Gesellschaftliche Kommunikation ist ein sehr komplexes Thema. Ich gehe jetzt mal nicht auf alles ein, denn darüber könnte man nicht nur ein Buch schreiben. Du erwähnst ganz am Anfang die sozialen Medien und ich stimme zu. Interessant ist aber v.a. wenn man sich fragt, was genau prägt diese oft extreme Dynamik? Meine Antwort wären vor allem zwei Punkte:
1. Tempo
2. Aufmerksamkeits-Ökonomie
Der erste Punkt ist selbsterklärend, wird mitunter aber unterschätzt. Das hohe Tempo des Internets insgesamt verändert auch die Berichterstattung der Mainstream-Medien. Insgesamt erhöht das natürlich auch die Quantität, sehr oft aber natürlich auf Kosten der Qualität. Sieht man sich Berichterstattung zu Themen an in denen man sich tatsächlich sehr gut auskennt, merkt man schnell, dass Journalisten sich nicht mal mehr die Mühe für echte Recherche machten -- bzw. die Zeit nicht haben um das zu tun. Dadurch kommt es dann oft genug zu Fehlern. Und der Mangel an Expertise wird durch eine Zunahme an Meinung "ausgeglichen". Es wird wesentlich mehr bewertet, so dass man bei vielen Artikeln eigentlich gar nicht mehr genau sagen kann ob man es hier mit einem Meinungs-Artikel zu tun hat oder journalistischer Berichterstattung die v.a. informieren sollte.
Beim Thema Aufmerksamkeits-Ökonomie geht es vor allem um die simple Frage: Was erzeugt wohl mehr Aufmerksamkeit und wird z.B. mit Clicks und Likes und Retweets belohnt?
Antwort A: Ein sachlicher und differenzierter und informativer Text, der dann logischerweise auch nicht nur mit 250 Zeichen auskommt,...
Antwort B: ...oder aber eine kurze und prägnante Verurteilung eines Feindbilds?
Die Antwort dürfte klar sein. Und das hat extreme Auswirkungen, denn ganz viele sind sehr gewillt genau so etwas zu übernehmen. Vermeintliche moralische Überlegenheit schlägt Informiertheit und Argumente, bzw. braucht es nur noch den Hinweis auf die Idiotien und Verrücktheiten der Gegenseite um sicher zu sein auf der richtigen Seite zu stehen. Und das können logischerweise beide Seiten glänzend machen, denn es gibt keinen Mangel an totalen Idiotien auf beiden Seiten.
Interessant ist auch, dass das viel eher eine soziale Komponente hat, eine Art Gruppendynamik, als das es überhaupt um das jeweilige Hysterie-Thema geht. Die Themen werden eher benutzt um sich moralisch zu ereifern und die Themen sind austauschbar. Auch die vermeintlichen Argumente sind vollkommen austauschbar, auch austauschbar zwischen den jeweiligen Fronten.
Je schärfer gegen die "Bösen" geschossen wird, egal wie dumm und oberflächlich es ist solange es nur irgendwie pointiert ist, desto größer der Beifall aus den eigenen Reihen.
Das ist natürlich verkürzt, aber in etwa so läuft die alltäglich sichtbare Hysterie ab. Und diese Kommunikations-Methode ist mittlerweile derart selbstverständlich, dass man selbst in einem Forum wie diesem hier fast schon aufgefordert wird sich zu entschuldigen wenn man Posts schreibt die nicht in einen Tweet passen würden, wenn man differenziert und nicht einfach nur oberflächlich urteilt. Da läuft man gleich Gefahr auf der Gegenseite eingeordnet zu werden.
Das Problem dabei ist zudem: Vor allem die Idioten bekommen ein Megaphon in die Hand. Differenziertere Stimmen (und letztlich sind die Normalen da durchaus noch in der Mehrheit, meistens nur zurückhaltender), sogar von jenen gemutet werden wollen die in sachlicher Hinsicht eigentlich gar nicht weit entfernt sind.
P.S.: Ich weiß, für einige hier ist dieser Text zu lang.