Farben

L

Lincoln

Guest
Eines Tages trafen sich die Farben Gelb, Rot und Blau, um eine Diskussion abzuhalten. Es war sonniger Tag, die Wiesen waren frisch und der Himmel klar. Für einen kühlen Schatten sorgte das Pavillon, in dem sich die drei Farben niederließen. Ach, sie verstanden sich blendend. Selbst nach einem kleinen Marathon von 3 Stunden, waren sie noch immer guter Dinge.

Da tauchte auf dem Feldweg eine fremde Farbe auf. Sie war Grün. Die heitere Diskussion hatte sie angelockt und somit näher kommen lassen. Fröhlich wie die drei heimischen Farben waren, luden sie die Fremde ein, mit zu diskutieren. Grün nahm gerne an und setzte sich. Doch bereits nach einer halben Stunde war die gesellige Runde hitziger geworden. Rot unterbrach mit einem Stop. "Grün, ich verstehe kein Wort, von dem, was du da faselst, kannst du dich nicht mal normal ausdrücken?" Grün war entsetzt über diese Bosheit, wollte aufstehen und wieder ihres Weges gehen, doch Gelb und Blau standen ihr bei. "Nun mal halblang mit den Gemütern", entgegnete Gelb besonnen, "ich verstehe zwar auch nicht alles, doch zumindest soviel, dass ich begreife, was Grün gesagt hat. Daher seh ich keine Veranlassung, weshalb du dich jetzt so aufführen musst, Rot." Blau nickte nur zustimmend.

Unterdessen war von dem Lärm eine weitere Farbe aufgetaucht und beäugte die vier Farben aus sicherer Entfernung. Nun trat sie näher und schmunzelte in Richtung Rot, denn sie hatte gehört, was Gelb vorhin alles gesagt hatte. Doch jetzt war es Blau, die nervlich zu Eis erstarrte und beharrlich zu schweigen begann. Verdutzt über die Gemütswandlung von Blau, sah nun Gelb auf und erblickte, wer da denn herangekommen war und ein grelles Lachen entschlich ihrer Kehle. "Willkommen Orange, willkommen. Setz dich doch zu uns." Nach einigem schüchternen Zögern nahm Orange doch an und setzte sich. "Ich hatte eher den Eindruck, zu stören", meinte Orange zaghaft. "Papperlapapp", sagte Gelb, "du kommst genau richtig, um Rot den Kopf zu waschen, dass Grün genauso verständlich ist wie du, und ich Blau zeigen kann, dass du genauso verständlich bist wie Grün."

"Was ist denn hier los?" Lila hatte den Kopf ins Pavillon geschoben und Gelb erblasste. Die große Heiterkeit im Nu wie weggewischt.

Grabesstille. Betretenes Schweigen.

Rot kapiert nichts von dem, was Grün sagt und Grün versteht nur noch wenig von Rot.
Blau kapiert nichts von dem, was Orange sagt und Orange versteht nur noch wenig von Blau.
Gelb kapiert nichts von dem, was Lila sagt und Lila versteht nur noch wenig von Gelb.

In diese Stille tapste lärmend Braun hinein und fing an zu donnern: "Blau, Gelb und Rot, mit vereinten Erkenntnissen könnt ihr mich gemeinsam voll verstehen. Das geht, ihr dürft nur nicht so egoistisch auf der Stelle treten. Und wenn ihr mich verstanden habt, dann wird es euch ein Leichtes sein, auch einzeln einander zu verstehen. Nur müsst ihr endlich mit eurem gefixten Egoismus aufhören, denn diese Eigenschaft ist nur hinderlich. Rot, nicht Grün ist verantwortlich dafür, dass du sie nicht verstehst sondern deine Einstellung, Rot bleiben zu wollen. Ihr drei habt alle die Chance, eines Tages Braun zu werden wie ich. Ihr könnt das jetzt nicht sehen, doch ich habe in jungen Jahren mal als Blau angefangen, später wurde ich Lila."

Damit setzte sich Braun in die hinterste Ecke und fing an zu meditieren.
 
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