"Holcaust verjährt nie"

Das finde ich, mit Verlaub, mehr als ein wenig zu einfach gedacht, Psi.
Zur "Banalität des Bösen" hat Hanna Ahrendt bezüglich Eichmann ja schon mal n gutes Gegenbeispiel für diese These angebracht. Und auch die Anzahl derjenigen aus kleinen bis mittleren Führungspositionen, die nach dem Krieg als Beamte, Politiker, Richter, Lehrer, Professoren, Rektoren, Führungsoffiziere bei Gehlens BND und vor allem bei der Polizei, nahtlos in das politische System der BRD übergingen, war neueren Forschungen zufolge erheblich höher, als die verdrängende Geschichts"aufarbeitung " bis weit in die 60er uns glauben machen wollte. Das waren bei weitem nicht alles "Psychopathen", die haben dann in der Bundesrepublik genauso gut "funktioniert", wie sie es im Dritten Reich taten.
Und was ich beinahe erschreckend finde, ist der erheblich simplifizierende Kniff, Hitler nur auf die Rolle eines Wahnsinnigen zu reduzieren. Wie ich woanders schon mal schrieb, waren seine Denkmuster eingebettet in einen seit Mitte des 19. Jhrs. sich verändernden Antisemitismus, der sich an Gobineaus damals in ganz "normalen" bürgerlichen Kreisen weit verbreiteter Idee von "Rasse" und Blut als biologische Träger von "Kultur" orientierte und zu allem Überfluss dabei auch noch eine hierarchische Ordnung zwischen diesen "Rassen" mitdachte. Wenn man solche Prämissen als gültig anerkennt, wie Hitler und andere das ja taten, dann war das, was später im Holocaust gipfelte, nämlich die Vernichtung eines als "schädlich" gedachten "Volkes", eine innerhalb dieser Ideologie folgerichtige Handlung.
Ich weiß nicht, ob du mal "Sein Kampf" gelesen hast (übrigens nicht nur inhaltlich sondern auch stilistisch eine Zumutung), aber innerhalb von Hitlers Gedankensystem ist das alles kohärent hergeleitet.
Und auch der Krieg wurde ja nicht im Wahn vom Zaune gebrochen, sondern speiste sich aus Hitlers Überzeugung, dass die Evolution ausschließlich im ständigen Kampf ums Leben voranschreite, Kriege also notwendige Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung wären. Kann man alles nachlesen.
Wie du siehst besitzt das dahinterstehende, in meinen Augen komplett bescheuerte Gedankengebäude schon eine gewisse Komplexität und war gesellschaftlich doch erheblich weiter verbreitet, als die These von den "paar Wahnsinnigen" glauben machen möchte.

Mit dem, was die aktuelle Geschichtsforschung zum Thema "Wir haben doch nix gewusst" mittlerweile aufwarten kann, fang ich hier lieber gar nicht erst an......

Nun ja, was ich verlinkt habe belegt doch, dass es sowieso schon viele Psychopathen in Führungspositionen gibt. Also mag das vielen Nazis auch gelungen sein in der Gesellschaft akzeptiert zu bleiben.

Ansonsten war Eichmann ja der Schreibtischtäter schlechthin, und eventuell ist dessen Charakterisierung als "Normalperson" (soweit man das bei solchen Verbrechen so formulieren kann) richtig. Leute wie Hitler , Himmler und Goebbels waren aber sicherlich keine typischen Deutschen, wie man sie überall finden könnte bzw. damals konnte.

Und ich habe auch keine absolute Gegenposition bezogen, sondern nur bezweifelt, dass die Nazi-Elite eher aus angepassten Durchschnittsdeutschen bestand. Und ebenfalls denke ich, dass einige an psychischen Krankheiten wie Psychopathie, Größenwahn, Paranoia usw. litten. Nazis waren keine "biederen" Normalos, und als solche wurden sie vor ihrer Machtübernahme auch nicht gesehen.

Zudem habe ich selbst von dem "Nährboden" gesprochen (zum Beispiel Seite 1), der es den Nazis erlaubte die Macht zu übernehmen. Ich reduziere diese Leute nicht auf den Wahnsinn, und dass jemand psychisch krank ist führt auch nicht notwendig zur Erfolglosigkeit, wie die Psychopathen in Führungspositionen beweisen.

LG PsiSnake
 
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Sie verbindet nur ein dritter Familienmitglied, ein Mann, der einst eine Organisation zur Betreuung der KZ-Flüchtlinge gegründet hat

Dazu habe ich in den Schweizer Medien einen Artikel gesehen von einem Auschwitz-Überlebenden (Gabor Hirsch), der danach in die Schweiz zog und eine Kontaktstelle für Überlebende gründete. Vielleicht hat Dein Onkel Interesse, auch mit diesen Überlebenden Kontakt zu halten. Schau HIER.
 
Zudem habe ich selbst von dem "Nährboden" gesprochen (zum Beispiel Seite 1), der es den Nazis erlaubte die Macht zu übernehmen.

Es kam ja noch die Indoktrination dazu. Wenn ich von Massenpsychose und krankhaft spreche, heißt das für mich aber nicht, dass die Betroffenen bereits vorgängig psychisch krank waren. Sie wurden ideologisiert und diese Ideologie nahm höchst krankhafte und psychopathische Züge an. Bei den jungen indoktrinierten Nazis können wohl kaum Persönlichkeitsstörungen infolge der Indoktrination ausgeschlossen werden. Diese resultieren aus solchen unnatürlichen Zwangserziehungsmaßnahmen (Zwang zur exakten Ausführung der Befehle, Narzissmus, Sadismus, Psychopathie, etc.). Der Anteil in der Bevölkerung wird wahrscheinlich höher gewesen sein als üblich. Aber das wäre eher Folge der Indoktrination und Gehirnwäsche bei der Hitlerjugend. Auf der anderen Seite gehören solche Eigenschaften zum Repertoire der "normalen" menschlichen Eigenschaften, die je nach Ideologie dann ins Negative ausschlagen können. Es war jedenfalls die sogenannte normale durchschnittliche Bevölkerung, die das alles trug und sich auch daran aktiv oder zuschauend beteiligte, und zwar auf sehr hitlergläubige Weise.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dazu habe ich in den Schweizer Medien einen Artikel gesehen von einem Auschwitz-Überlebenden (Gabor Hirsch), der danach in die Schweiz zog und eine Kontaktstelle für Überlebende gründete. Vielleicht hat Dein Onkel Interesse, auch mit diesen Überlebenden Kontakt zu halten. Schau HIER.

Danke. Der letzte Überlebende ist jetzt 93. Ein wenig mit Demenz belastet.
Das erste Mal erfuhr ich übrigens von Schweizer Haltung mit 12 in Remarque`s Arc de Triomphe ;)
 
Um nicht wieder ins OT mit Dir zu geraten, weise ich auf folgenden Artikel hin, der aufzeigt, wie sich die Schweiz mitschuldig machte an der Deportation von Juden nach Auschwitz (und anderen KZ), sogar von italienischen Juden, schau HIER.

Wir können kaum ins OT geraten, bei diesem Thema. Erinnerungen ist das letzte, was geblieben ist. Und jedwaige Holocaust-Diskussion, Diskussionsargumente eigentlich nur Versuche, das Grauen zu verwischen. Fakt: Völkermord ist ausreichend dokumentiert.
 
Hm,

bein Thema Antisemitismus würde ich von vorne beginnen, um zu verstehen, was in den Köpfen der Menschen so abging. Antisemitismus und "Lösungen der Judenfrage" sind kein Thema, das alleine Hitler zuzuschreiben ist, dies ist die Auswirkung eines sehr langen Prozesses. Zu dem Zeitpunkt waren Juden schon Jahrhunderte diskriminiert und auch ermordet worden. Man zwang ihnen auf, nur bestimmte Berufe ergreifen zu dürfen, um ihnen später genau das vorzuwerfen, Rassentheorien wurden nicht nur von Darwin gestützt, europaweit war der Antisemitismus vorhanden und das bereits für unsere Verhältnisse heute in extremster Form.

http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_(bis_1945)
Zu seinen Voraussetzungen gehören der Antijudaismus in der Christentumsgeschichte, zu seinen Wirkungen der Antisemitismus nach 1945. Dieser ist zwar keine gesamtstaatliche Ideologie mehr, aber seine Stereotype und Vorurteilsstrukturen bestehen in vielen Ländern und vielfältiger Form fort.[1][2] Die internationale Antisemitismusforschung widmet sich seit 1945 der Erklärung des Phänomens.

Das Ganze hat seinen Ursprung im Christentum. Religiös begründeter Rassismus.

Ich würde mir wünschen, dass jeder Mensch darüber mal in sich geht und sich überlegt, welcher Wahnsinn dahinter steht zu meinen, nur der eigene Glaube, die eigene Religion wäre das einzig Wahre und man müsse andere Menschen missionieren. Denn da führt ganz automatisch zur Abwertung Anders- und Nichtgläubiger, ob man will oder nicht.

Lg
Any
 
Um nicht wieder ins OT mit Dir zu geraten,

Man kann nicht ins OT geraten, wenn du mal selbst deine Links lesen würdest :

«Der Sinn des Erinnerns ist, dass so etwas nicht wieder geschieht. Wenn ich sehe, was in der Ukraine, Ruanda oder Syrien passiert, befürchte ich, dass die Menschheit nie wirklich dazu lernen wird.»
http://www.srf.ch/news/international/gabor-hirsch-ueberleben-in-auschwitz-und-ein-leben-danach

Wir haben zu begreifen und nicht nur zu trauern und zu gedenken, denn ohne begreifen, gedenken wir weiter, auch beim nächsten Mal und übersehen wieder und wieder.
 
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Ich würde mir wünschen, dass jeder Mensch darüber mal in sich geht und sich überlegt, welcher Wahnsinn dahinter steht zu meinen, nur der eigene Glaube, die eigene Religion wäre das einzig Wahre und man müsse andere Menschen missionieren. Denn da führt ganz automatisch zur Abwertung Anders- und Nichtgläubiger, ob man will oder nicht.

Das ist die eine Seite der Medaille. Damals fing dazu die "Säuberungsaktion" als erstes an im Volke, womit man jedes Volk zum Schweigen bringen kann, denn jeder kann der nächste sein.
Wer "unwert" war, bestimmte die Führung, Ärzte und das Militär. Das ist der Horror dahinter, das ist die andere Seite der Medaille, die erst diesen Vernichtungswahn ermöglich hat.

So leider wiederholbar, wenn ein Staat in der Krise steckt und das Feindbild der Masse schon vorgeführt wurde.
 
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