Radikaler Konstruktivismus

K

Kronos

Guest
Hallo Leutz,

in letzter Zeit ist mir oft das Wort "Konstruktivismus" um die Ohren geflogen gekommen. Da ich direkt mit dem Wort nicht viel in Verbindung bringen konnte, habe ich mich mal auf die Suche gemacht und dazu eine guten Beitrag gefunden, den ich hier gern weiterempfehlen möchte (für alle diejenigen die auch noch nicht genau wissen was darunter zu verstehen ist :) ).

Unter anderen steht da auch einiges über die Sprache, über die ich ab und zu den Eindruck habe, daß sie mich mehr behindert als etwas offenbart:

Über Ernst von Glaserfeld, allgemein als Begründer des Radikalen Konstruktivismus bekannt, steht in folgender Website:

Zunächst aber einiges zu seiner Biographie, anhand derer er sein - wie er es selbst nennt - "Heranwachsen zum Konstruktivisten" einsichtig darstellt. Ganz früh schon hat er mit mehreren Sprachen zu tun, durch seine Eltern und durch mehrere Wohn- und Aufenthaltsorte. Dieser lebendige Umgang mit vielen Sprachen ließ ihn früh erkennen, daß der Zugang zur Welt in jeder Sprache ein anderer ist. Schon in der Schule verstand er, daß "das Eindringen in eine fremde Sprache nicht nur andere Wörter und andere Grammatik mit sich brachte, sondern auch eine neue Art des Sehens, Fühlens und somit eine neue Art, Erfahrung begrifflich zu fassen". Damit kam er an den Kern der allgemein bekannten Sapir-Whorf-Hypothese, die inhaltsgemäß besagt, die Struktur der Welt werde durch die Muttersprache geprägt. Menschen müssen also die Welt so sehen und beschreiben, wie es die Muttersprache festlegt und jede Sprache bedeutet eine andere begriffliche Welt.

"Die Befreiung von einer einzigen Muttersprache erleichtert in vieler Hinsicht das unmittelbare Verständnis bestimmter Aspekte des Konstruktivismus, die all jenen sehr viel Mühe bereiten, deren Weltanschauung durch eine einzige Sprache begrenzt wird".
Ernst von Glasersfeld betont immer wieder, daß die Aneignung der konstruktivistischen Position erfordere, daß man fast alles umbaut, was man vorher gedacht hat. Der Konstruktivismus bedeute einen "radikalen Umbau der Begriffe des Wissens, der Wahrheit, der Kommunikation und des Verstehens" und könne daher mit keiner traditionellen Erkenntnistheorie versöhnt werden.


Diese Einsicht kann uns helfen, die Probleme des "Verstehens" zu verstehen, denn was wir im allgemeinen "Verstehen" nennen, geht oft nicht so vor sich, wie man oft glaubt. Denn wenn A zu B etwas sagt, so gibt es für B keine Möglichkeit zu erfahren, was sich im Kopf von A dabei abspielt. Es ist unmöglich, zu überprüfen, wie die vom "Sender" ausgegangene Information bei dem "Empfänger" wirklich ankommt.

"Wenn ich behaupte, ich hätte verstanden, was jemand zu mir sagt, dann heißt es keineswegs, daß ich mir in meinem Kopf ein Begriffsnetz aufgebaut habe, das dem des Sprechers genau gleicht. Es heißt nichts anderes, als daß es mir gelungen ist, in der gegenwärtigen Situation ein Begriffsnetz zu konstruieren, das mit meiner Auffassung von dem Sprecher in eben dieser Situation vereinbar ist und nicht zu Schwierigkeiten führt. Es scheint mir in die Situation zu passen, und meine Reaktion führt nicht zu Reibungen oder Unstimmigkeiten seitens des anderen Sprechers. Wie wir alle wissen, kommt es oft vor – und nicht nur bei Kindern – , daß wir beim nächsten Gebrauch eines Wortes oder Ausdrucks darauf kommen, daß das vorher angenommene Verstandenwerden nur scheinbar war".

Aus diesen Überlegungen folgert Ernst von Glasersfeld:
"Wenn dem so ist, dann kann man sagen, die Sprache übermittelt nicht, sondern wie Humberto Maturana es ausdrückt, sie orientiert. Das deutet darauf hin, daß die Sprache kein Transportmittel ist, sondern daß man eben durch Sprechen bestenfalls die begriffliche Konstruktion der Zuhörer einschränken und in gewünschte Richtungen leiten kann. Aber man kann ihnen durch Wörter nie das vorschreiben, was man sie denken machen möchte".


Dies als kleine Anregung. Der Beitrag umfasst so ca 13 Seiten. Also wer Lust und Zeit hat, hier ist der Link

Liebe Grüße
Kronos
 
Werbung:
Ist aber doch ein allbekanntes Problem der Sprache/n und nicht nur dieser auch die Mathematik als beschreibende Sprache hat das gleiche Problem.

Liest man zum Beispiel die Werke von Immanuel Kant, so sieht man wie durch einen großen Wortschatz und eine gewählte Ausdrucksweise, der Kern der Aussage viel deutlicher herauskommt und viel besser spezifiziert wird als in der Umganssprache.

Sprache ist halt auch ein Teil Kultur und läßt bewußt Spielräume in der Interpretation.

Meiner Meinung nach sollte man Sprache nicht nur als Informationsträger sehen, sie spiegelt auch nationale Empfindungen, kulturelle Felder und nicht zuletzt empfindungsmässige Kommunikation (Musik) wieder.
 
vor kurzem las ich folgenden Beitrag in einem Forum:

Da in verschiedenen Themen immer wieder die Begriffe Erkenntnis, Trennung, Ich und Du genannt werden, möchte ich mal kurz erwähnen, wie die Rastafari sich selbst im Zusammenhang sehen.

Wenn sie von sich selbt als Einzelperson reden, verwenden sie niemals das aktive Subjekt erzeugende i (ich) sondern das passive Objekt erzeugende me, zb me kiant hear yuh (ich kann dich nicht verstehen). Sie benutzen das i als Identifikation der Gemeinschaft, so sagen sie anstelle von we (wir), i and i (ich und ich), zb i n i haffi pray (wir sollten beten). Damit findet eine IchAuflösung statt, jeder einzelne wird zu einem Teil der Gemeinschaft und jeder andere zu einem Teil von einem selbst. Daraus resultiert der enorm respekvolle Umgang dieser Menschen, denn sie wissen, daß das, was man dem anderen antut, sich quasi selbst antut.

was da über die Sprache der Rastafari geschrieben wird, war mir bisher unbekannt und ist sehr interessant.
 
Finde das ist aber nicht alleine an den Sprachen an sich auszumachen, auch an deren Gebrauch, man kennt ja das aus der Zeit Friedrich des Großen in der es als Zeichen von Stand und Bildung galt Jemanden in der dritten Person anzusprechen "Hat er sich denn überlegt.." etc.

Also das Gegenteil von Vebindung schaffen vielmehr Abstand erzeugen und Verantwortlichkeitsbereiche klar zu deffinieren.

Mann mag das sehen wie man will aber beide Formen des Ausdrucks haben Vor- und Nachteile, so ist es ja auch mit der Anrede 'Sie' und dem lange Zeit vor allem bei jüngeren Menschen üblichen 'duzen' von Jedermann.

Respekt bezeugt und Abstand hält das 'Sie', das 'Du' zeugt oft vom Gemeinsamen das so garnicht existiert.

Als Beispiel in kommunistischen Ländern wurde oft Jeder mit 'Genosse' bezeichnet "Genosse Staatsratsvorsitzender", dies sollte die Gleichheit des Einzelnen und die Verbundenheit der Menschen zueinander deutlich machen, jedoch gab und gibt es gerade in diesen Systemen die größten Unterschiede zwischen einfachen Leuten und Machtausübenden.
 
Respekt bezeugt und Abstand hält das 'Sie', das 'Du' zeugt oft vom Gemeinsamen das so garnicht existiert.

Ich verstehe was du meinst, im deutschen sehe ich es so wie du, ich kenne es auch nicht anders. Nehmen wir aber zum Beispiel die englische Sprache , da gibt es kein "Sie" als Anrede, sondern immer nur das "you".

Menschen müssen also die Welt so sehen und beschreiben, wie es die Muttersprache festlegt und jede Sprache bedeutet eine andere begriffliche Welt.
Ernst von Glaserfeld hat das ziemlich gut zu Wort gebracht.
 
Im Englischen wird das nicht vorhanden sein, einer differerierten Anrede dann doch oft durch das Beifügen von Worten ausgeglichen, siehe das 'Sir' beim Militär, oder das 'mam' also Höflichkeitsfloskel gegenüber verheirateten Frauen, wobei da die deutsche Sprache ja wieder die Differenzierung von Frau und Fräulein parat hat und in der besonderen Höflichkeitsform Früher auch noch die Steigerung durch Beifügung 'Frau Doktor' die dann keinen Doktortitel haben musste sondern durch Heirat mit einem Akademiker dazu wurde :)

In Österreich sogar noch gesteigert durch z.B. 'Frau Kommerzialrat' was oft nichts Anderes bedeutete als die das es sich um eine Frau eines erfolgreichen Unternehmers handelte :)

Der Herr Ernst von Glaserfeld hat natürlich meienr Meinung nach vollkommen Recht, was sich ja auch in der Anwendung der Sprachen wiederspiegelt, so sind wohl weltweit die meißten Lieder in Englisch verfast und das gewiss nicht nur aus kommerziellen Gründen, vielleicht aber auch deswegen weil sich in der englischen Sprache noch viel aus dem keltischen erhalten hat und bei den Kelten halt der Barde großes Ansehen und Macht genoss, weshalb es doch denkbar wäre das die Sprache dann stark auf musischen Grundlagen basierte?

Deutsch war ja mal die Sprache der Technik und Wissenschaft, soviel ich weiß wird im japanischen Kaiserpalast von den Ärzten noch immer Deutsch gesprochen und in Amerika war bei den Wisseschaftlern Früher Deutsch auch bevorzugte Sprache.

So hat halt jede Sprache ihre Vor- und Nachteile und der Erhalt der vielen Sprachen und Dialekte sollte unbedingt gewährt werden, nicht nur aus der Sicht des Weltkulturerbes, Nein auch weil die Vielfalt belebt und wer will den wirklich einen sprachlichen Uniformismus wie er gerade durch das Internet immer mehr um sich greift :(
 
Werbung:
Nein auch weil die Vielfalt belebt und wer will den wirklich einen sprachlichen Uniformismus wie er gerade durch das Internet immer mehr um sich greift

Ähm, kann ich nicht nachvollziehen. Habe nicht das Gefühl daß wir uns auf einen "sprachlichen Uniformismus" hinbewegen. Kann mich über Vielfalt nicht beschweren.
Woran siehst du das?
 
Zurück
Oben