Russland greift Ukraine an

Ich finde, dass hier gerade zu sehr der Mythos der unschuldigen Mehrheit reproduziert wird. Es gibt dazu ein wissenschaftliches Buch, welches diesen Mythos gut entlarvt. Dort werden auch all die Aspekte mitberücksichtigt, welche hier schon genannt wurden. Trotzdem bleibt es ein Mythos, dass sich eine Mehrheit angeblich nicht wehren könne in einem solchen System, was dieses Buch gut aufzeigt anhand der Nachkriegszeit in Deutschland im Umgang mit der Schuldfrage der Tätergeneration:

Tim Schanetzky (u. a.), Demokratisierung der Deutschen
siehe Seite 63 unter dem Titel "Unschuldige Zuschauer", Zeile 1: Mythos der Unschuld

"Mehrheit" ist ja zuerst mal ein theoretisches Konzept und ohne großen Einfluss solange es keine Organisation gibt. Was ich damit meine: Stell Dir mal vor eine Mehrheit der Menschen ist irgendwelchen Konzernen gegenüber sehr kritisch (Apple, Amazon, Nestle etc.). Nur ist das keine echte Mehrheit, die individuellen Perspektiven bleiben getrennt und jeder einzelne kann sich sagen: "Okay, ich werde diese Firmen boykottieren, aber was sollte das bringen wenn andere nicht mitmachen?".

Würde sich diese Mehrheit organisieren, hätte sie große Macht und könnte vieles verändern, dazu gehört auch das Mehrheiten eine Regierung stürzen könnten.

Nicht nur in irgendwelchen diktatorisch geführten Ländern wird wiederum vieles getan, damit sich möglichst keine kritische Mehrheit organisiert, wobei Diktaturen natürlich noch wesentlich härter gegen alle möglichen Strukturen vorgehen. Putin hat ja nicht ohne Grund einen großen Teil der Medien unter Kontrolle und einen großen Teil der Opposition auf ein Feigenblatt geschrumpft.

Die Perspektive vieler in Russland, selbst wenn sie Putin gegenüber kritisch eingestellt sind, ist pragmatisch: Damit etwas besser wird bräuchte es zuerst mal jemanden den man an Putins Stelle setzen kann. Und das können die nicht so einfach, v.a. eine nicht organisierte Mehrheit kann da gar nichts machen, gleichzeitig können sie sich auch kaum organisieren.

Insofern... wie man den Begriff "Mehrheit" interpretiert entscheidet letztlich darüber ob man da tatsächlich Verantwortung oder gar Schuld zu erkennen glaubt oder nicht. Wenn ich den Begriff "die Menschen" benutze, oder "Russen" als Kollektiv, dann meine ich damit die Summe individueller Perspektiven - und die sind vielleicht nicht ganz ohne Verantwortung, aber sie sind m.A.n. ohne Schuld.
 
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Ich sollte hier noch einen Aspekt hinzufügen, der m.A.n. wichtig ist und warum der Westen letztlich wahrscheinlich stärker ist: Wirtschaft. Sollte Russland den Krieg gewinnen, die aktuelle Regierung absetzen, eine neue Regierung ins Amt heben, dann würde der Westen sich dort vermutlich wirtschaftlich sehr zurückziehen. Russland selbst ist wirtschaftlich schwächer als es scheint, BIP pro Kopf betreffend sogar unter der Ukraine. Die wirtschaftliche Situation würde sich also nahezu sicher verschlechtern, was zu weiterem Unfrieden führen würde.

Wenn ich sage "Der Westen würde sich zurückziehen", dann meine ich im Übrigen nicht nur irgendwelche Gelder die von Regierungen investiert werden, sondern auch ganz normale westliche Investoren. Eine Ukraine die sich Richtung Westen entwickelt, die sich stabilisiert, ist für Investoren attraktiv. Eine Ukraine die im Chaos versinkt, bei der unklar ist wer als nächstes wen wegputscht, ist ein Risiko.
Ich glaube, selbst wenn Putin jetzt militärisch einen Sieg erringen wird, so schadet er dennoch seinem Land wirtschaftlich auf Jahrzehnte.
Dieser Krieg ist ein Schuss ins eigene Knie, wie ich in einer Schlagzeile wo gelesen habe. Und ich stimme dem zu.
Es ziehen sich viele Konzerne aus Russland zurück und die werden sich überlegen, bei so einer erratischen Führung jemals wieder Geschäftsbeziehungen mit diesem Land aufzunehmen.
Viele Staaten, die bisher von den russischen Rohstoffen abhängig sind, werden einen Zahn zulegen und sich sehr viel schneller von den fossilen Stoffen befreien, zumal sie es ohnehin irgendwann tun müssten aufgrund der Klimakrise.
Und dazu kommt, dass jetzt wieder ein Run auf die Rüstungsgüter stattfinden wird, der so bisher in keinster Weise mehr vorgesehen war.
Dieses Wettrüsten wird Russland immense Kosten aufhalsen, um mithalten zu können. Das hat letztlich damals schon zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt, weil es wirtschaftlich bankrott war.
 
Und woran scheiterte sein Vorschlag?
Weil es keinen Unterschied macht? Wenn die Krim zu Russland wird und der Rest Ukraine zu Nato, dann wird Russland immer noch von der NATO umzingelt.

Die Grenze verschiebt sich etwas, sein angebliches Sicherheitsproblem ist immer noch da und wir heute in der gleichen Situation, nur 500 Kilometer näher.

Mal unabhängig davon, dass weder Putin oder der Rest der Welt entscheidet, was die Ukrainer mit ihrem Land machen.

Genau sowenig wie man bestimmen kann, dass England aus der EU darf, aber nur wenn sie sich von Schottland trennen und Schottland drin bleibt.
 
"Nicht zu Gesicht bekommen soll die russische Bevölkerung nun auch die Webseite 200rf.com, die vom ukrainischen Innenministerium eingerichtet und von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation inzwischen blockiert worden ist.

Die Internetadresse ist eine Anspielung auf den Begriff „Cargo 200″. Angehörigen von russischen Soldaten, die gefallen oder in ukrainische Gefangenschaft geraten sind, soll die Seite ermöglichen, sich Klarheit über das Schicksal ihrer Brüder, Söhne und Enkel zu verschaffen..."
Quelle:


Wie sich das liest.....sterbliche Überreste ....die überbleiben von "Kanonenfutter."... :(
 
Und woran scheiterte sein Vorschlag?

Alle Vorschläge wurden abgelehnt. Die Perspektive des Westens entspricht einer Art "Zurücklehnen" und zu sagen: Die Ukraine soll das selbst entscheiden, das ist das Recht eines jeden Landes.

Und so sehr man mit einer solchen Einstellung konform gehen kann wenn man sie nur als eine Art Überschrift liest, so zweischneidig ist es wenn man mehr über die Hintergründe weiß und darüber nachdenkt. Denn egal was die Ukraine will oder in Zukunft mal wollen könnte, weder EU noch Nato müssten sie aufnehmen. Die EU sagt ja auch (sinngemäß): Kein Land solle die Sicherheit des eigenen Landes auf Kosten eines anderen entwickeln. Und natürlich gibts da große Konflikte.

Man hätte schon vor langer Zeit klar stellen können, dass die Ukraine neutral bleibt. Verräterisch ist eigentlich v.a., dass man sie seit einiger Zeit als Beitrittskandidat behandelt obwohl fast 50% der Bevölkerung gegen einen Nato-Beitritt ist. Und es ist ebenfalls wahr, dass dort massiv beeinflusst wurde. Allerdings von beiden Seiten.

Das destruktive Paradox ist oft: Es geht nicht unbedingt als Priorität darum etwas zu "haben" bzw. zu kontrollieren. Priorität ist, dass die Gegenseite es nicht "hat" bzw. kontrolliert.

Und Russland betreffend gab es immer ein Schwanken zwischen "Partner" und "Gegner". Schuld daran tragen m.A.n. beide Seiten.
 
Wie sich das liest.....sterbliche Überreste ....die überbleiben von "Kanonenfutter."... :(

Das ist Krieg..... 😟
Allerdings finde ich es gut, das die Regierung zumindest versucht (hat) den Angehörigen in Russland mitzuteilen, was mit den Soldaten passiert ist. Mir zeigt das irgendwo, dass es der ukrainischen Regierung nicht um Hass gegen die russische Bevölkerung geht, sondern um ihren Präsident und was er mit ihnen macht...
 
Ich glaube, selbst wenn Putin jetzt militärisch einen Sieg erringen wird, so schadet er dennoch seinem Land wirtschaftlich auf Jahrzehnte.
Dieser Krieg ist ein Schuss ins eigene Knie, wie ich in einer Schlagzeile wo gelesen habe. Und ich stimme dem zu.
Es ziehen sich viele Konzerne aus Russland zurück und die werden sich überlegen, bei so einer erratischen Führung jemals wieder Geschäftsbeziehungen mit diesem Land aufzunehmen.
Viele Staaten, die bisher von den russischen Rohstoffen abhängig sind, werden einen Zahn zulegen und sich sehr viel schneller von den fossilen Stoffen befreien, zumal sie es ohnehin irgendwann tun müssten aufgrund der Klimakrise.
Und dazu kommt, dass jetzt wieder ein Run auf die Rüstungsgüter stattfinden wird, der so bisher in keinster Weise mehr vorgesehen war.
Dieses Wettrüsten wird Russland immense Kosten aufhalsen, um mithalten zu können. Das hat letztlich damals schon zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt, weil es wirtschaftlich bankrott war.

Ja, das ist der Hauptgrund warum ich persönlich lange nicht an einen Angriff glaubte. Meine Ansicht war, dass Putin die militärische Drohung braucht um eine Verhandlungsbasis zu schaffen. In dem Kontext fand ich ebenfalls plausibel, dass er unberechenbar wirkt, denn er hätte sicherstellen müssen dass die Drohung nicht als Bluff wahrgenommen wird.

Als dann klar wurde, dass er militärisch eingreift, habe ich mir den Kopf zerbrochen um herauszufinden was genau er sich davon verspricht. Denn sicher wäre auf jeden Fall gewesen, dass es Sanktionen hagelt und er Russland noch weitergehend isoliert. Letztlich wurde mir eines klar: Schon zeitlich gesehen gibt es unterschiedliche Perspektiven und dann auch vollkommen unterschiedliche Schlussfolgerungen. Seine Perspektive könnte z.B. sein: Die Ukraine zu kontrollieren ist langfristig gut für Russland. Erstens schließt das eine Nato-Mitgliedschaft aus (und aus russischer Perspektive ist das tatsächlich ein bedeutender Punkt) und sendet eine Warnung an andere potentielle Beitrittskandidaten (Finnland z.B.). Zweitens hat die Ukraine ja wirtschaftlich durchaus viel Potential. Kurzfristig würde das Schmerzen erzeugen, aber Typen wie Putin denken wahrscheinlich in Jahrzehnten.

Und längerfristig hätten sich auch die Sanktionen wieder gelockert. Die Welt ist zu interessiert an der russischen Energie.

Aber: Diese gesamte Rechung steht und fällt vor allem mit der Art und Schnelligkeit der Invasion selbst. Wäre die weitgehend unblutig und schnell gelaufen, dann hätte er mit der gesamten Ukraine das gemacht was er mit der Krim machte. Da das nicht funktioniert hat, wird es jetzt nahezu sicher zum Desaster für Russland und für Putin persönlich. Es gibt m.A.n. kein realistisches Szenario mehr das für ihn noch gut laufen könnte, nur manche die weniger schlecht sind als andere.
 
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Aber: Diese gesamte Rechung steht und fällt vor allem mit der Art und Schnelligkeit der Invasion selbst. Wäre die weitgehend unblutig und schnell gelaufen, dann hätte er mit der gesamten Ukraine das gemacht was er mit der Krim machte. Da das nicht funktioniert hat, wird es jetzt nahezu sicher zum Desaster für Russland und für Putin persönlich. Es gibt m.A.n. kein realistisches Szenario mehr das für ihn noch gut laufen könnte, nur manche die weniger schlecht sind als andere.
Ja, das Timing wäre ja an sich perfekt gewesen nach seinem Kalkül.
Die ganze Welt Corona-müde, ein schwacher US-Präsident, die EU ein orientierungsloser und zerstrittener Haufen, der sich ohnehin nie einig ist.....
Tja....dumm gelaufen.
 
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