen.
Diese Vorgänge können (bei aller Dramatik) NICHTmit den Nazi-Verbrechen aufgewogen werden od. gar diese in einem „milderem“ Licht erscheinen lassen.

Ich sehe auch (und die anderen „Nachgeborenen“) nicht als schuldig an den damaligen Verbrechen, aber sehr wohl in der Verantwortung für ehrliche Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit.

Es gibt sehr gute Literatur, die sich mit den verschiedensten Aspekten der Zeit vor und während des 2. WK auseinander setzt.
Sebastian Haffner - Geschichte eines Deutschen
Ludwig Laher – Herzfleischentartung
Jorge Semprun – Die große Reise
Winfried Bruckner – Damals war ich 14
Hannah Arendt – Eichmann in Jerusalem
- Eichmann war von empörender Dummheit
- Über den Totalitarismus
Fenia Fenelon - Das Mädchenorchester in Auschwitz
 
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es freut mich ausserordentlich, dass auch die wiener lernfähig geworden sind. ich habe etwa zwischen mein 18 und 30 lebensjahr in wien gelebt... damals waren die wiener noch ganz anders darauf...(wenn dich interssiert: höre von herrn qualtinger "den herr karl" an...es gibt bei www.yotube)


shimon

danke schön für den Hinweis, habe youtubeLink schon mehrmals verlinkt, u.a. in meinem Musikthread.

Die Wiener haben sich noch am Ende des 20ten Jahrhunderts (vor mehr als 20 Jahren ?, muß mich genau informieren) für diese Form der Erinnerung entschieden, die Plaketten sind aus Gold, hab zuerst nicht richtige Angabe geliefert.

http://www.stadtbekannt.at/de/magazin/kultur/buchrezension_--j_disches-wien---entdeckungsreisen.html
 
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