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- 23. Juni 2009
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Hallo Alice,Mir geht es darum, dass auch in den Familien mal wieder ein bisschen Normalität einzieht; dass Kinder erfahren, wie es ist, dass ihre vorbildlichen Eltern einer Arbeitstätigkeit nachgehen, dass sie einen regulären und strukturierten Tagesrhythmus haben, dass sie Verantwortung übernehmen - wo immer das möglich ist, sollte dies so geschehen.
ich erzähle Dir in diesem Zusammenhang mal eine Episode aus dem Erfahrungsschatz meiner Eltern (ich war leider noch zu jung, um das Beschriebene bewusst zu beobachten).
In der ehemaligen DDR gab es ja in diesem Sinne so gut wie keine Arbeitslosen. Auch die Menschen, die Du hier als Sozialschmarotzer bezeichnest waren dort in die Arbeitswelt eingebunden und hatten eine Tätigkeit, der sie regelmäßig nachgehen mussten. Kamen sie dieser Tätigkeit nicht nach, wurden sie von zu Hause abgeholt und auf Arbeit gebracht.
Deiner Theorie zufolge hätte sich diese "verordnete" Berufstätigkeit positiv auf die Familien der Betroffenen auswirken und besonders die Kinder stabilisieren müssen. Hat sie aber nicht. Denn ich kann Dir berichten, dass in meiner Schulzeit nicht weniger Kinder mit sozialen und psychischen Defiziten unterwegs waren wie heute.
Und damit möchte ich gerne den Gedanken zu etwas lenken, von dem mich wundert, dass Du es so wenig in Deiner Argumentation aufführst, da Du Dich ja gerne auf Dein Wissen um die psychischen Mechanismen des Menschen berufst.
Viele der Menschen, die gemeinhin als Sozialschmarotzer betitelt und von den Medien als solche verkauft werden haben schwerwiegende Probleme. Alkoholismus und soziale Verwahrlosung sind dafür ein deutliches Indiz. Genauso wie "Messietum", Depressionen, übersteigerte Agressionen, Lethargie und die Unfähigkeit, eine Arbeitsstelle über längere Zeit aus eigenem Antrieb aufrecht zu erhalten bzw. überhaupt den Wunsch nach einer produktiven Tätigkeit zu verspüren.
Alle diese Anzeichen sind jedoch kein Resultat der Arbeitslosigkeit, wie so gerne angeführt wird. Sie führen lediglich dazu und haben ihren Ursprung viel früher. Und wie bereits oben beschrieben führt verordnete Tätigkeit in dieses Fällen zu keiner wesentlichen Besserung. (Solltest Du das nicht glauben, dann erkundige Dich mal, wieviele Teilnehmer an den (Sinnlos)Maßnahmen der Agentur für Arbeit diese bis zum Ende durchhalten.)
Diese Menschen brauchen meines ganz persönlichen Erachtens etwas Anderes, etwas, dass sie schon in viel jüngeren Lebensjahren gebraucht hätten. Respekt und emtionale Geborgenheit. Und höchstwahrscheinlich einen therapeutsichen Begleiter, der hilft, das Leben zu sortieren und langsam neu auszurichten.
Aber das kostet ja Geld und viel Zeit. Und noch viel Schlimmer, es kostet Verständnis. Verständnis dafür, dass zuerst der Mensch als solches kommen sollte, und dann erst das System bzw. die Institution. Und Verständnis dafür, dass auch Menschen ohne Bildung und Arbeit sich durch ihr Leben kämpfen, auch wenn es für die selbstdeklarierte obere Gesellschaftsschicht nicht so aussieht. Verständnis dafür, dass die Kenntnis der Theorie nur ein Fliegenschiss ist, wenn die Bereitschaft fehlt, die Praxis menschlich an sich ranzulassen.
Aber was solls, nach unten treten ist eben die einfachste Reaktion.
Generell lese ich aus vielen Deiner Postings Angst heraus, dass Du in Deinem zukünftigen studiertem Wahlberuf nicht genug vom Kuchen abbekommen könntest, bzw. dass Du zuviel davon an Andere abgeben sollst.
Verständlich, dass geht vielen so. Der daraus resultierende Beissreflex allerdings ist unterste Schiene. Aber auch die unterste Schublade kann man leider intellektuell rechtfertigen.