Ich bin sicher, da irrst du. Zwar waren Jesus und Johannes anscheinend Cousins, aber sie wohnten ziemlich weit voneinander, und das Treffen der Beiden bei Jesu Taufe lässt nicht auf eine nähere Beziehung schließen.
Lieber Thorwald,
da hast Du mich etwas missverstanden. Jesus hatte ja nach seiner Taufe nicht gleich mit seinem Wirken begonnen, sondern erst nach der Festnahme des Johannes (Markus 1[14]). Er wird also für eine gewisse Zeit, zum Kreis der Jünger Johannes gehört haben, was ja mit dem Kontakt zu ihm nach dessen Verhaftung in den Evangelien bestätigt wird. Er wird also dort auch mit der Botschaft vom Himmelreich, der Nächstenliebe, Taufe und der Umkehr vertraut gemacht worden sein. Jesus war auch gut mit der Praxis einer Missionierung vertraut, das sich nicht durch den Besuch in einer Synagoge lernen lässt.
Zum Lesen und Schreiben fällt mir im Augenblick nur eine Situation in Kafarnaum ein, in der Jesus die Heiligen Schriften an einer ganz bestimmten Stelle aufschlug: Vom Lesen ist da aber explizit auch nicht die Rede. In der Regel verkündete er zudem überwiegend sein Evangelium und dazu gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Schriften, also musste er hier mit freier Rede agieren.
Du solltest auch nicht vergessen, dass die Evangelien erst geschrieben wurden, als die Verklärung Jesus schon im vollem Gange war. Da gibt es viele Stellen, die nur zu diesem Zweck von den Evangelisten mit in den Text verwoben wurden und auch in vielen anderen Heilsgeschichten zu finden sind (z. B. die jungfräuliche Geburt oder die Passionsgeschichte). Gerade die Passionsgeschichte ist gespickt mit Bezügen zum Alten Testament:
Das beginnt schon mit dem Einzug in Jerusalem (Sacharja 9[9]),
setzt sich fort bei den Worten Jesus bei der Tempelreinigung (Jeremia 7[11]),
das Schweigen Jesus bei der Vernehmung vor Pilatus (Jesaja 53[7]; 53[7]),
das Würfeln der Soldaten um die Kleider Jesus (Psalm 22[18/19]),
dem Untergang der Sonne um die Mittagszeit (Amos 8[9]),
dass Jesus nicht die Beine nicht gebrochen werden (Psalm 34[20] ),
Ja und bei den letzten Worten Jesus bei Markus 16[34] und Matthäus 27 [46] (Psalm 22[2])
Solche Bezüge gibt es schon bei Geburtsgeschichte und der Taufe von Johannes. Es muss dann nicht wundern, wenn gerade nach der Zeit der Aufklärung verschiedentliche Zweifel an der Historizität Jesus aufkamen. Es gibt aber auch Stellen in den Evangelien, die nur in Zusammenhang mit einer realen Person einen Sinn ergeben.
Thorwald: Kann mich daran nicht erinnern - wo steht das?
Das schreibt Paulus selbst in seinem Brief an Philemon 3[24] und wird auch in dem 2. Brief an Timotheus im Vers 4[11] erwähnt. Obwohl die Briefe an Timotheus Pastoralbriefe sind und wahrscheinlich nicht von Paulus selbst geschrieben wurden, dürften sie durch die Zeitnähe in diesem Punkt jedoch glaubwürdig sein.
Thorwald: Nun, Johannes war der Lieblingsjünger Jesu - weisst du, warum?
Im Evangelium nach Johannes wird bei der Nennung eines Jüngers häufig von dem gesprochen, den Jesus liebte. Er wird aber nicht namentlich genannt, deshalb ging man davon aus, dass es sich hier um den Verfasser dieses Evangeliums ging. Entscheidend zur Verfasserfrage ist der Vers 21[24] am Ende dieses Evangeliums:
„Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und dies geschrieben hat ...„
Alles klar?
Merlin