Psychiatrie für alle - Artikel in der taz

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Na ja, lieber @Joey , was du erzählst, kenne ich auch von mir selbst. Ich war immer auf dem Sprung, konnte nicht allein spielen und weinte, wenn ich im Kindergarten lange bleiben musste.

Nein, was ich erlebt habe und erzähle, geht sehr weit über das hinaus. Ich sprach nicht von "weinen, weil im Kindergarten gelassen", sondern unter anderem von Stunden langem ununtebrochenem laut brüllen und umherlaufen - und zwar nicht weinen, sondern eine Art Kriegsgeschrei.

Dennoch bezweifle ich, dass diese Medikamente langfristig helfen können.

Ob sie langfristig helfen, ist eine andere Frage. Hauptsache ist aber, dass sie überhaupt helfen und mitunter auch erst zu langfristiger Hilfe befähigen.

Hast du den Stoff selbst eingenommen?

Ich nicht, aber Studien-Kollegen von mir, die sich davon erhofften konzentrierter arbeiten/lernen zu können. Es entfaltete auch die gewünschte Wirkung, wobei sie gewarnt wurden und auch gewahr waren, dass es kein langfristiger dauerhafter Einsatz werden dürfe. Soweit ich weiß haben sie auch jeweils wunderbar geschafft, das Mittel abzusetzen, als der betreffende leistungsdruck nachließ bzw. die Aufgaben eledrigt waren.

Er löst doch Abhängigkeit aus, also eine körperliche Sucht.

Nein. Ritalin löst eine Gewöhnung aus, dass man bei langfristiger Nutzung die Dosis erhöhen muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Mit einer Sucht ist ds aber nicht gleichzusetzen.

Wenn ein kleines Kind Kokain als Arzneimittel bekommt, macht mich das wirklich sprachlos.

Bekommt es ja auch nicht.

Das Gehirn sollte sich unter normalen Bedingungen entwickeln – in einer guten Umgebung, in der Mitgefühl und Akzeptanz vorherrschen. Das würde ich an erste Stelle setzen, nicht sofort die Einnahme von solchen Stoffen, die die feinen Verbindungen in den neuronalen Netzen durcheinanderbringen können.

Niemand verabreicht diese Stoffe sofort, sondern nach einer sorgfältigen Diagnose und Abwägung. Und ggf. ermöglicht das Mittel dann, dass sich das Gehirn überhaupt weiter normal entwickeln kann und nicht dauerhaft z.B. durch ADHS und die damit einhergehende mangelnde Aufmerksamkeitsfähigkeit etc. darin beeinträchtigt wird.

Natürlich kann es helfen – aber zu welchem Preis?

Wenn nichts anderes hilft...
 
Ritalin ist kein Kokain. Um die gleiche Wirkung zu haben, müsste man die Tabletten zerstoßen und durch die Nase schnupfen. Offensichtlich keine ärztlich verordnete Einnahme. Wenn man das nicht tut, ist die Dosis viel zu gering und durch die Tablettenform und das Coating wird der Stoff nur sehr langsam und gezielt verabreicht. Das ist bei Tilidin ähnlich. Tilidin ist ein Opioid, aber kein Opium. Tatsache ist, das es wahrscheinlich seit tausenden Jahren Fälle von ADHS gibt und Eltern alles versucht haben, was man versuchen kann. Wenn etwas davon zuverlässig geholfen hätte, hätte niemand ernsthaft an Ritalin geforscht oder einen Bedarf gesehen. "Zappelphilipp" gab es schon lange, bevor ADHS "berühmt" wurde. So oder so haben Psychopharmaka grundsätzlich andere Wirkungen auf neurodivergente Menschen als bei „Normalos“. Das kann und sollte man nicht vergleichen …
 
Ritalin ist kein Kokain. Um die gleiche Wirkung zu haben, müsste man die Tabletten zerstoßen und durch die Nase schnupfen. Offensichtlich keine ärztlich verordnete Einnahme. Wenn man das nicht tut, ist die Dosis viel zu gering und durch die Tablettenform und das Coating wird der Stoff nur sehr langsam und gezielt verabreicht. Das ist bei Tilidin ähnlich. Tilidin ist ein Opioid, aber kein Opium. Tatsache ist, das es wahrscheinlich seit tausenden Jahren Fälle von ADHS gibt und Eltern alles versucht haben, was man versuchen kann. Wenn etwas davon zuverlässig geholfen hätte, hätte niemand ernsthaft an Ritalin geforscht oder einen Bedarf gesehen. "Zappelphilipp" gab es schon lange, bevor ADHS "berühmt" wurde. So oder so haben Psychopharmaka grundsätzlich andere Wirkungen auf neurodivergente Menschen als bei „Normalos“. Das kann und sollte man nicht vergleichen …

ich bekam schon Tilidin und auch Opium,
gerne genommen denn die Schmerzen waren höllisch,
danach ohne Probleme wieder aufgehört.
 
(...) "Zappelphilipp" gab es schon lange, bevor ADHS "berühmt" wurde. (...)

Zumal ADHS auch nichtmit Zappelphilipp gleichzusetzen ist.

ADHS verhält sich zu Zappelphilip wie Depressionen zu normaler Niedergeschlagenheit.

Eltern von Kindern mit ADHS bekommen die Ratschläge, das Kind müsse doch einfach nur mehr raus kommen, mehr/weniger Verbote bekommen oder weniger am Handy spielen. Das mag bei einigen Kindern auch ein guter Rat zu sein, aber als allgemeiner Rat ist es ungefähr so sinnvoll, wie einem Menschen mit ausgewachsener Depression zuraten, doch einfach mehr unter Menschen zu gehen und mehr Sport zu machen.
 
Nein. Ritalin löst eine Gewöhnung aus, dass man bei langfristiger Nutzung die Dosis erhöhen muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Mit einer Sucht ist ds aber nicht gleichzusetzen.
Ich wollte nur auf diesen Abschnitt eingehen.


Du hast recht: Zuerst entsteht die Gewöhnung, dann die Erhöhung der Dosierung. Aber das Gehirn ist doch kein Spielzeug, mit dem man ewig herumbasteln kann. Die inneren Ressourcen werden früher oder später aufgebraucht.


Ich habe dazu ein sehr gutes und langes Interview mit einem Vater gelesen, der seinen Sohn verloren hatte, + außerdem einen langen Artikel in der New York Times, in dem beschrieben wurde, wie dieser junge Mensch am Ende Suizid begeht. Zuvor verliert er seinen Job und unternimmt alles Mögliche, um den Stoff zu bekommen – sogar über verschiedene Ärzte.

Und das ist die echte Epidemie schon...


Das hat mich wirklich sehr nachdenklich gemacht. Müde ausgedrückt.


Weiß nicht…
 
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