"Wer ist ein Antisemit?"

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Ja, diese Menschen wurden umgebracht. Das stimmt. Und wielange und bis in die wievielte Generation müssen wir deswegen heulen?

Lies doch einmal die Bücher von Juden aus dieser Zeit und dann überlege, welches Schicksal ihnen widerfuhr,und wie ihre Zeilen noch heute zu uns sprechen. Wenn Du Dich wirklich mit diesen Schicksalen beschäftigst und ihre Gedanken und Gefühle liest und Dich davon berühren lässt, dann kann es keinen Zeitpunkt geben, wo diese Menschen nicht fehlen, sie fehlen in der heutigen Gesellschaft, sie und die Nachkommen, die sie gehabt hätten, die aber nie geboren wurden, weil ganze Generationen einfach ausgelöscht wurden, sogar Babys wurden mitvergast! Wären das Deine Vorfahren gewesen, Deine Großeltern, würde es Dich heute nicht geben oder Du würdest auch heute noch um sie trauern, wenn Du sie gekannt oder von ihnen gehört hättest. Dass Du das als "Heulen" bezeichnest, zeigt, wie wenig es Dich berührt hat, was mit diesen Menschen geschehen war, welch ungeheures Leid ihnen widerfuhr, schlimmer als die Hölle im Mittelalter ausgemalt wurde.

Das hat nichts mit dem Leid anderer Bevölkerungsgruppen zu tun, auch sie waren wertvolle Menschen, deren Schicksal ebenso wenig vergessen werden soll.
 
Werbung:
Ja, diese Menschen wurden umgebracht. Das stimmt. Und wielange und bis in die wievielte Generation müssen wir deswegen heulen?
Das ist so eine Sache. Ich habe in meinem Leben deshalb keine einzige Träne vergossen (und habe es auch nicht vor, denn trauern kann ich nur um persönliche Freunde und Verwandte) und niemand hat jemals auch nur versucht, mich dafür zu bestrafen. Als ich meine antisemitische Phase hatte, war mir der Applaus der Mehrheit sicher, und die paar Einzelpersonen, die dagegen argumentierten (hier im Forum war das v.a. Bulldackel), wurden rausgebrüllt, sobald sie erschienen. Seitdem ich Israel nicht mehr verteufele, kann ich mich praktisch nicht mehr öffentlich dazu äußern, ohne die Mehrheit gegen mich aufzubringen.

Wenn nun deinesgleichen daherkommt und beklagt, es gebe einen Zwang, für den Holocaust zu büßen und man dürfe in Deutschland nichts gegen Israel sagen, dann wird mir bewusst, dass man die einzige "Kritik", die in Deutschland strafrechtlich relevant ist, "Juden ins Gas!" lautet. Dies im Hinterkopf, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder du möchtest eigentlich so etwas sagen oder dir geht es wie mir früher auch und du glaubst tatsächlich an den Büßzwang. Trifft Letzteres zu, besteht noch Hoffnung, dass du diese deutsche Kollektivpsychose als solche erkennst. Sollte dies geschehen, wirst du auch verstehen, warum ich darauf verzichte, deine Auslassungen zu respektieren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die Frage ist doch: wann ist man Antijüdisch? Ich z.B. bin auch eher pro-israelisch eingestellt und stehe damit meist sehr alleine. Und ich betrachte die Hetze, die teilweise gegen Israel betrieben wird (ich erinnere mich an diverse Aufrufe, "nicht beim Juden zu kaufen" z.B. - das hatten wir alles schon mal) sehr kritisch und mit ein wenig Magenschmerzen. Auch das, was ich teilweise von muslimischen Mitbürgern höre, treibt mir die Tränen in die Augen - Juden? Das sind doch alles Schweine....macht mich wütend.

Aber ich denke, Kritik zu üben an israelischer Politik, macht generell keinen Judenfeind. Ich würde niemandem aufgrund einer kritischen Einstellung dazu eine Feindlichkeit unterstellen. Und das scheint mir auch völlig übertrieben. Selbst Ablehnung ist für mich kein Indikator für den Wunsch nach Genozid (wie hier ja suggeriert wurde vom TE). Und ja, ich denke, es gibt diesen "Bußzwang" und ich für mich persönlich beuge mich dem nicht - denn ich vermisse eine sachliche Betrachtungsweise dabei und sehe auch mit ständiger Asche auf meinem Haupt ob meiner Nationalität keinerlei Gewinn für eine Lösung der Problematik. Nichtsdestotrotz halte ich ein wehret den Anfängen für wichtig - aber durch Maulkorb und ewigliche Ermahnung halte ich die Entstehung von gewaltigem Frust irgendwann für wahrscheinlicher. Und welche Früchte solch ein Nährboden tragen kann, ist hinlänglich bekannt.
 
Es geht nicht um Buße, sondern um Einfühlungsvermögen und Wertschätzung des Lebens, eigentlich sollte das selbstverständlich sein.
 
Es geht nicht um Buße, sondern um Einfühlungsvermögen und Wertschätzung des Lebens, eigentlich sollte das selbstverständlich sein.


Das stelle ich auch nicht in Abrede. Ich allerdings habe recht oft mit jeglicher Coleur von Menschen zu tun und bemerke dort immer wieder, wie oft zu Unrecht unterstellt wird oder welcher Beißzwang herrscht, wenn es um dieses Thema geht. Das zum Beispiel jegliche Kritik an Israel (wie gesagt, ich falle da eher raus) Mitdiskutierende sofort zum Schwingen der Nazikeule animiert. Wie oft Diskussionen über Migration und damit verbundene Probleme abgewürgt werden mit "du bist wohl 1933 hängengeblieben". Ich meine damit, dass oft sachliche Auseinandersetzung mit diesen Themen kaum gegebeben ist, das Kritik mit Hass und Feindlichkeit gleichgesetzt wird - man hat ja eine "Erbschuld".
 
Das mag sein, wenn jemand bei diesem Thema auf der Sachebene bleibt und sich nicht wirklich einlässt auf die menschlichen Schicksale, die dahinterstehen. Und klar geht es auch um das Leid eines hungernden Kindes in der Dritten Welt, auch das sollte eigentlich echte menschliche Anteilnahme auslösen. Was Israel betrifft, herrscht enorm viel Unwissen über die wirklichen Umstände in Israel. Es wird extrem schwarz-weiß gezeichnet, weil man sich einfach nicht interessiert für die individuellen Schicksale und sich nicht einfühlt in die Situation des jeweils anderen.

Aber auch hier im Forum: Wer hat sich jemals eingefühlt in Shimon und seine Biografie, wirklich darüber nachgedacht, was ihn bewegt und beseelt? Es ist doch klar, dass die eigene Geschichte wie ein Brandmahl auf einem liegt und dies alles einfach gesagt werden muss, es auch eine persönliche Verpflichtung ist als Mitzeuge, es nicht durch die neuere Geschichte überdeckt werden darf, was auf derart greuelhafte Weise und in dieser riesigen Dimension in Deutschland und überhaupt Europa geschehen ist. Er ist 76 und wurde in dieser Zeit geboren, so wie meine Mutter, die auch noch einiges weiß. Die Zeugen sind noch nicht alle tot, es werden immer weniger, aber ihre Kinder wurden ebenso traumatisiert. Es ist zu simpel, das alles einfach ad acta legen zu wollen. Das ist nicht in Ordnung. Nicht bei der Größenordnung, von der wir sprechen.

Es gibt immer noch Nachkommen, die es nicht schaffen, die Konzentrationslager, wo ihre Verwandten vergast wurden, aufzusuchen und ihnen dort zu gedenken, weil allein schon der Ort sie in Panik versetzt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das stimmt schon. Auch ich habe traumatisierte Großeltern wegen des Krieges und ein Teil meiner Familie kam aufgrund ihrer Herkunft in den "Genuß" von Zwangssterilisation und auch Mord. Zwar nicht jüdisch, aber dennoch geschunden und verfolgt. Ich kenne das alles - nicht von mir, aber aus nächster Nähe. Ich kenne die Geschichten, die Tränen, das Leid.

Dennoch ist zur Beurteilung einer aktuellen Lage das Einzelschicksal nicht das Maß aller Dinge. Und es ist angesagt, nicht in der eigenen Perspektive hängenzubleiben, sondern ein Stück weit auch objektiv zu sehen. Sofern man lösungsorientiert vorgehen will.
 
Ich sehe Shimon ganz anders. Er hat Zivilcourage und wehrt sich, er lässt sich nicht mundtot machen. Und das im stolzen Alter von 76 Jahren. Er gibt all denen eine Stimme, die zum Schweigen gebracht wurden in den KZs. Er sagt die unbequeme Wahrheit, es geht einfach nicht, dass wir alle so tun, als hätte es Nazideutschland nie gegeben, als würde das heute keine Rolle mehr spielen und als hätten die Leute damals keine Wahl gehabt. Sie alle haben das getragen, was sie heute natürlich von sich weisen würden bzw. ihre Nachkommen, die teilweise wohl noch glauben, dass ihre Eltern nie dazugehört haben zu diesem Mob, aber das haben viele, nämlich die Mehrheit. Es wird heute alles extrem beschönigt und zu Tode geschwiegen und sogar verdreht. Das ist unglaublich respektlos gegenüber den Opfern. Es wurde ein Volk in der Größe der Schweizer Bevölkerung vergast. Denk mal drüber nach, was das bedeutet, ein ganzes Volk!

Was hat das mit Mut zu tun, in einem anonymen Forum zu schreiben?
Ich kenne Shimons Texte seit Jahren, daher hält sich meine Betroffenheit in Grenzen.
Stimmt man mit ihm überein, prima, wenn nicht wird er persönlich.
 
Werbung:
Lies doch einmal die Bücher von Juden aus dieser Zeit und dann überlege, welches Schicksal ihnen widerfuhr,und wie ihre Zeilen noch heute zu uns sprechen. Wenn Du Dich wirklich mit diesen Schicksalen beschäftigst und ihre Gedanken und Gefühle liest und Dich davon berühren lässt, dann kann es keinen Zeitpunkt geben, wo diese Menschen nicht fehlen, sie fehlen in der heutigen Gesellschaft, sie und die Nachkommen, die sie gehabt hätten, die aber nie geboren wurden, weil ganze Generationen einfach ausgelöscht wurden, sogar Babys wurden mitvergast! Wären das Deine Vorfahren gewesen, Deine Großeltern, würde es Dich heute nicht geben oder Du würdest auch heute noch um sie trauern, wenn Du sie gekannt oder von ihnen gehört hättest. Dass Du das als "Heulen" bezeichnest, zeigt, wie wenig es Dich berührt hat, was mit diesen Menschen geschehen war, welch ungeheures Leid ihnen widerfuhr, schlimmer als die Hölle im Mittelalter ausgemalt wurde.

Das hat nichts mit dem Leid anderer Bevölkerungsgruppen zu tun, auch sie waren wertvolle Menschen, deren Schicksal ebenso wenig vergessen werden soll.

Auf zdf info läuft jeden Tag etwas zum Thema.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben