Energeia: Das Was, das Wie und das WIE des WIE - Zur Performativität des Spiegelns
Die Kommunikation zwischen Menschen verläuft so würden wir sagen normal oder verständigungsorientiert, wenn über Sachverhalte (Was) gesprochen wird: man tauscht sich aus, unternimmt es, die Perspektive anderer zu verstehen, schließt jeweils sachlich, thematisch mehr oder weniger stringent am WAS (Gesagten) an manchmal eher kritisch, diskutierend, manchmal einfach nachvollziehend oder bejahend. Wir nehmen eine Teilnehmerperspektive ein und unternehmen es, die Perspektiven anderer zu verstehen.
Das WIE des WAS wird thematisiert, wenn etwas darüber ausgesagt wird, WIE eine Person etwas (das Was) aussagt. Das WIE kann beispielsweise im Spiegeln zum Ausdruck gebracht werden: Deine Zeilen verraten Angst, auch wenn du sagst, dass du fröhlich bist. Indem wir eine Beobachterperspektive einnehmen, beobachten wir das Wie: die Meta-Kommunikation bzw. den Meta-Textes des Was.
Das, WIE des WIE thematisiert, WIE die Aussagen oder Beobachtungen über das Wie selbst vollzogen (gewirkt) werden. (Philosophie spricht in diesem Sinne seit ca. 30 Jahren von Performativität.) Ein liebvoller Erwachsener beispielsweise wird einem Kind z.B. liebevoll und verständnisvoll zeigen, WIE es etwas falsch gemacht hat. Schau mal, das kannst du auch so und so machen. Ja, prima,
. Das WIE des WIE kann aber auch in aggressiver Weise ausagiert werden: indem man bspw. das Wie des anderen in herabwürdigender, respektloser Weise spiegelt. Das WIE des Wie zeigt folglich an, wie sehr der Spiegelnde/Beobachtende selbst auf das re-agiert, was er spiegelt/beobachtet. Re-agiert er, dann erlebt er das Gespiegelte immer schon aufgrund der eigenen projizierten Schattenanteile verzerrt. Werden derartige verzerrte Spiegelungen wiederum meta-kommunikativ im Namen der Wahrheit oder gar im Namen der Liebe vorgenommen, dann kommt es zu Double-Bind-Kommunikationen: es wird kommunikativ beispielsweise Oberbelehrung/Aggression/Respektlosigkeit etc. ausagiert, aber meta-kommunikativ als Liebe, Wahrheit oder Schwert bezeichnet. Das Wie des Wie (Spiegelung) wird folglich ungleichmütig und unliebevoll vorgenommen (Wirken). Das Spiegeln dient hierbei oft als Abwehrmechanismus, der immer dann einsetzt, wenn das Ich auf der Ebene des WAS mit der Situation überfordert ist, sein Selbst schützt und nicht über die sozial-kommunikativen Mittel verfügt, die Was-Kommunikation in einer verständigungsorientierten Weise fortzusetzen: die Was-Kommunikation wird dann durch die Wie-Kommunikation untergraben. Das Paradox des Spiegelns ist es daher, dass gerade derjenige, der re-aktiv spiegelt, um seine Persona zu schützen und die Persona des anderen in den Vordergrund des Gesprächs zu stellen, seine eigenen Schatten als Meta-Text in die Kommunikation einbringt.
Der Indikator für diese Re-Aktion der eigenen Schatten ist Gleichmut darüber hinaus Liebe.
Das Wie des Wie stellt folglich ein Feld des praktischen, spirituellen Wirkens dar, auf welchem wir achtsam, liebevoll arbeiten können. Die achtsame, liebevolle Beobachtung des eigenen Wie entspricht der Gleichmutspraxis: der Beobachter des eigenen Wie ist das Wirken des eigenen Wie des Wie.
Die achtsame, liebevolle Spiegelung des Wie anderer geht darüber hinaus, insofern wir hier anderen in einer für sie verständlichen, gleichmütigen und liebevollen Weise (Wirken) ihr Wie spiegeln können. Grenzüberschreitungen gegenüber anderen reproduzieren stets Grenzübertretungen uns selbst gegenüber, insofern der Andere unserer Welt immer auch Teil des Selbst sowie des Ganzen ist.
Deshalb ist der Weise
in seinen Reden zwar klar und deutlich
aber er beleidigt niemanden;
er zeigt die Fehler auf,
aber ohne zu verletzen;
er tut sein Möglichstes,
aber nicht auf Kosten der anderen;
er glänzt,
aber er blendet nicht.
(Dao 58)
Das 58. Kapitel des Dao De Dsching ist in der Abteilung des "De"...
das "De" wird manchmal übersetzt als "Weg", oder die direkte Definition im Chinesischen ist "was die Wesen erhalten, um zu entstehen", deshalb übersetzt Richard Wilhelm es als "Leben".
Aber mir gefällt die Idee, das "de" als das "wie" zu übersetzen, da hast du mich grad drauf gebracht.
So wie ein Weg Anfang und Ende hat, doch zwischendrin ist "irgend-wie" etwas, das ist der Weg...
und das von dir aufgebrachte "wie des wie" ist sozusagen das "wie sag ichs meinem Kinde", also das wie des Lebens, oder der lebendige Weg.
Nun sagt die Intro im Kapitel 38:
Wer den Weg hochhält, weiß nichts vom Weg, darum hat er den Weg.
Im Analysieren des "wie des wie" liegt ein Zergliedern... auch wenn das Ziel ein ehrenwertes ist... doch das erste Wort, das mir dazu einfiel, ist die "Vivisektion", sozusagen das Zerteilen des Lebens... eine Wie-Wie-Sektio.
Und die "Sektio" ist der medizinische Begriff für den Kaiserschnitt... also das neue Leben aus der Mutter hervorholend, weil es anders nicht geht... überragende Kommunikationshindernisse, der Kommunikationskanal ist einfach blockiert...
Dann ist es not-wendig, sich über das "Wie des Wie" zu unterhalten...
doch die heitere, stille, ungetrübte, tiefe, lustvolle, berührende, ergreifende, hinreißende, herzerfrischende, wie ein Quelltopf sprudelnde Kommunikation gebiert sich einfach aus sich selbst, völlig mühelos...
deshalb sagt der alte Meister hier: "wer das Wie hochhält, weiss nichts vom Wie, deshalb hat er das richtige Wie"
gerade weil ich nicht weiß, wie es genau geht,
gerade weil ich kein Vorherwissen darüber habe, was wie und wie wie zu sagen ist, deshalb ist es schon richtig... passt schon... einfach unverkrampft, locker, entspannt, spontan...
...ohne dass ich weiss, dass es so ist...
ohne dass ich weiss, dass ich nun unverkrampft, locker, entspannt, spontan sein sollte... im sollen ist es bereits wieder verkrampft...
es geschieht von alleine.
das 58. Kapitel ist das des "spiritus rektor",
das dahinterstehende, wie das wie geschehen kann...
58.
Wessen Regierung still und unaufdringlich ist,
dessen Volk ist aufrichtig und ehrlich.
Wessen Regierung scharfsinnig und stramm ist,
dessen Volk ist hinterlistig und unzuverlässig.
Das Unglück ist's, worauf das Glück beruht;
das Glück ist es, worauf das Unglück lauert.
Wer erkennt aber, daß es das Höchste ist,
wenn nicht geordnet wird?
Denn sonst verkehrt die Ordnung sich in Wunderlichkeiten,
und das Gute verkehrt sich in Aberglaube.
Und die Tage der Verblendung des Volkes
dauern wahrlich lange.
Also auch der Berufene:
Er ist Vorbild, ohne zu beschneiden,
er ist gewissenhaft, ohne zu verletzen,
er ist echt, ohne Willkürlichkeiten,
er ist licht, ohne zu blenden.
welcher Geist treibt mich voran,
weht in die Segel meines Schiffes,
und was tut der Mann am Ruder?
noch einmal aus dem 38.:
wer das LEBEN (de) hochhält,
handelt nicht und hat keine Absichten.
Das ist die höchste Einsicht (Klasse 1),
dass es weder des Handelns noch der Absichten bedarf.
Der LEIB weiss am besten, wie Kinder zu gebären sind, und das Leben vertraut auf das Leiben und Leben.
wer die Liebe hochhält, handelt,
hat aber keine Absichten.
das ist die hohe Einsicht (Klasse 2),
sie sieht Handlungsbedarf, möchte aber nichts durchsetzen.
sie sieht das "wie des wie" und greift ein.
wer die Gerechtigkeit hochhält,
handelt und hat Absichten.
das ist Einsicht (Klasse 3),
sie sieht Handlungsbedarf, handelt aber aufgrund eigener Absichten,
betrachtet das "wie", möglichst zum Wohle aller (z.b. alle sollen doch einfach freundlich miteinander sein).
Wer die Sitte hochhält, handelt,
und wenn ihm jemand nicht erwidert,
so fuchtelt er mit den Armen und holt ihn heran.
das ist Sicht (Klasse 4),
sie sieht ihr eigenes Ding, das "Was", und möchte es durchsetzen.
noch einmal im Zusammenhang:
38.
Wer das DE hochhält, weiß nichts vom DE;
darum hat er DE.
Wer das DE nicht hochhält,
sucht das DE nicht zu verlieren;
darum hat er kein DE.
Wer das DE hochhält,
handelt nicht und hat keine Absichten.
Wer das DE nicht hochhält,
handelt und hat Absichten.
Wer die Liebe hochhält, handelt, aber hat keine Absichten.
Wer die Gerechtigkeit hochhält, handelt und hat Absichten.
Wer die Sitte hochhält, handelt,
und wenn ihm jemand nicht erwidert,
so fuchtelt er mit den Armen und holt ihn heran.
Darum: Ist das DAO verloren, dann das DE.
Ist das DE verloren, dann die Liebe.
Ist die Liebe verloren, dann die Gerechtigkeit.
Ist die Gerechtigkeit verloren, dann die Sitte.
Die Sitte ist Treu und Glaubens Dürftigkeit
und der Verwirrung Anfang.
Vorherwissen ist des DAO Schein
und der Torheit Beginn.
Darum bleibt der rechte Mann beim Völligen
und nicht beim Dürftigen.
Er wohnt im Sein und nicht im Schein.
Er tut das andere ab und hält sich an dieses.