Wenn ihr als Kind gehnselt worden seid...

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July schrieb:
Ich war immer schüchtern und darauf ritten die anderen rum. Die Schüchternheit habe ich ganz lang mit mir rumgetragen und ich empfand viele Dinge als Angriff.

Die Schüchternheit von mir hat mein Sohn leider geerbt. Er hat dadurch viele Nachteile, denn heutzutage zählen laute Menschen mit dem Drang, die Ellenbogen einzusetzen.

July
Das kenne ich, denn mir ging es ebenso. Wier mußten uns im Unterreicht melden und jeder, der eine Antwort gab hat einen Strich bekommen. Bei 10 Strichen gab es eine 1. Ich habe mich nie gemeldet, schon aus Prinzip nicht. Das Ende es Liedes bestand dann darin, dass ich eine mündliche Leistungskontrolle mehr hatte.
Aber gehänselt wurde ich zum Glück nie. Ich hatte immer Freunde und alle waren umgänglich.
Meine Freundin wurde gehänselt wegen ihrer roten Haare.
Meine Tochter ist leider genausoschüchtern, aber ich sage ihr nie, dass sie schüchtern ist und hoffe, das dieser Kelch des Wissens an ihr vorrüber geht.
 
pisces schrieb:
wie geht es euch damit heute?

es ist eine schlimme erfahrung, wenn man als kind ein wenig von der norm abweicht (moppelig, dünn, ängstlich, andere hautfarbe) und von anderen kindern wiederholt drangsaliert und gehänselt, sozusagen 'an den pranger' gestellt wird.

wie intensiv habt ihr das erlebt?
was für auswirkungen hatte oder hat diese erfahrung?

wäre interessant, zu wissen.

sonnige grüße aus dem hohen norden!

pisces
Wenn ich mich so erinnere (und ich wollte jetzt wirklich eine lange Geschichte erzählen, aber...) ... Ich habe mit blankem Entsetzen auf die Situationen gestarrt, in denen andere Kinder gequält wurden (von Kollegen, Lehrern,...) dann habe ich es verstanden; und habe dafür gesorgt, dass mir das nie passieren wird.
 
also ich war immer schüchtern und das Opfer, hatte nicht genug Selbstwertgefühl und kein Selbstbewußtsein, meist Außenseiter. Ich war an sich nicht unbeliebt, mein Verhalten war halt nicht ok.
Bin aber dann in der Ausbildung wach und selbstbewußt geworden und habe das Leben ergriffen. Mußte dann immer noch kämpfen aber habe nie aufgegeben und einiges erreicht. Muß mich auch immer mehr anstrengen als andere um dasselbe nur anders zu erreichen, aber ich bin sehr zäh und ehrgeizig. Trotzdem brauch ich meist noch ne Schutzhülle um mich rum, was sich aber auch bessern wird.
Ich habe viel Verständnis für andere entwickelt, gerade für die, die anders sind.



All das Leid, das wir erleben, kommt durch die Liebe, die wir zurückhalten.
 
Hallo East o.the sun und Ilsa,

geht es Euch auch heute noch so, dass Ihr Eure Schüchternheit überwinden müßt? Mir sind manche Situationen immer noch suspect. Z.B. gehe ich im Job nicht gerne in Büros, in denen mehrere Leute sitzen und sich unterhalten. Ich fühle mich dann extrem unwohl. Zwar tue ichs dann aber wenn ich könnte, würde ich weglaufen. Ganz merkwürdig. Dabei wirke ich auf alle die mich kennen äußerst selbstbewußt. Ich habe auch erst ein paar Leuten erzählt, dass mich dieses Schüchternheitsproblem ungemein belastet hat. Die haben mir das erst gar nicht abgenommen.
Die Schule war für mich auch Horror. Vor allem die Leute, die immer und ewig ihren Senf dazugaben. Mir war das auch zu blöd. Und die Kids die "lauthals mit den Fingern schnipsten" und dann noch riefen, ich weiß was, ich weiß was. Meine Güte habe ich die gehaßt.

Ich spreche meinen Sohn auch nicht auf seine Schüchternheit an, aber ich weiß, dass er dadurch Pobleme bekommen wird - in der Schule. Denn pädagogisch wertvoll wird mit diesen Kindern nicht umgegangen - dass weiß ich aus eigener Erfahrung.

Alles Liebe
July
 
Bei mir waren es die Worte "Brillenschlange" und "Streber", die mir während der Grundschulzeit zu schaffen machten.

Damals wurden noch nicht alle Sehfehler bei Kinder mit Sehhilfen korrigiert, so dass ich in meiner Klasse lange Zeit die einzige Brillenträgerin war. Und die Modelle damals... , lassen wir das. Im Vergleich zu heute waren die wirklich nicht schön.

Mich haben beide Hänseleien sehr gekränkt damals und belastet.

Richtig wohlgefühlt in der Schule habe ich mich dann erst später am Gymnasium (ab 9. Klasse), wo das Niveau der Klasse ein deutlich anderes war und ich mich endlich wie zu Hause fühlen konnte.

Bei meinen Kindern habe ich aufgepasst, dass sie Menschen nicht auf Äußerlichkeiten reduzieren. Und wenn sie mal gehänselt wurden, habe ich sie getröstet, was mir in meiner Kindheit von zu Hause sehr gefehlt hatte.
Wenn meine Eltern mehr auf meine Situation eingegangen wären, hätte ich sicher nicht so lange gelitten.

liebe Grüße, Romaschka
 
July schrieb:
geht es Euch auch heute noch so, dass Ihr Eure Schüchternheit überwinden müßt?
Oh ja, öfters, aber es wird immer besser, auch durch meine Kinder für die ich mich einfach überwinden muss.

Es gab Zeiten da fiel es mir schwer an einer Haltestelle mit vielen Leuten vorbeizugehen.
Jetzt bin ich eigentlich komunikativ und spreche auch mal fremde Menschen einfach so an.
Probleme habe ich ab und zu, wenn der Sandkasten voller Supermütter ist und man von oben bis unten gemustert wird.
Oder wenn viele Männer im Spiel sind. Ein Beispiel: ich arbeite am Theater und wenn ich in die Kantine komme und viele Techniker davor im Raucherbereich sitzen (ein Gang durch den man gehen muss) habe ich auch manchmal angst zu stolpern und weiß mit meinen Händen nicht so ganz wohin.:D

Aber ansonsten habe ich heute bedeutend mehr Selbstbewußtsein. :daisy:
 
interessant, was ihr für erfahrungen gemacht habt. und dass man folgen bis heute ins erwachsenenalter mit hineinträgt.

ich bin auf diese frage gekommen, weil ein verhalten eines anderen menschen, welches mich sehr verletzt hat, plötzlich die erinnerungen wieder hat aufleben lassen.

mir geht es genau so - ich bin ein schüchterner mensch und fühle mich als 'neuling' in gruppen ausgesprochen unwohl. habe allerdings einen beruf ergriffen, bei dem ich akquirieren muss. das fällt mir ausserordentlich schwer, wie ihr euch vorstellen könnt. und das hat auch schwerwiegende folgen für die zwischenmenschliche komponente gehabt. ich habe somit sehr früh das urvertrauen verloren und das ist ein riesenproblem.

ich bin von der ersten klasse bis zur 7. klasse massivst gehänselt und drangsaliert worden. auch körperlich angegriffen. ich warein sehr ängstlicher typ, was meine eltern gefördert haben. ich war immer ein wenig übergewichtig und habe ausgeprägt weibliche formen. natürlich ein gefundenes fressen für die mitschüler. die haben mir gern mal nach der schule aufgelauert, mich festgehalten und an verschiedene besonders ausgeprägte körperteile getreten, damit sie 'mal endlich dünner werden'.

dass man da kein selbstwertgefühl aufbauen kann, ist eigentlich kein wunder. mir geht es derzeit seelisch nicht besonders gut, habe probleme in der partnerschaft und auch beruflich läuft's nicht so, obwohl meine arbeit eigentlich eine richtig gute ist. eine eigene familie habe ich nicht gründen können.

ich bin derzeit auf der suche nach antworten, versuche zu rekonstruieren, wieso es mir so schlecht geht und das dann langsam aufzulösen. geht mal schlechter und mal besser. und meine eigenen strategien will ich auch durchleuchten. weil ich hab' ja mitgemacht.

das geht auch in richtung meiner eltern - die haben mir nicht geholfen, sondern immer nur wieder darauf bestanden, dass ich da durch muss. ich weiss allerdings nicht, inwieweit ich ihnen das vertrauen geschenkt habe. ich vermute, nicht, aber das ist für mich heute auch kein wunder mehr.

lg und danke für eure antworten.
pisces
 
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Liebe Pisces, ich wünsche Dir auf deinem Weg alles gute, lass Dich nicht untergriegen und hole alles hoch, was unter den Tisch gekehrt wurde.
Ich hoffe, du hast Hilfe.?
Wie leichtfertig man manchmal mit den Kindern umgeht und die tragen es als Erbe ein Leben lang mit sich rum.
Man sollte sehr aufpassen.
 
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