FreeAislin
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- 3. April 2015
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Hallo,
ich habe wieder den Weg hierher gesucht und möchte ihn weitergehen. Es ist auch so, dass ich wieder meine Geschichte erzählen möchte, weil ich weiß, dass unter den Leuten auch Menschen gibt, die Nahtoderfahrungen erlebt haben und nach Antworten suchen, wie ich damals nach meiner Nahtoderfahrung. Auch den Menschen, die sich dafür interessieren, will ich sie erzählen. Natürlich kann ich direkt keine Antworten geben, doch ich kann/ will von meiner Nahtoderfahrung berichten und wie sie mich und mein Leben verändert hat. An dieser Stelle erwarte ich kein Mitleid (ich habe aufgehört, mich selbst zu bemitleiden) und ich halte mich keineswegs für etwas Besonders, nur weil ich so etwas erlebt habe.
Am 17.02.15 feiere ich mein zweiten Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich in Zentralmexiko und arbeitete als Deutschlehrerin an einer Schweizer Schule. Zugleich war ich als Privatlehrerin tätig und hatte eine ziemlich volle Woche. Somit hetzte ich von einem Termin zum anderen. Mein Leben war voll mit Lehrtätigkeiten.
An diesem Tag war einiges anders als sonst. Am Morgen hörte ich immer wieder eine Stimme, die mir sagte: "Bleib zu Hause, sonst liegst du noch im Krankenzimmer der Schule!" Ich hatte eine Erkältung. Doch ich ignorierte diese Stimme immer wieder, weil ich mit meinen Schülern noch einen Test schreiben wollte. Die Stimme hörte nicht auf, das immer wieder zu sagen: Bleib zu Hause! Ich ignorierte sie. Dann zog ich noch eine Engelkarte. Schutzengel!!! Dann fuhr ich mit dem Auto zur nahegelegenen Schule.
Es war 10.30, als ich auf dem Parkplatz vor der Schule ankam. Die meisten Menschen waren schon in der Schule drin. Der Parkplatz ist etwas abschüssig und geht etwas bergab. So bog ich in den zweiten Parkblock ein, sah noch eine Frau im nächststehenden Auto am Steuer sitzen. Ich parkte mein Auto in der unteren Reihe, etwas näher zum linken Nachbarsauto. Die Reifen zeigten zum linken Auto. Ich hatte sie nicht geradegestellt. Ich zog die Handbremse und stieg aus. Dann schlüpfte ich wieder rein, um meine schwere Tasche vom Beifahrersitz zu holen. Dabei bemerkte ich, dass das Auto rollte. Ich zog mich schnell aus dem Auto raus. In Sekunden checkte ich die Lage ab. Ich stellte fest, dass das Auto, wenn es nach vorne rollt, mit zwei Autos zusammentreffen würde. Das wird teuer. Also dachte ich: Schnell reinspringen und auf die Fußbremse treten. Ich hielt mit beiden Händen am oberen Steuer fest (Mein Glück!) und wollte reinspringen. Doch ich realsierte zu spät, dass die Tür des nach vorne rollende Autos, das linke Auto streifte und mich gegen die Karrosserie presste. Also linke Körperseite an der Tür und die rechte an der Karrosserie. Das Auto bewegte sich weiter nach vorn.
Dann merkte ich, dass ich nicht reinkam. Ich saß in der Falle, eingequetscht in der Autotür. Wie eine Presse drückte die Tür mich weiter an die Karrosserie. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, mich befreien. Die Tür übte eine gewaltige Kraft auf mich aus, während das Auto weiterrollte und dem linken Auto immer näher kam. "Ok, tief einatmen. Das beruhigt.", dachte ich. Beim Einatmen bemerkte ich, dass ich nicht mehr sehr gut atmen kann. Ich geriet in Panik. Ich konnte es nicht fassen. Der Kampf ums Überleben begann. Ich rief gepresst nach Hilfe. Ich dachte nur, hinter mir sind meine Kollegen und ich sterbe hier allein. Keiner kam. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich war nicht bereit zu sterben. Ich hörte mich nur verzweifelt sagen: Nein, nein, nein...Die Schmerzen vergrößerten sich. Es dauert nicht mehr lange und meine Knochen würden brechen. Das wäre mein Ende. Ich spürte den Tod, ich roch seinen Atem. Ich spürte schon, das ist mein letzter Tag. Ich spürte, wie mich etwas ins Jenseits ziehen wollte.
Ich wehrte mich und kämpfte. Ich rief immer wieder um Hilfe. Da erinnerte ich mich an die Frau, die ich zuvor im Auto gesehen hatte. Ich rief nochmal. Dann sagte ich: Ich kann nicht atmen. Nach einer Weile tauchte sie an meinem Auto auf und versuchte das Auto hochzuschieben. Allein war es schwer. Ich wurde schwächer. Sie lief nach hinten. Ich sagte nur: Schnell! Die Schmerzen waren unerträglich. Meine Füße quetschten sich mehr zusammen. Im letzten Moment kam sie mit drei anderen, darunter zwei Männer der Schule. Sie schoben gemeinsam das Auto hoch, was mit angezogener Bremse und Kiesbett und Kantstein schwierig war. Doch es gelang ihnen, das Auto hochzuschieben und die Tür entfernte sich von mir. Ich zog mich raus und war frei.
Danach ließ ich mich auf den Boden fallen. Die Frau hob mich wieder auf. Ich begriff nicht, was geschehen war. Ich stand unter Schock. Die Schmerzen spürte ich nicht mehr. Ich fühlte nur eine unglaubliche Freiheit, wie ich sie noch nie gespürt hatte. Oben im Lehrerzimmer versorgten mich meine Kollegen mit Tee und offenen Ohren. Die Englischlehrerin kam auf mich zu, als ich ihr davon erzählt hatte und umarmte mich und sagte mir nur: Du bist sicher. Ich konnte es kaum glauben. Ich war wieder kurz davor zusammenzubrechen. Deswegen legte ich mich ins Krankenzimmer. Dort brach ich in Tränen aus, weinte wie ein Baby. Die Schulpsychologin kam zu mir und hörte mir zu. Ich sagte nur: Die Welt braucht mich wohl noch. Alles fühlte sich so intensiv und neu an. Als hätte ich eine Wiedergeburt hinter mir. Danach fuhr sie mich ins Krankenhaus. Außer schlimmen Prellungen war kein einziger Knochen gebrochen. Mir war schwindelig.
Zuhause betrachtete ich die Verletzungen und konnte kaum glauben, dass ich lebend da rausgekommen bin.
Die nächsten Tage liefen ganz anders ab. Die Zeit schien langsamer zu laufen. Es gab keine Vergangenheit, keine Zukunft, nur der Moment. Alles roch so neu. Alles empfand ich als neu. Ich reduzierte meine Arbeitsstunden. Zum Glück konnte ich mit Kollegen sprechen. Ich bemerkte, dass ich mein Leben in die Hand nehmen musste. Es selbst machen. Einfach machen! Doch mein Kopf war durcheinander, das reinste Chaos. Egal, wohin ich ging. Alles war so intensiv, auch meine Gefühle. Alles rauschte in mich hinein. Ich spürte noch, wie ich eingequetscht war (das spüre ich heute noch in Stresssituationen). Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Das Nachdenken begann. Somit fiel ich in ein schwarzes Loch.
Plötzlich hatte ich Angst vor der Dunkelheit. Vor 23 Uhr konnte ich schlecht einschlafen (ich schlief immer so gegen 21.30 Uhr ein). Ich konnte keine Horrorfilme mehr sehen (ich liebte sie). Ich hatte Probleme mit dem Alleinsein. Ich ging durch das tiefste Tal meines Lebens. Ich machte mir Vorwürfe: Ich habe überlebt und die Anderen mussten sterben. Ich hatte das Gefühl bekommen, das Leben nicht verdient zu haben. In Mexiko wurde ich oft mit dem Tod konfrontiert. Haustiere starben jung. Eine Kollegin wurde ermordert. Ein Schüler starb durch ein Flugzeugabsturz. Die Liste ist lang. Ich hatte Probleme damit, aus dem schwarzen Loch rauszukommen. Etwas in mir trieb mich an, gleichzeitig tobte es in meinem Kopf. Jeden Tag hatte ich Angst, die Schlucht runterzufallen, vom Auto überfahren zu werden und was sonst noch alles passieren konnte. Aus diesen Gedanken kam ich nicht mehr raus. Ich suchte Hilfe. Das war eine gute Entscheidung. Die Psychologin gab mir Techniken an die Hand und sprach mir Mut zu. Heute noch nutze ich sie. Besonders die Dinge mt Abstand zu betrachten. Sie fragte mich: was kann ich für mich tun? Ich fing an Yoga zu machen. Das half mir, die blockierten Gefühle rauszulassen. Am Ende nach der Entspannung weinte ich einmal. Ich versuchte, wieder ein "normales" Leben zu führen. Es gelang mir nicht. Der Druck, besonders der innere, war kaum zu ertragen. Alles war mir zuviel. Ich wollte mein Leben ein Ende setzen. Doch ich konnte mich bremsen.
Ich musste etwas ändern.
Ich beendete die Zeit an der Schweizer Schule und zog mit meiner Ex und unseren Haustieren nach Norden an die Grenze Mexikos, wo schon ein neuer Lehrerjob aus uns wartete. Dort zogen wir in ein Reihenhaus in einer abgesicherten Siedlung am Stadtrand. Nebenan war ein riesiges Naturarreal. Herrlich! Doch auch der Umzug verhalf mir keine Verbesserung.
Dann hörte ich die Frage: Du hast zwei Möglichkeiten. Willst du weiterleben oder willst du dem Leben ein Ende setzen? Wenn du immer sagst: Ich kann nicht mehr! Dann kannst du schlecht so weiterleben." Diese Stimme hat Recht. Ich musste eine Entscheidung treffen. Ich entschied mich fürs Weiterleben.
Ich fing an mit Taekwondo. Nach einer Stunde Auspowern fühlte ich mich entspannter. Ich half Streunerhunden mit Wasserbehältern und Futter aus. Ich fing an, die kleinen Dinge zu sehen und mich daran zu erfreuen. Ich freute mich am Geschmack von Kaffee (vorher hatte ich selten Kaffe getrunken). Ich genoss die Gespräche mit einer Freundin. Ich fuhr öfter an den Strand, lauschte den Möwen und genoss es einfach. Ich ging ins Kino, lachte. Doch trotzdem fehlte etwas. In mir wuchs die Sehnsucht nach Deutschland zurückzukehren, zu meiner Familie und Freunden, die ich seit Jahren nicht mehr wiedergesehen hatte. April 2016 kehrte ich nach Deutschland zurück.
In mir öffneten sich Türen und heute finde ich meine Heimatstadt so toll. Ich fühle mich zu Hause und ich möchte bleiben, obwohl ich ein Nomadenleben führe.
Trotzdem dieses Ereignis geht mir nicht aus dem Kopf. Wie nutze ich es und wie gehe ich damit um?
Natürlich geht jeder damit anders um. Jeder verarbeitet es anders. Eins ist sicher. Es ist nicht mehr so, wie es einmal war. Für mich ist es manchmal anstrengend noch feinfühliger zu sein. Doch, wenn ich mich dem Leben öffne und neugierig bin, dann passieren die magischsten Momente. Diese sind eine Bereicherung für mein Leben. Ich denke, das Leben meint es gut mit uns und unterstützt uns in schwierigen Zeit. Jeden Tag zeigt uns das Leben etwas, was wir lernen können.
Nach dem Unfall..
....bin ich noch feinfühliger. Oft fühle ich besser, was ich machen soll oder was ich vermeiden soll (definitv Großraumbüros )))
...glaube ich an Wunder, dass sie geschehen. Oft habe ich sie danach erlebt. Fast wäre ich wieder bei einem Autounfall draufgegangen, aber das ist eine andere Geschichte.
...bin ich mir sicher, dass Engel existieren. Sie hinterlegen mir Zeichen (Federn, Münzen, die Zahl 5)
...denke ich auch, dass das Leben einen Sinn hat (ich bin noch auf der Suche danach).
... ist meine Intuition viel stärker.
...da draußen ist noch viel mehr.
....stelle ich mir oft/ viel mehr/ fast zu viele Fragen übers Leben. Dann geschehen wirklich magische Dinge. Das Leben macht Vorschläge, eröffnet Möglichkeiten.
...tauchen neue Menschen in meinem Leben aus. Das Leben ist wieder interessanter. Des öfteren frage ich mich: Wofür stehe ich auf? Das ist meine Motivation, weiterzuleben!
... ist meine Vorstellungskraft stärker.
... spüre ich schon die Energie um mich herum viel intensiver. Ich merke, was nicht stimmt oder wenn die Stimmung kippt.
...bemerke ich öfter Wandlungen oder Veränderungen, die kommen.
...kann ich besser mit mir selbst wieder im Einklang sein und mit mir im Dialog sein.
...sehe ich Facetten aus vergangenen Leben.
...habe ich öfter Visionen und Dja vús.
Nach zwei Jahren bin ich immer wieder herausgekommen aus dem schwarzen Loch. Ich weiß, ich komme aus den schlimmsten Situationen wieder raus. Eine davon habe ich ja erlebt. Eins ist auch sicher: Irgendetwas ist mit mir bei diesem Unfall geschehen und es ist alles ok. In der Vergangenheit bin ich oft deswegen durchgedreht, habe mich für verrückt gehalten, aber dieser Unfall hat mich wieder auf den richtigen Weg geschubst. Vor 10 Jahren habe ich mich schon mit solchen Themen befasst, doch die Zeit in Mexiko hat mich davon abgelenkt. Ich bin froh wieder auf dem Weg zu sein, auf meinem "eigenen" und das Leben wieder in die Hand nehmen. Ich habe gemerkt, alles braucht seine Zeit. Erkenntnisse, die hochkommen. Ängste, denen man sich stellen muss, um sie zu akzeptieren und sie somit zu lösen. Veränderungen wahrzunehmen, um sie durchzuführen (nichts bleibt beim Alten).
Das Leben ist ein kostbares Geschenk. Jeden Tag wache ich auf und bin froh zu atmen. Nur der Winter könnte mal langsam vorbeigehen. Das mit Geduld muss ich noch üben.
Ich wünsche euch einen magischen Tag voller Wunder.
ich habe wieder den Weg hierher gesucht und möchte ihn weitergehen. Es ist auch so, dass ich wieder meine Geschichte erzählen möchte, weil ich weiß, dass unter den Leuten auch Menschen gibt, die Nahtoderfahrungen erlebt haben und nach Antworten suchen, wie ich damals nach meiner Nahtoderfahrung. Auch den Menschen, die sich dafür interessieren, will ich sie erzählen. Natürlich kann ich direkt keine Antworten geben, doch ich kann/ will von meiner Nahtoderfahrung berichten und wie sie mich und mein Leben verändert hat. An dieser Stelle erwarte ich kein Mitleid (ich habe aufgehört, mich selbst zu bemitleiden) und ich halte mich keineswegs für etwas Besonders, nur weil ich so etwas erlebt habe.
Am 17.02.15 feiere ich mein zweiten Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich in Zentralmexiko und arbeitete als Deutschlehrerin an einer Schweizer Schule. Zugleich war ich als Privatlehrerin tätig und hatte eine ziemlich volle Woche. Somit hetzte ich von einem Termin zum anderen. Mein Leben war voll mit Lehrtätigkeiten.
An diesem Tag war einiges anders als sonst. Am Morgen hörte ich immer wieder eine Stimme, die mir sagte: "Bleib zu Hause, sonst liegst du noch im Krankenzimmer der Schule!" Ich hatte eine Erkältung. Doch ich ignorierte diese Stimme immer wieder, weil ich mit meinen Schülern noch einen Test schreiben wollte. Die Stimme hörte nicht auf, das immer wieder zu sagen: Bleib zu Hause! Ich ignorierte sie. Dann zog ich noch eine Engelkarte. Schutzengel!!! Dann fuhr ich mit dem Auto zur nahegelegenen Schule.
Es war 10.30, als ich auf dem Parkplatz vor der Schule ankam. Die meisten Menschen waren schon in der Schule drin. Der Parkplatz ist etwas abschüssig und geht etwas bergab. So bog ich in den zweiten Parkblock ein, sah noch eine Frau im nächststehenden Auto am Steuer sitzen. Ich parkte mein Auto in der unteren Reihe, etwas näher zum linken Nachbarsauto. Die Reifen zeigten zum linken Auto. Ich hatte sie nicht geradegestellt. Ich zog die Handbremse und stieg aus. Dann schlüpfte ich wieder rein, um meine schwere Tasche vom Beifahrersitz zu holen. Dabei bemerkte ich, dass das Auto rollte. Ich zog mich schnell aus dem Auto raus. In Sekunden checkte ich die Lage ab. Ich stellte fest, dass das Auto, wenn es nach vorne rollt, mit zwei Autos zusammentreffen würde. Das wird teuer. Also dachte ich: Schnell reinspringen und auf die Fußbremse treten. Ich hielt mit beiden Händen am oberen Steuer fest (Mein Glück!) und wollte reinspringen. Doch ich realsierte zu spät, dass die Tür des nach vorne rollende Autos, das linke Auto streifte und mich gegen die Karrosserie presste. Also linke Körperseite an der Tür und die rechte an der Karrosserie. Das Auto bewegte sich weiter nach vorn.
Dann merkte ich, dass ich nicht reinkam. Ich saß in der Falle, eingequetscht in der Autotür. Wie eine Presse drückte die Tür mich weiter an die Karrosserie. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, mich befreien. Die Tür übte eine gewaltige Kraft auf mich aus, während das Auto weiterrollte und dem linken Auto immer näher kam. "Ok, tief einatmen. Das beruhigt.", dachte ich. Beim Einatmen bemerkte ich, dass ich nicht mehr sehr gut atmen kann. Ich geriet in Panik. Ich konnte es nicht fassen. Der Kampf ums Überleben begann. Ich rief gepresst nach Hilfe. Ich dachte nur, hinter mir sind meine Kollegen und ich sterbe hier allein. Keiner kam. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich war nicht bereit zu sterben. Ich hörte mich nur verzweifelt sagen: Nein, nein, nein...Die Schmerzen vergrößerten sich. Es dauert nicht mehr lange und meine Knochen würden brechen. Das wäre mein Ende. Ich spürte den Tod, ich roch seinen Atem. Ich spürte schon, das ist mein letzter Tag. Ich spürte, wie mich etwas ins Jenseits ziehen wollte.
Ich wehrte mich und kämpfte. Ich rief immer wieder um Hilfe. Da erinnerte ich mich an die Frau, die ich zuvor im Auto gesehen hatte. Ich rief nochmal. Dann sagte ich: Ich kann nicht atmen. Nach einer Weile tauchte sie an meinem Auto auf und versuchte das Auto hochzuschieben. Allein war es schwer. Ich wurde schwächer. Sie lief nach hinten. Ich sagte nur: Schnell! Die Schmerzen waren unerträglich. Meine Füße quetschten sich mehr zusammen. Im letzten Moment kam sie mit drei anderen, darunter zwei Männer der Schule. Sie schoben gemeinsam das Auto hoch, was mit angezogener Bremse und Kiesbett und Kantstein schwierig war. Doch es gelang ihnen, das Auto hochzuschieben und die Tür entfernte sich von mir. Ich zog mich raus und war frei.
Danach ließ ich mich auf den Boden fallen. Die Frau hob mich wieder auf. Ich begriff nicht, was geschehen war. Ich stand unter Schock. Die Schmerzen spürte ich nicht mehr. Ich fühlte nur eine unglaubliche Freiheit, wie ich sie noch nie gespürt hatte. Oben im Lehrerzimmer versorgten mich meine Kollegen mit Tee und offenen Ohren. Die Englischlehrerin kam auf mich zu, als ich ihr davon erzählt hatte und umarmte mich und sagte mir nur: Du bist sicher. Ich konnte es kaum glauben. Ich war wieder kurz davor zusammenzubrechen. Deswegen legte ich mich ins Krankenzimmer. Dort brach ich in Tränen aus, weinte wie ein Baby. Die Schulpsychologin kam zu mir und hörte mir zu. Ich sagte nur: Die Welt braucht mich wohl noch. Alles fühlte sich so intensiv und neu an. Als hätte ich eine Wiedergeburt hinter mir. Danach fuhr sie mich ins Krankenhaus. Außer schlimmen Prellungen war kein einziger Knochen gebrochen. Mir war schwindelig.
Zuhause betrachtete ich die Verletzungen und konnte kaum glauben, dass ich lebend da rausgekommen bin.
Die nächsten Tage liefen ganz anders ab. Die Zeit schien langsamer zu laufen. Es gab keine Vergangenheit, keine Zukunft, nur der Moment. Alles roch so neu. Alles empfand ich als neu. Ich reduzierte meine Arbeitsstunden. Zum Glück konnte ich mit Kollegen sprechen. Ich bemerkte, dass ich mein Leben in die Hand nehmen musste. Es selbst machen. Einfach machen! Doch mein Kopf war durcheinander, das reinste Chaos. Egal, wohin ich ging. Alles war so intensiv, auch meine Gefühle. Alles rauschte in mich hinein. Ich spürte noch, wie ich eingequetscht war (das spüre ich heute noch in Stresssituationen). Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Das Nachdenken begann. Somit fiel ich in ein schwarzes Loch.
Plötzlich hatte ich Angst vor der Dunkelheit. Vor 23 Uhr konnte ich schlecht einschlafen (ich schlief immer so gegen 21.30 Uhr ein). Ich konnte keine Horrorfilme mehr sehen (ich liebte sie). Ich hatte Probleme mit dem Alleinsein. Ich ging durch das tiefste Tal meines Lebens. Ich machte mir Vorwürfe: Ich habe überlebt und die Anderen mussten sterben. Ich hatte das Gefühl bekommen, das Leben nicht verdient zu haben. In Mexiko wurde ich oft mit dem Tod konfrontiert. Haustiere starben jung. Eine Kollegin wurde ermordert. Ein Schüler starb durch ein Flugzeugabsturz. Die Liste ist lang. Ich hatte Probleme damit, aus dem schwarzen Loch rauszukommen. Etwas in mir trieb mich an, gleichzeitig tobte es in meinem Kopf. Jeden Tag hatte ich Angst, die Schlucht runterzufallen, vom Auto überfahren zu werden und was sonst noch alles passieren konnte. Aus diesen Gedanken kam ich nicht mehr raus. Ich suchte Hilfe. Das war eine gute Entscheidung. Die Psychologin gab mir Techniken an die Hand und sprach mir Mut zu. Heute noch nutze ich sie. Besonders die Dinge mt Abstand zu betrachten. Sie fragte mich: was kann ich für mich tun? Ich fing an Yoga zu machen. Das half mir, die blockierten Gefühle rauszulassen. Am Ende nach der Entspannung weinte ich einmal. Ich versuchte, wieder ein "normales" Leben zu führen. Es gelang mir nicht. Der Druck, besonders der innere, war kaum zu ertragen. Alles war mir zuviel. Ich wollte mein Leben ein Ende setzen. Doch ich konnte mich bremsen.
Ich musste etwas ändern.
Ich beendete die Zeit an der Schweizer Schule und zog mit meiner Ex und unseren Haustieren nach Norden an die Grenze Mexikos, wo schon ein neuer Lehrerjob aus uns wartete. Dort zogen wir in ein Reihenhaus in einer abgesicherten Siedlung am Stadtrand. Nebenan war ein riesiges Naturarreal. Herrlich! Doch auch der Umzug verhalf mir keine Verbesserung.
Dann hörte ich die Frage: Du hast zwei Möglichkeiten. Willst du weiterleben oder willst du dem Leben ein Ende setzen? Wenn du immer sagst: Ich kann nicht mehr! Dann kannst du schlecht so weiterleben." Diese Stimme hat Recht. Ich musste eine Entscheidung treffen. Ich entschied mich fürs Weiterleben.
Ich fing an mit Taekwondo. Nach einer Stunde Auspowern fühlte ich mich entspannter. Ich half Streunerhunden mit Wasserbehältern und Futter aus. Ich fing an, die kleinen Dinge zu sehen und mich daran zu erfreuen. Ich freute mich am Geschmack von Kaffee (vorher hatte ich selten Kaffe getrunken). Ich genoss die Gespräche mit einer Freundin. Ich fuhr öfter an den Strand, lauschte den Möwen und genoss es einfach. Ich ging ins Kino, lachte. Doch trotzdem fehlte etwas. In mir wuchs die Sehnsucht nach Deutschland zurückzukehren, zu meiner Familie und Freunden, die ich seit Jahren nicht mehr wiedergesehen hatte. April 2016 kehrte ich nach Deutschland zurück.
In mir öffneten sich Türen und heute finde ich meine Heimatstadt so toll. Ich fühle mich zu Hause und ich möchte bleiben, obwohl ich ein Nomadenleben führe.
Trotzdem dieses Ereignis geht mir nicht aus dem Kopf. Wie nutze ich es und wie gehe ich damit um?
Natürlich geht jeder damit anders um. Jeder verarbeitet es anders. Eins ist sicher. Es ist nicht mehr so, wie es einmal war. Für mich ist es manchmal anstrengend noch feinfühliger zu sein. Doch, wenn ich mich dem Leben öffne und neugierig bin, dann passieren die magischsten Momente. Diese sind eine Bereicherung für mein Leben. Ich denke, das Leben meint es gut mit uns und unterstützt uns in schwierigen Zeit. Jeden Tag zeigt uns das Leben etwas, was wir lernen können.
Nach dem Unfall..
....bin ich noch feinfühliger. Oft fühle ich besser, was ich machen soll oder was ich vermeiden soll (definitv Großraumbüros )))
...glaube ich an Wunder, dass sie geschehen. Oft habe ich sie danach erlebt. Fast wäre ich wieder bei einem Autounfall draufgegangen, aber das ist eine andere Geschichte.
...bin ich mir sicher, dass Engel existieren. Sie hinterlegen mir Zeichen (Federn, Münzen, die Zahl 5)
...denke ich auch, dass das Leben einen Sinn hat (ich bin noch auf der Suche danach).
... ist meine Intuition viel stärker.
...da draußen ist noch viel mehr.
....stelle ich mir oft/ viel mehr/ fast zu viele Fragen übers Leben. Dann geschehen wirklich magische Dinge. Das Leben macht Vorschläge, eröffnet Möglichkeiten.
...tauchen neue Menschen in meinem Leben aus. Das Leben ist wieder interessanter. Des öfteren frage ich mich: Wofür stehe ich auf? Das ist meine Motivation, weiterzuleben!
... ist meine Vorstellungskraft stärker.
... spüre ich schon die Energie um mich herum viel intensiver. Ich merke, was nicht stimmt oder wenn die Stimmung kippt.
...bemerke ich öfter Wandlungen oder Veränderungen, die kommen.
...kann ich besser mit mir selbst wieder im Einklang sein und mit mir im Dialog sein.
...sehe ich Facetten aus vergangenen Leben.
...habe ich öfter Visionen und Dja vús.
Nach zwei Jahren bin ich immer wieder herausgekommen aus dem schwarzen Loch. Ich weiß, ich komme aus den schlimmsten Situationen wieder raus. Eine davon habe ich ja erlebt. Eins ist auch sicher: Irgendetwas ist mit mir bei diesem Unfall geschehen und es ist alles ok. In der Vergangenheit bin ich oft deswegen durchgedreht, habe mich für verrückt gehalten, aber dieser Unfall hat mich wieder auf den richtigen Weg geschubst. Vor 10 Jahren habe ich mich schon mit solchen Themen befasst, doch die Zeit in Mexiko hat mich davon abgelenkt. Ich bin froh wieder auf dem Weg zu sein, auf meinem "eigenen" und das Leben wieder in die Hand nehmen. Ich habe gemerkt, alles braucht seine Zeit. Erkenntnisse, die hochkommen. Ängste, denen man sich stellen muss, um sie zu akzeptieren und sie somit zu lösen. Veränderungen wahrzunehmen, um sie durchzuführen (nichts bleibt beim Alten).
Das Leben ist ein kostbares Geschenk. Jeden Tag wache ich auf und bin froh zu atmen. Nur der Winter könnte mal langsam vorbeigehen. Das mit Geduld muss ich noch üben.
Ich wünsche euch einen magischen Tag voller Wunder.