Ich kenne meine Beiträge. Mir ist klar, das wenn ich russische Perspektiven und geopolitische Strategien mit einbeziehe, also ich mich bemühe, andere Sichtweisen mit einzubetten,in welchen ich nicht aufgewachsen bin, dies nicht mit sinngemäß mit „Wir müssen die Russen plattmachen, weil sie grausames Unrecht begehen“ kompatibel ist.
Du tust allerdings häufig mehr als nur "andere Sichtweisen einbetten". Zum Beispiel tust Du jetzt hier mit diesem Schlagsatz so, als würden Menschen, die Dir widersprechen, gar nicht nachdenken oder die Ambivalenz der Situation gar nicht erkennen o.ä.
Halten wir fest: Russland führt gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Aktuell ist Russland da der Aggressor. Natürlich liegt da auch eine Motivlage dahinter, die man geostrategisch etc. irgendwie gedanklich nachvollziehen kann. Das macht diesen Angriffskrieg aber nicht besser - auch schon nicht den Angriff anno 2014.
Die Welt ist komplexer und die Lösungen ebenso.
Allen ist klar, dass die Welt komplex(er) ist. Eine Lösung kann aber z.B. nicht sein, zu hoffen, dass der Aggressor schnell gewinnt. Angenommen, Dein Wunsch wäre so eingetreten. Was wäre denn danach Deiner Meinung nach eine Lösung gewesen, um der Ukraine wieder Souveränität, Bündnisfreiheit etc. zu geben?
Es ist ebenfalls zu einfach kundzugeben, die Ukrainer können selbst entscheiden, was sie tun. Das entspricht nicht den Tatsachen. Das entscheidet letztlich Russland und die USA. Das kann man bescheuert und nicht gerecht finden, ändert aber nichts.
Ich habe nicht gesagt, dass sie selbst entscheiden können, sondern, dass sie selbst entscheiden können sollten. Und die Ukraine hat sich dafür entschieden, dass sie ihre staatliche Integrität verteidigen wollen, und sie haben "den Westen" dafür um Hilfe gebeten und bitten weiter. Und "der Westen" kann die Entscheidungsfreiheit der Ukraine damit unterstützen, indem sie eben tatsächlich auch diese erbetene Hilfe leistet.
Deswegen wäre ich vorsichtig bzgl des Willens der Ukrainer. Das kann Propaganda sein oder nur teilweise oder gar nicht.
Ich habe ja schon an Marina Weisband verwiesen.
Das weiß ich nicht sicher, ob es so viel Sinn macht. Nach einem Gutachten in der FAZ bringt das gar nicht so viel und bekommt mehr Aufmerksamkeit in den Medien, als es tatsächlich von militärischen Wert ist.
Die ukrainischen Militärs sind offensichtlich der Meinung, dass es Sinn ergibt. Sonst würden sie das ja nicht gezielt erbitten. Und ich glaube nicht, dass sie dumm sind und weniger über Militärstrategie wissen.
Demnach bräuchten die Russen nur die Ziele zurüsetzen und könnten von dort aus immer noch wirken.
Ja, aber es bedeutet einen strategischen Rückschritt. Auch, wenn die Russen von etwas weiter zurück "wirken" müssten, wäre das ein Vorteil für die Ukraine gegenüber dem, wie es jetzt noch ist.
Ein mindestens genauso großes Problem, wenn nicht ein größeres, ist der Soldatenmangel. Viele Tote und 650000 Desertierte in der EU, die ganz offensichtlich einen anderen Willen widerspiegeln.
Auch diese Angabe ist in der Form übrigens russische Propaganda. Die Zahl bzw. die Zahlen muss man sich mal genau angucken:
de.wikipedia.org
Desertieren können nur Soldaten. Anno 2023 hatten die ukrainischen Streitkräfte ungefähr 800.000 Soldaten und dazu drauf ungefähr 1.000.000 Reservisten (Stand 2022). Von diesen insgesamt 1.800.000 Soldaten, bei denen man es Desertation nennen könnte, sind NICHT etwas mehr als ein Drittel desetiert, wie Deine Angabe nahelegen will. Die Zahl der Deserteure liegt etwa eine Größenordnung darunter, also ein paar 10.000 - ein einstelliger Prozent-Anteil der gesamten Streitkräfte (+Reservisten).
Es gibt daneben die wehrtaugliche Bevölkerung, die ein Staat im Kriegsfall auch einziehen kann. Wer als wehrtauglich eingestuft wird, definiert der Staat dabei selbst. Hier in Schweden könnte soweit ich weiß beispielsweise auch ich als Nicht-Schwede aber gemeldeter Einwohner des Landes im Kriegsfall für Sanitäts-Dienste (oder zum Mienen-Suchen) eingezogen werden. Sich als wehrtauglicher Mensch der Rekrutierung oder Einberufung zu entziehen, heißt nicht Desertation.
Die wehrtaugliche Bevölkerung der Ukraine umfasste anno 2020 etwas mehr als 23.000.000 Menschen. Wenn davon 650.000 Menschen sich der Einberufung entziehen, indem sie in die EU flüchten, sind das etwas weniger als 3%, also ein nicht besonders großer Anteil - also wie bei den Deserteuren auch ein einstelliger Prozent-Anteil.
Ich weiß jetzt nicht, was genau durch diese Deine Zahl bezeichnet wird. Denkbar ist z.B. auch, dass sie alle ukrainischen Flüchtlinge in der EU beschreibt, von denen aber sicher nicht alle als wehrtauglich eingestuft wären.
Wenn Du also selbst keine Propaganda verbreiten bzw. drauf reinfallen willst, solltest Du Dir acuh solche Zahlen mal GENAU angucken und GENAU beschreiben, was sie bezeichnen, anstelle falsch-undifferenziert von "Deserteuren" zu sprechen. Denn DAMIT verbreitest Du selbst prorussische Propaganda bzw. fällst (erneut) drauf rein.
Da hast Du Recht, da bin ich einer Fehlinformation, vielleicht auch russischer Propaganda auf den Leim gegangen.
Schön, dass Du es erkennst. Dann kannst Du auch mal einige andere Deiner Angaben durchgehen und genau und ergebnoisoffen überprüfen, wo Du noch so auf russische Propaganda, wie sie von Russland-Trollen auch verbreitet wird, reingefallen bist. Auch DAS wäre zu einer umfassenden und differenzierten Sichtweise, die Du ja explizit anstrebst, notwendig. Wahrscheinlich wirst Du dann ein wenig kleinlauter und wirst nicht mehr behaupten, nur Du würdest richtig differenziert nachdenken, und alle anderen, die nicht Deine Angaben als bare Münze nehmen und die pro-russische Propaganda darin erkennen, wären ja nur einseitig-geblendete Mitläufer.