Ich erinnere mich noch an vergangenes Jahr, als ein Sturm der Entrüstung durch die Medien ging und es hieß: in Leipzig an der Hochschule werden jetzt Professoren "Herr Professorin" genannt. Das habe die Hochschule so beschlossen.
Tatsache ist, daß das Mumpitz ist. Alles was geschehen war ist, daß in einem hochschulinternen Dokument, der sog. "Grundordnung" nicht mehr weiter die männliche Form für den Leiter eines Fachbereis verwendet wird, sondern der weibliche. Das ist so in tausenderlei Dokumenten üblich und in der Fußnote wird jeweils darauf verwiesen, daß zugunsten der besseren Lesbarkeit die weibliche Form verwendet wird (und meist steht noch dabei, daß mit der Wahl der Formulierung das andere Geschlecht keinesfalls diskriminiert werden solle).
Was die Medien dann daraus gemacht haben ist leider etwas völlig anderes: die Leipziger Hochschule will die deutsche Sprache verändern und alles abschaffen, das eine Art von Diskriminierung darstellen könnte. Die "Verweiblichung der Sprache" hieß es mancherorten in den Medien.
Die Leipziger Uni hat dazu längst Stellung bezogen:
http://www.zv.uni-leipzig.de/service/presse/nachrichten.html?ifab_modus=detail&ifab_id=4994
ebenda schrieb:
Da bei der umfangreichen Berichterstattung zur neuen Grundordnung der Universität ein klares Missverständnis zu Tage getreten ist, sei an dieser Stelle festgehalten: Der erweiterte Senat der Universität Leipzig hat beschlossen, in der Grundordnung - und nur in diesem Dokument - statt der üblichen, meist männlichen Form, in der sich die weibliche Schreibweise mit einer Fußnote begnügen muss - umgekehrt vorzugehen. Die entsprechende Fußnote lautet: "In dieser Ordnung gelten grammatisch feminine Personenbezeichnungen gleichermaßen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. Männer können die Amts- und Funktionsbezeichnungen dieser Ordnung in grammatisch maskuliner Form führen."
"Die Entscheidung des Senats weist damit darauf hin, dass Frauen heute an der Universität Leipzig in der Mehrheit sind. Es ist erstaunlich, dass dieser weder logisch noch formal zu beanstandende Akt in einem Land, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind, auf so viel öffentliche Beachtung stößt. Das Echo weist im Grunde darauf hin, dass es trotz aller rechtlichen Regelungen noch erhebliche Defizite auf diesem Gebiet gibt", sagt Rektorin Prof. Dr. med. Beate A. Schücking. "Da wird von vielen ein Missverständnis gesät, als ob die neue Grundordnung so furchtbar viel verändern würde. Zur Klarstellung möchte ich sagen, dass diese Neuerung auf den Alltag an der Universität und auf den universitären Sprachgebrauch keinerlei Auswirkungen haben wird."
Der Schaden, den die Medien damit für das GM und seine Entwicklung angerichtet haben, scheint dann doch erheblich zu sein, wenn in den Kopfen der Bevölkerung zurückgeblieben ist, daß GM eine "Ideologie" sei, gegen die man sich wehren müsse.
Die Kritik geht in konservativen Kreisen ja aber noch über diese vermeintliche Vergleichlichung von Männern und Frauen hinaus. Ich erinnere den Mitschnitt einer Podiumsveranstaltung gesehen zu haben, in dem sich eine Dame entrüstet zeigte, daß an manchen Flughäfen Unisex-Toiletten eingeführt wurden. Und daß man in Schulen jetzt zu lernen habe, daß Homosexualität, ja sogar Transsexualität eine natürliche Veranlagung sei, die man zu tolerieren und zu akzeptieren habe. Das gehe ja nun gar nicht, schließlich sei die Frau zu ihrer Rolle ebenso biologisch prädestiniert wie der Mann es sei und der Versuch der Abschaffung solle eine neue Weltordnung zwischen den Geschlechtern herbeischaffen. Dort in diesem Vortrag wurde ebenfalls von dieser "GM-Ideologie" gesprochen, die einer Verschwörung gleichgesetzt wurde, die das Ziel verfolge den Mann und die Frau neu zu gestalten. Dagegen müsse man sich unbedingt wehren.
Für mich ist aber Fakt, daß ich von all diesen vermuteten Bemühungen manche ganz gut finde, z.B. den Toleranzaspekt, mit dem sich Konservative natürlich schlecht abfinden können. Wenn das eigene Kind in der Schule Toleranz gleichgeschlechtlichen Lebensweisen (und Mitschülern) gegenüber lernen muß, verträgt das nicht jeder homophobe Elternteil so ohne Weiteres. Aber sorry: diese homophoben Eltern in der Anzahl zu minimieren finde ich ein ehrbares Ziel. Genauso wie ich es ein ehrbares Ziel finde, daß Männer und Frauen gleichberechtigt behandelt werden. Viel muß sich noch ändern, aber erste Schritte sind erkennbar gemacht.
(wobei ich mir nicht verkneifen kann anzumerken, daß Deutschland auch hier gegenüber anderen Ländern, z.B. den skandinavischen, meilenweit hinterherhinkt. Und zwar nicht nur in der Umsetzung, sondern in der Bildung und im Erleben der Bevölkerung. Ich glaub viele Deutsche leben wirklich noch im Jahre 1910 oder auch im Jahr 1940, was die Weiterentwicklung der Werte angeht. Traurig ist, wenn dann die Generation der Kinder dieser konservativen Eltern es nicht schaffen, über den im Elternhaus vermittelten Tellerrand hinauszublicken...)