lazpel
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Hallo,
und noch ein paar sehr interessante Informationen zur Familienaufstellung und Hellinger:
Psychologie Heute 03/2003, Seite 28, Rubrik: Therapie und Politik, Autor: Klaus Weber
Titel: Die Schuld der Eltern geht die Kinder nichts an!
Und DIE ZEIT vom 21.08.2003 schreibt in dem Artikel "Da sitzt das kalte Herz! "
Eine Familientherapie, die ihre Basis in der nationalsozialistischen Ideologie hat .. Ich frage mich wirklich, was dieser abartige unmenschliche Psycho-Kult in einem Esoterik-Forum zu suchen hat, in welchem die Menschen vor allem Selbsterkenntnis suchen, und sich sicherlich nicht durch faschistoide Pseudo-Therapie-Formen mit Vulgärpsychologie von ihren Problemen befreien wollen..
Gruß,
lazpel
und noch ein paar sehr interessante Informationen zur Familienaufstellung und Hellinger:
Psychologie Heute 03/2003, Seite 28, Rubrik: Therapie und Politik, Autor: Klaus Weber
Titel: Die Schuld der Eltern geht die Kinder nichts an!
Psychologie heute schrieb:Das Familienaufstellen a la Hellinger ist in Mode. Geflissentlich wird dabei uebersehen, auf welchen Grundannahmen diese Therapieform gruendet. Hellinger bedient sich ungeniert der Ideologie des Groeaz, des groessten Aufstellers aller Zeiten: Wer sich nicht den Ordnungen von Familie, Volksgemeinschaft und Heimat unterwirft, muss sich nicht wundern, wenn er krank wird. Auch die Nazis handelten nur im Auftrag eines groesseren Ganzen, dessen Sinn wir nicht begreifen
Bert Hellingers Popularitaet waechst. Seine Buecher und Videokassetten verkaufen sich blendend, und seine Familienaufstellungen sind weltweit psychotherapeutische Events. Hellingers Zielvorstellung menschlichen Zusammenlebens ist Versoehnung und Harmonie. Dazu gehoert auch sein eigenwilliger Umgang mit der Nazizeit. Sein Credo der Erinnerungspolitik heisst, dass die Kinder vergessen sollen, was ihre Eltern gemacht haben: Die Schuld der Eltern geht die Kinder nichts an. Die Loesung fuer das Kind ist das Vergessen (Literaturverweis 2, S. 116).
Fuer diejenigen, die Erinnerung nicht als Versoehnungsgeste fuer Taeter und Opfer, sondern als Befreiungsprojekt verstehen wollen, hat Hellinger kein Verstaendnis. Ihre Anstrengungen, die gesellschaftlichen Strukturen und die Motive der Akteure von damals zu analysieren, um Gefaehrdungen der heutigen Gesellschaft besser verstehen und bekaempfen zu koennen, werden pathologisiert und mit Motiven faschistischer Taeter auf eine Stufe gestellt: Immer, wo einer sich gerecht fuehlt oder fuer eine gerechte Sache streitet, hat er ein uebernommenes Gefuehl. Dann werden die Entruesteten boese, massen sich an, sie haetten groessere Rechte als andere, und fuehlen sich ueberlegen, wie frueher die Taeter (2, S. 130). Fuer Hellinger, der sich damit bruestet, von Politik nichts zu verstehen (3, S. 55), sind Widerstandskaempfer demgemaess dasselbe wie deutsche Besatzungssoldaten.
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Das therapeutische Projekt Hellingers besteht darin, Erinnerung an und Nachdenken ueber Vergangenes sei es als kollektives Geschichtsbewusstsein oder als individuelles Vermoegen zu denunzieren. An deren Stelle steht das Vergessen als einzig moegliche Form der Versoehnung.
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Mit dieser ideologischen Anordnung werden juedische Opfer des deutschen Faschismus einerseits fuer ihr Leiden und ihren Tod selbst verantwortlich gemacht. Denn die Tatsache, dass sie leiden mussten oder ermordet wurden, ist in Hellingers Denksystem ein Hinweis darauf, dass sie aus einer vorgegebenen Ordnung ausgebrochen sein muessen. Andererseits werden die faschistischen Taeter und deren Taten verharmlost und gerechtfertigt, da sie innerhalb eines groesseren Rahmens geschahen, dessen guten und grossen Sinn wir erst in Zukunft erkennen koennen.
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Davon abgesehen, dass das Buch von Hitlers Freund August Kubizek erst im Jahr 1953 geschrieben wurde und von ernsthaften Historikern als nachtraegliche Montage Kubizeks zu Hitlers Wahnvorstellungen betrachtet wird (4, S. 765), uebernimmt Hellinger ungeprueft die ideologischen Inhalte der Hitlerschen Selbstdarstellung, die von fruehen Visionen und Schicksalsfuegungen erzaehlt, welche seinen Weg vorherbestimmt haetten.
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Die Verehrung Adolf Hitlers geht einher mit einem kaum verhuellten Antisemitismus. So nennt Hellinger Kinder mit einer juedischen Mutter oder einem juedischen Vater Halbjuden (2, S. 209, S. 306) und verwendet damit den Begriff, den die Nazis 1935 durch die 1. Verordnung zum Reichsbuergergesetz allen Mischlingen ersten Grades gaben. In Hellingers Kommentaren zu Familienaufstellungen wird zwar behauptet, den juedischen Opfern werde eine ganz tiefe Achtung (2, S. 164) entgegengebracht, die diese auch verdient haetten. Diese postulierte Achtung wird jedoch durch die Aufstellungen selbst entlarvt. So wird ein deutscher Grossvater entlastet, indem der Tod der von ihm erschossenen zehn juedischen Kinder als etwas Unpersoenliches verkuendet wird, hinter dem etwas Groesseres ist, das man wuerdigen muesse.
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Hinweis zu den Quellen:
Literatur
* (1) Ernst Bloch: Erbschaft dieser Zeit. Suhrkamp, Frankfurt 1962
* (2) Bert Hellinger: Der Abschied. Nachkommen von Taetern und Opfern stellen ihre Familien. Carl-Auer-Systeme, Heidelberg 2001
* (3) Harald Hohnen, Bertold Ulsamer (Hg.): Mit der Seele reden. Gespraeche mit Bert Hellinger. Herder, Freiburg 2001
* (4) Ian Kershaw: Hitler. 18891936. DVA, Stuttgart 1998
Klaus Weber, geb. 1960, Dr. phil., Professor fuer Psychologie an der FH Frankfurt, Gastprofessor an der Universitaet Innsbruck. Arbeiten zur Psychologiegeschichte, Faschismus und Psychologie, Theorien von Subjektivitaet. Veroeffentlichungen: Rechte Maenner (2001), Hamburg. Psychologie. Ein Grundkurs (2001, gemeinsam mit Heiner Keupp), Reinbek.
Die Beitraege von Klaus Weber und Heiner Keupp erscheinen in dem Sammelband Der Wille zum Schicksal. Die Heilslehre des Bert Hellinger (Ueberreuter Verlag, 2003).
Und DIE ZEIT vom 21.08.2003 schreibt in dem Artikel "Da sitzt das kalte Herz! "
DIE ZEIT schrieb:Ein Schrei gellt durch die Arena. Dann sinkt die blonde Frau auf der hell erleuchteten Buehne zu Boden. Wimmernd robbt sie auf den Knien, umklammert die Beine einer anderen. Den 2400 Besuchern in der prall gefuellten Halle stockt der Atem. Wer ganz hinten sitzt, starrt auf die zwei grossen Leinwaende links und rechts der Buehne, wo alles noch schoener und groesser zu sehen ist, live und in Farbe. Es ist wie im Kino!, wird eine Zuschauerin spaeter sagen, und am Ende gibt es immer gute UEberraschungen. Am Ende ist erst einmal die blonde Frau auf der Buehne. Sie bruellt, sie windet sich, schluchzt. Hilfe!, bricht es aus ihr hervor. Ich brauche Hilfe
[...]
Doch inwiefern und ob ueberhaupt die Aufstellungen zu solchen Heilungen beigetragen haben, das ist wissenschaftlich noch gar nicht untersucht und daher voellig ungeklaert, meint Fritz Simon. Seit Jahren beobachtet der Familientherapeut die Arbeit von Bert Hellinger und der stetig wachsenden Schar seiner Nachahmer mit kritischem Interesse. Er kennt die vielen Lehrvideos und Buecher, in denen Hellingers Anhaenger so ziemlich jede Aufstellung des Meisters akribisch dokumentiert haben. Auf eine UEberpruefung der Ergebnisse und Langzeitfolgen wartet die Fachwelt bis heute vergeblich. Es werden auch Menschen dadurch geheilt, dass sie ein wichtiges Gespraech an der Strassenbahnhaltestelle gefuehrt haben, gibt Simon zu bedenken. Erzeugen die Aufstellungen nur einen gruppendynamischen Placebo-Effekt nach dem Motto: Wenn man es glaubt, ist es noch schoener?
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In der Aufstellung zeigt sich die Aufstellung, sagt Fritz B. Simon. Alles andere ist die Deutung, die Hellinger konstruiert und sagt: ,Aha! Da isses! An wissende Felder moechte der Berliner Psychiater nicht recht glauben, selbst wenn ich diese Erfahrungen der Beteiligten ernst nehme. Heftige Erlebnisse in gruppendynamischen Prozessen und Rollenspielen sind in der systemischen Familientherapie schon lange bekannt. Simon kritisiert, dass in der Hellinger-Szene nicht getrennt werde zwischen dem Phaenomen der intensiven Erfahrungen und den daraus folgenden Erklaerungen des Aufstellers.
[...]
Und mit solchen traumatischen Erfahrungen werden die Patienten nach der Aufstellung allein gelassen. Jacqueline von Manteuffel ist sauer. Immer wieder hat die Stuttgarter Diplompsychologin mit Patientinnen zu tun, die nach so einem Wochenendseminar voellig durch den Wind waren. Aufsteller nach Hellinger gingen einmal mit dem Quirl durch die Sosse, und wenn die Patienten am Ende seelisch zerstoert seien, muessten sich ausgebildetete Psychologen um Hellingers ehemalige Klienten kuemmern. Warum eigentlich, fragt sich die Psychologin, soll die Krankenkasse die aufwaendige Nachbehandlung zahlen muessen und nicht Bert Hellinger? Sexuelle Missbrauchserfahrungen in 30-minuetigen Familienaufstellungen kurieren zu wollen ist in Manteuffels Augen eine Zumutung. Da bekomm ich eine Gaensehaut! Eine therapeutische Intervention dieser Art bedeute eine zweite UEbergriffserfahrung fuer die Klientin mit teilweise verheerenden Folgen.
Eine Familientherapie, die ihre Basis in der nationalsozialistischen Ideologie hat .. Ich frage mich wirklich, was dieser abartige unmenschliche Psycho-Kult in einem Esoterik-Forum zu suchen hat, in welchem die Menschen vor allem Selbsterkenntnis suchen, und sich sicherlich nicht durch faschistoide Pseudo-Therapie-Formen mit Vulgärpsychologie von ihren Problemen befreien wollen..
Gruß,
lazpel