Spirituelles Gehen

Irgendwann am Almsee in Oberösterreich ...

Spät ist es im Jahr, aber in den kalten Gebirgsregionen dauert die finstere Jahreszeit oft länger an. Da stehe ich noch, die Schneerose - abgewandt vom Ufer starre ich den See hinaus, bin nachdenklich ... .

Wie mag das eingentlich wohl sein - ein Anders-sein, nicht Schneerose, sondern ein Leben als ... Seerose ???

Nachts statt knabbernden Rehen und Hasen schuppige Fische?
Statt Ameisen, Käfern und Schmetterlingen Krebschen und Molche?
Statt in festen Boden krallen sich die Wurzeln in ewig schwankendes Naß?
So viel Verschiedenes ...

Aber beide sind wir Kinder der Sonne, des Lichts !
Beide haben wir grüne saftige Blätter.
Beide trotzen wir mit zarter Durchsichtigkeit Wind, Regen und Wetter ...
So viel Gleiches ...

Mensch, der Du hinter mir am Boden liegst, ich spüre Deine Bedachtsamkeit - hörst Du mich etwa nachdenken über Schnee und See? Dann vertrau ich Dir und dreh mich auch gar nicht um - denn Du wirst nur mein Bild mitnehmen ...

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... und mich so vor meiner Vergänglichkeit bewahren ...


cerambyx
 
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Ein Meer von verblühtem Löwenzahn, alle voll wolliger Samenköpfchen, alle gleich scheinend ...
Wenn man sich aber niederbeugt, niedersetzt oder gar niederlegt, werden die feinen Unterschiede sichtbar - einige wenige sind ja noch gar nicht aufgeblüht; einige wenige haben sogar schon keine Samen mehr ... und was ist das? Da gibt's diese eine, diese Andere, diese Einzige ...

Kaum schert eine aus, ragt nur irgendwie auffällig aus der Masse, ist nur irgendwie nicht so wie die anderen, denkt man sofort an Krankheit, Auffälligkeit, Aussenseitertum ... und an Korrektur ...

Ja sie ist auffälliger, ja sie ist gefährdeter, ja sie ist größer, ja sie ist anders ... es liegt ein unbemerktes großes BEJAHEN in dieser Aufzählung ...

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Ihre Samen werden weiter fliegen als alle anderen ...

cerambyx
 
Was heißt eigentlich "Ganz Ohr sein" ?

Habt ihr das leise Knistern schon gehört, wenn eine Kuhflade in der Sonne trocket und dabei eine harte Kruste bildet? Knallend platzen dabei Schründe auf, wenn der weiche, heiß gewordene Dung sich wieder weiten will ...

Lautes Brummen kündigt die Landung des Roßkäfers an, der rumpelnd auf der Flade landet, man hört das wilde Kratzen seiner Krallen, wie er sich an die Kruste klammert um nicht irgendwohin zu purzeln ...

Es knallt wie mit Militärstiefel, wenn er seine sechs Beine auf den Boden hämmert, und damit seinen massigen Körper laut schabend zu einer Öffnung ins herrlich duftende Innere zieht. Leise raschelnd klingeln seine Fühler, während er sie hin und her schwenkt und damit die nähere Umgebung kontrolliert auf einen vielleicht noch besseren Platz. Dann senkt er knirschend den Kopf, wölbt dabei den knackenden Rücken, und gräbt entschlossen seine harten Kiefer krachend in die harte Schale der Flade ...

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Ringsum wächst inzwischen leise flüsternd das Gras ...


Euer scharfohriger
cerambyx
 
Auch dem Tod begegne ich manchmal ...

Gute, krautreiche Nahrung; durch das steile Gelände durchtrainierte Muskulatur; gute Kondition - all dies hat in diesem Fall nichts genützt ....

Erbärmlich und qualvoll war wohl das einsame Sterben, während doch eigentlich ein Kalb hätte geboren werden sollen. Eigentlich hätte alles gut gehen können, denn der Aufenthalt auf der Alm im Gebirge bietet die besten Voraussetzungen für eine normale Geburt. Sehnen und Bänder sind viel kräftiger als bei jenen Tieren, die andauernd im Stall stehen und denen dadurch die Muskel schlaff werden. Auch wäre es nicht die erste Geburt gewesen ... Aber es sollte nicht sein - die Natur hat es anders gewollt und hierdurch vielen anderen das Leben und Überleben ermöglicht ....

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Eine Mahnung an mich, jeden Tag im Gebirge hochkonzentriert unterwegs zu sein.
Eine Mahnung an mich, jeden Tag intensiv fertig zu leben ...

Ein ernster
cerambyx
 
Und wieder erinnerst du mich an dein Namensbuch der Archäologie in deinem Regal. Gerade diese Szene im Todesgebirge.
 
Meist ist die uns umgebende Natur als sehr heiter wahrzunehmen - mir scheint es jedenfalls so! Oft aber strahlt sie einen heiligen Ernst aus ... und stellt uns mit manchen Antworten nur neue Fragen ...

Mit allen Sinnen unterwegs zu sein, heißt ja nicht, nur die Tier- und Pflanzenwelt auf sich wirken zu lassen. Auch die Landschaften selber sind es, die unsere Gedanken oft völlig gegensätzlich beeinflussen: mal werden sie eingefangen, mal beflügelt, mal befreit, mal konzentriert ... immer je nach Laune, Zustand und Gegend. Besonders wichtig oft sind aber die Inhalte und Objekte, die eine Landschaft beherbergen ... sie zeigen sehr deutlich, dass man nicht alleine ist mit seinen Empfindungen, sondern dass schon vor langer langer Zeit andere Menschen diese Empfindungen hatten, ihnen nachgaben und oft auch Ausdruck verliehen ...

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Das "Rote Kreuz" bei Mold im niederösterreichischen Weinviertel in Sichtweite der alten Wallfahrtskirche "Maria Dreieichen" ... Wegweiser für spirituell Wandernde?
Welches Geheimnis umgibt den Namen des Kreuzes?

Fragende Grüße
cerambyx
 
Das Auge rebelliert fast angesichts des blendendweiß strahlenden Anblicks dieser mächtigen und schön gearbeiteten Säule. Unverhofft tauchte sie damals im düsteren Licht des Spätherbstwaldes auf, während ich mich einer Wegkreuzung genähert habe, welche diese Säule scheinbar deutlich markieren soll.
Ich stehe davor, versuche die eingravierten Zeichen zu lesen und dargestellte Motive zu deuten. Mit fortschreitendem Abenddämmer versinke ich langsam mit den Gedanken im Abgrund der Geschichte und probiere zu erfassen, weshalb damalige Menschen genau dieses Zeichen an genau diese Stelle pflanzten - und was der Name "Weisses Kreuz" für eine Bedeutung haben könnte - damals ... heute ...

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Das "Weisse Kreuz" am Sonnwendberg im niederösterreichischen Weinviertel ... solche Pracht unsichtbar mitten im Wald ?
Welches Geheimnis umgibt den Namen dieses Kreuzes?

Forschende Grüße
cerambyx
 
o bald frühmorgens aus den Federn um den Berg zu bezwingen? O nein: zuerst holzhacken, einheizen, Wasser aufstellen, Kaffee kochen, Brote streichen ..... dann erst ...

Fast von alleine bewegen sich die Beine, heben die schweren Bergschuhe an den Füßen, schwingen nach vorne und setzen sich auf den schmalen Steig, der hierdurch wieder ein Stück kürzer wird. Hochauf jubelt die Seele, wenn die Wattewolken durchstoßen werden und man weiter aufwärts strebt im beginnenden Licht. Grenzenlos ist die Freude - bis man plötzlich an einer solchen Grenze steht.

Vielfach geflickt ist der Zaun, der das Auswandern der Rinder und das Durchschlüpfen der Schafe verhindern soll. Ein ebenfalls oftmals mit einfachsten Mitteln repariertes Türchen ermöglicht dem frühmorgendlichen Wanderer den Durchgang ...

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... wieso fühle ich mich dennoch grenzenlos? .... glücklich ....

Bald wieder unterwegs am Berg
cerambyx
 
Eigentlich wollte ich die Orchideenwiese erkunden, die durch einen Holzsteg vor dem Betreten durch unachtsame Wanderer geschützt ist ... würde jeder "seinen" Weg gehen, wäre das empfindliche Moorgebiet rasch zertrampelt ...

Aber da waren diese halblauten Worte, eingeleitet durch ein lautes Klatschen einer schlagenden Hand auf der blanken Haut: "Blöde beißade schiache grausliche Viecha!" (Dumme beißende häßliche grausige Tiere!) ... nach wenigen Schritten erreiche ich einen winzigen, noch zuckenden Körper der rücklings auf besagtem Steg liegt - und während ich ihn ohne zu denken in das Moor hinabwischte, erhaschte ich gleichzeitig einen Blick, einen Blick ...

Nachdenklich überlege ich noch was ich da eigentlich gesehen habe, als mehrere dieser beschimpften Exemplare auf mir, auf dem Geländer des Steges und am Boden landen. Langsam lege ich mich auf den Bauch und begebe mich auf "Augenhöhe" ... und wieder erhaschte ich einen Blick - diesen Blick ...

Der Blick, der dieselbe Landschaft, dieselbe Gegend umfaßt, der wie mein eigener Blick zwischen Freund und Feind unterscheidet, der wie meiner Lebendiges und Totes unterscheidet, der Geschwindigkeiten abschätzt und Hindernisse erkennt ... aber dieser Blick ist so fremd, so unsagbar fremd ...

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Und dennoch sieht er die gleiche Welt - in der wir gemeinsam leicht Platz haben sollten ...

cerambyx
 
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Einfach ist es von Spiritualität zu reden beim prächtiges Farbenspiel, das der abendliche Himmel bietet. Bei dem nahe Berge bereits im Schatten verschwinden, entfernte jedoch noch einmal beginnen, aufzuglühen, während der Himmel zu brennen scheint ...

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Aber über der beeindruckenden Kraft der monumentalen Felsgebilde sollte man Tags darauf wieder bescheiden den Blick vor sich auf den Boden lenken. Sich hinknien, sich hinlegen, um hingerissen von dem kleinen Blütenwunder über Leben, Wachsen und Tod nachzudenken ... und ausnahmslos in allem eine bunte Fröhlichkeit suchen ...

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Die Blume lebt es vor ...

In Gedanken an den damaligen Urlaub (2011 oder so)
cerambyx
 
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