Lieber Eli,
dein Beitrag zeigt wiederum sehr schön, was ich die ganze Zeit schon zu vermitteln versuche. Und ich danke dir dafür, weils mir somit jetzt leichter fällt. Ich möchte aber zuerst darum bitten folgendes nicht zu persönlich zu nehmen oder als Vorwurf aufzufassen. Mir sind die Zusammenhänge ja bewusst und ich hab da heute auch durchaus Verständnis für.
Dein Augenmerk fällt sofort auf die "bösen Täter", die Kirche.
Nur damit fällt dein Augenmerk eben nicht auf den Schatten, sondern auf die, welche eh schon im Rampen-"Licht" stehen.
Und genau da liegt das Problem!
Der Schatten und wo es eigentlich hinzusehen gilt und wo wir auch unsere ganz eigene Verantwortung übernehmen und tragen könnten ist das wofür Herr Denef kämpft. Der Schatten sind nicht die Täter, sondern die Opfer, die aber keiner sehen und schon gar nicht erst irgendetwas darüber hören will, was sie zu sagen hätten. Und gerade die Opfer sind es die keinen Täter suchen, wozu auch sie kennen ihn ja, sondern eine Er-Lösung haben wollen!
Als Opfer will man nicht den anderen hängen sehen, man will lediglich endlich von dieser Schmach und dieser Scham befreit werden, von diesem Urteil der umstehenden Menschen, die nicht müde werden, einem immer und immer wieder zu sagen "Du bist nicht normal!" Man möchte dass die anderen endlich mal hinsehen! Und zwar da hin sehen, wo das wirkliche Problem liegt.
Ich teile die Erfahrung mit Herrn Denef, dass das erste was passiert, wenn man tatsächlich endlich(!) den Mut aufbringt so eine Sache zur Sprache zu bringen, der sofortige Ausschluss aus der Familie ist. Das System als Ganzes versucht den Schatten (mich) los zu werden. Sich aber hinzustellen und zu sagen "Ich wusste schon immer dass dein Vater ein Ar... war." damit gabs nicht das geringste Problem, das erklärten sie mir mit voller Überzeugung. Nur wem ist damit geholfen?? Wenn man dann versucht zu erklären, dass das alter Hut ist und man eigentlich nur versucht damit fertig zu werden, für sich selbst eine Lösung zu finden, nur etwas Verständnis und Trost gebrauchen könnte, stößt man auf taube Ohren und Ablehnung. Keiner will was damit zu tun haben, keiner will etwas darüber hören.
Herr Denef kämpft seit 20(!) Jahren erfolglos dafür, dass die Verjährungsfrist für Missbrauch abgeschafft wird. Eine sexuelle Straftat ist in Deutschland nach 10 Jahren verjährt. Ein Kind das mit 10 Jahren missbraucht wurde ist aber mit 20 wenn es Glück hat und halbwegs gut damit zurecht kommt, gerade mal so weit überhaupt erst zu begreifen, dass es selbst gar nicht schuld war!
Ich selbst musste 28 Jahre alt werden, um dieses Päckchen "Schuld" endlich an die Absender zurückgeben zu können. Die Zeit auf "Gerechtigkeit" war aber bereits "abgelaufen"!
Herrn Denef geht es eben nicht darum die Kirche anzuprangern, sondern darum, dass wir alle endlich mal hinsehen, da hinsehen wo das wirkliche Problem liegt, dass es nämlich durchaus auch unsere Kinder oder Kindeskinder treffen könnte, dass man für mehr Gerechtigkeit auch wirklich selbst etwas tun könnte!
Und das wäre in diesem Falle lediglich eine Unterschrift für seine Petition, die nicht einmal 2 Minuten unseres Lebens beanspruchen würde.
Und jetzt mal ganz ehrlich und ich nehme es jetzt einfach in Kauf stellvertretend für all jene die sehr wohl wissen worums hier geht, worums hier wirklich geht, von jenen die weiterhin lieber wegsehen wollen durch den Fleischwolf gedreht zu werden. Hab ja Übung darin.
Herr Denef hat einfach recht, wenn er meint, jeder der lieber die Kirche anprangert, anstatt diese Petition zu unterschreiben (die wirklich eine Veränderung bringen könnte, auch wenn es nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein ist) schützt damit die Täter!!
Auch wir, jeder einzelne von uns tragen die Verantwortung dafür, was und ob sich auf dieser Welt etwas ändert!
Und es wird sich mit Sicherheit nichts verändern, wenn wir diese unsere ganz eigene Verantwortung immer nur anderen "Schuldigen" in die Schuhe schieben wollen.
Denn: "Wer ohne schuld ist, werfe den ersten Stein."
Alles Liebe
Stern