Richtig. Man denke eben an die Tempelprostitution oder auch an die Hetären der Antike, später die Kurtisanen und in Asien die Geishas - gebildete Frauen, die in der Sexualität entweder eine Art Gottesdienst sahen (Tempelprostitution), oder an der Seite bedeutender Männer standen, zum Teil sogar öffentlich. Hinter manch bedeutendem Kriegsherren stand eine kluge Mätresse...
Und ich denke, diese Frauen lebten weitgehend selbstbestimmt.
Das Schmutzige hat die Prostitution eigentlich erst mit dem Einzug einer verlogenen Moral und der Unterwerfung unter Männerdominanz bekommen. Selbstbestimmte Frauen sind Männern oft unheimlich - einerseits fühlen sie sich zu ihnen hingezogen, andererseits möchten sie gern die Kontrolle haben.
Eine Frau weiß immer, wenn sie ein Kind bekommt, daß es ihres ist - diese Kontrolle haben Männer nicht, und ich glaube, es ist eine gewisse männliche Urangst, ein Kind aufzuziehen, das nicht das eigene ist. Ich denke, daß das einer der Hauptgründe gewesen ist, die Sexualität für etwas "unanständiges" zu erklären - die Kontrolle über Frauen zu bekommen. Es ist die Trennung der Aspekte der Göttin: fortan konnte sich eine Frau nur entscheiden, entweder den religiösen Weg der Nonne zu gehen, oder den "anständigen" Weg, Familienmutter zu werden, oder aber Hure und somit gesellschaftlich Geächtete zu sein. Die Göttin als Ganzes vereinigt aber alle diese Aspekte in sich, und da jede Frau ein Abbild der Göttin ist, trägt jede Frau auch alle Teilaspekte des Weiblich-Göttlichen in sich.
Diese gewaltsame Trennung dessen, was zusammengehört, hat unsere Gesellschaft traumatisiert - Männer wie Frauen. Warum wohl gehen verheiratete Männer fremd oder auch ins Bordell? Sie haben Sehnsucht nach der Hure, aber wenn ihre eigene Frau das machen würde, würden sie ausrasten. Diese soll Hausherrin und evtl. Mutter sein, und bestimmte erotische Wünsche würden sie ihr nie zumuten. Hm, und wenn sich die Ehefrau dann irgendwann einen Lover sucht, weil sie ja im Grunde auch ein erotisches Heißblut ist, dem die Gesellschaft nur eine andere Rolle zugedacht hat - dann dreht der Mann durch und versteht die Welt nicht mehr.
Ich glaube, die Erweckung des Bewußtseins, daß in einer Frau Mutter, Priesterin UND Geliebte gleichermaßen stecken, wäre elementare Voraussetzung, sehr viele Beziehungsprobleme und auch das Verhältnis zur Prostitution zu heilen.
Die heutige Prostitution ist eine Pervertierung des weiblichen Aspektes der Hetäre - es sind keine selbstbestimmten, gebildeten Frauen mehr, die diesen Lebensstil genießen, sondern Frauen, die entweder durch eine Notlage dazu getrieben werden oder durch einen Mann. Und eben deshalb können sich die Frauen ihre Sexpartner nicht aussuchen wie die Kurtisanen vergangener Jahrhunderte, sondern müssen jeden Proll über sich lassen - und das ist das Entwürdigende. Es ist kein erotisches Schlaraffenland, sondern ein knallhartes, männerdominiertes Geschäft, in dem frau erst mal lernt, wie Männer am besten getäuscht werden. Und wenn dann eine sich doch in einen Freier verlieben sollte, sind die Kolleginnen nicht selten mißgünstig und gehässig, ganz zu schweigen von den Männern des "Milieus". Gefühle sind streng verboten, und bei wem welche aufkommen sollten, muß ganz vorsichtig sein ...
Nein, ich bin beileibe kein Moralapostel, aber ich hätte nichts dagegen, wenn die männerdominierte Prostitution in ihrer heutigen Form, vor allem die "Primitivprostitution" mit all dem Elend und der Kälte, die damit verbunden ist, rigoros bekämpft würde. Weil sie schlichtweg eine Entwürdigung der Frauen darstellt.
Frauen, die es freiwillig tun, na meinetwegen (auch wenn ich heute weiß, daß das mit einem Abgrenzungsproblem zu tun hat und häufig wechselnder Sex ohne Liebe letztendlich dem Energiefeld schadet - aber das muß jede selbst wissen). Aber dann bitte selbstbestimmt und in gepflegtem Ambiente.
Aber damit das Schmuddelige an der Prostitution wieder verschwindet, muß sich gesellschaftlich einiges ändern - und da sehe ich nicht nur die verklemmten Moralapostel, sondern auch die immer brutalere Vermarktung des Sexuellen dagegen. Gerade das, was da als immer größere Freizügigkeit daherkommt, degradiert nämlich den Menschen zur Ware. Erotik, die eigentlich Teil der Lebensart und damit der Kultur sein sollte, verkommt zur Pornographie, zu etwas Billigem und Schmuddeligem - zu Unkultur, so wie vieles im Strom des Zeitgeistes zu Unkultur verkommt.