hallo ikarus!
wieso meinst du, es müsse eine himmlische gerechtigkeit geben? und wieso meinst du, das, was dir widerfährt, wäre keine? wer bestimmt denn das, deiner meinung nach?
aber davon abgesehen: die eigentliche frage. wieso funktioniert astrologie?
es gibt so viele schulen und theorien... und auch sehr unterschiedliche meinungen darüber, was astrologie wirklich kann, wo ihre aussagegrenzen liegen. ich will versuchen, dir so kurz wie möglich meinen erklärungsversuch zu geben, der sehr stark in der zeitgenössischen chaostheorie wurzelt, also einen durchaus naturwissenschaftlichen ansatz darstellt.
unser sonnensystem war und ist kein ewiges. im laufe der entwicklung des universums hat es sich so herausgebildet, wie wir es heute beobachten können. es wird sich auch weiterentwickeln, in einem sehr groß angelegten zeitraster werden die bahnen der planeten sich verändern, wird die sonne ausbrennen etc. ... es handelt sich also um ein nicht-lineares, komplexes system, auf das die methoden der chaostheorie anwendbar sind.
da lassen sich nun die planetenbahnen als "attraktoren" begreifen, als etwas wie leitlinien der entwicklung, als ordnungsstrukturen, entlang deren sich materie so formiert hat, dass daraus eben die planeten geworden sind.
wir menschen leben im gleichen bezugssystem materieller entwicklung, also unter den gleichen attraktoren.
eine zweite chaostheoretische methode sind fraktale, sogenannte maßstabs-symmetrien: strukturelle ähnlichkeiten im kleinen wie im großen, im groben wie im detaillierten. eine entsprechung des esoterischen prinzips "wie oben so unten", das uns in der chaostheorie immer wieder begegnet. eine bekannte visualisierung von fraktalen sind die apfelmännchengrafiken von benoit mandelbrot.
fraktale gibt es auch in zeitlicher hinsicht... was sich über einen langen zeitraum entwickelt, hat seine entsprechung in entsprechend kürzeren zeiteinheiten. zum beispiel die psychologisch/biologische phase der frühkindlichen prägung des gehirns, die quasi im zeitraffer die weichen stellt für das spätere erwachsenenleben (dazu später mehr).
nun kannst du einen sehr großen kosmischen zeitraum - egal, welcher kosmologischen theorie du nun anhängst - hernehmen, sagen wir, jenen von "geburt" des sonnensystems bis zu seinem "untergang" (ich weiß schon, dass das nur krücken sind für unsere vorstellung). diese maximale entwicklungs-zeitspanne bildet sich in kleineren zeit-fraktalen ab, und ein solches fraktal ist unser leben, das sich in die übergeordneten strukturen von raum und zeit mit unserer persönlichen geburt (ort und zeit) einklinkt. wir können also die attraktoren der gesamtentwicklung, wie sie sich in den planetenbahnen abbilden, als eine art messlatte nehmen, um sie an unser eigenes leben anzulegen und darüber aussagen zu treffen.
die deutung allerdings ist problematisch. das horoskop ist das bild einer ganzheit, auf faszinierend vielfältige weise ineinander verwoben. unsere sprache hingegen vereinzelt, reißt immer wieder aus den ganzheitlichen zusammenhängen heraus, kann immer nur auf einen punkt hinweisen und blendet dabei gleichzeitig alle anderen aus. sprache und denken funktionieren chronologisch, während viele andere unserer erfahrungsbereich ganzheitlicher, synchronizistisch funktionieren. sprachliche horoskopdeutung ist also nie geeignet, die "wirklichkeit" des horoskops zu beschreiben - wie ja auch nie jemand dich wirklich beschreiben könnte. oder hältst du deinen steckbrief für eine umfassende beschreibung? er kann stimmen, aber er ist nie alles, was du bist.
im übrigen zeigen sich die attraktoren in allen möglichen anderen dingen unseres raum-zeit-systems auch ab. und de facto wurden ja auch die verschiedensten dinge herangezogen, um aussagen über zeitqualitäten zu machen. die orakel der antike, von der beobachtung des vogelflugs bis zur eingeweideschau, andere divinatorische systeme wie die chinesische astrologie oder das I Ging oder die zeitinterpretationen der mayas oder das keltische baumhoroskop... das orakel von delphi liefert ja auch ein berühmtes beispiel für die aussagequalität solcher dinge: der griechische heerführer, der erfuhr, dass er eine große flotte zerstören würde, war nicht falsch beraten - es war halt seine eigene flotte, aber richtig war die prognose.
somit zeigen sich die aussagegrenzen der astrologie, auch wieder anhand der chaostheorie: in komplexen nichtlinearen systemen lassen sich keine exakten prognosen erstellen. du weißt, dass eine entwicklung einem bestimmten attraktor folgt, aber du kannst nie definitiv sagen, wann sie in welcher weise genau erfolgt.
so wirst du in der trivialastrologie immer ein bündel von deutungen haben, die du aus büchern herauslesen kannst, sozusagen ein schrotschuss der astrologischen treffermöglichkeiten, und die leute sind dann immer ganz begeistert, wenn auch für sie dabei etwas abfällt. wirklich hilfreich ist das nicht... es sei denn, du willst die astrologie missbrauchen, um die scheuklappen deiner eigenbeobachtung zu bestätigen.
interessant ist - in meiner sicht - die astrologie als hilfreiches begleitinstrument, um in einem beratungs-setting verschiedene aspekte der individuellen zeitqualität herauszuarbeiten. wenn sich in der kombination von astrologie und deiner persönlichen biografie deutlicher abzeichnet, auf welche weise du mit deinen attraktoren umgehst bzw. deine astrologischen konstellationen realisierst, lassen sich auch ganz präzis die ansatzpunkte für veränderungen herauspräparieren. es ist ja nicht so, dass dich diese attraktoren zu irgendetwas zwingen. sie stellen einen realisierungsrahmen dar, für mich so etwas wie deinen ureigenen "astrogenetischen code" - innerhalb dieses rahmens hast du unendlich viele möglichkeiten, außerhalb keine.
und dein geburtshoroskop ist nur eine - allerdings im sinne dieses astrogenetischen codes sehr wichtige - ebene von zeitqualität. das ist keine fixierung, sondern eben deine zuordnung zur kosmischen ganzheit, dein individueller bezugspunkt. eine andere ebene sind die "transite", also die gerade aktuelle allgemeine zeitqualität, die alle menschen betrifft und die erst durch die kombination von geburtshoroskop und transithoroskop für dich bedeutsam wird. und dann ist da noch die dritte ebene der zeitqualität deiner persönlichen entwicklung - in analogie zur erwähnten "frühkindlichen prägung des gehirns" habe ich, aufbauend auf der münchner rhythmenlehre wolfgang döbereiners, ein chaosmathematisches system entwickelt, das punktgenaue aussagen über deine aktuelle entwicklungs-zeitqualität erlaubt. das betrifft auch deine frage nach der lebenslangen gebundenheit an das geburtshoroskop... als astrogenetischer code: ja. aber in der dynamik deiner entwicklung: nein.
du bist überhaupt nicht an dein horoskop gebunden. die straße ist auch nicht an das bandmaß gebunden, mit der du aussagen über ihre länge oder breite machst. das horoskop ist so ein lineal, das sich an dein leben anlegen lässt. astrologie hilft dir sicher nicht dabei, entscheidungen an andere instanzen abzugeben...
so, das war's im zeitraffer. ich hoffe, du siehst auch, wie sinnlos (wenn auch verführerisch) diese traumbücherl-astrologie ist, die dir kataloge von möglichkeiten anbietet - klar hast du alle diese möglichkeiten und eine ganze menge weiterer auch. fundierte astrologische beratung kann viel mehr... aber nur im engen persönlichen dialog und nicht als kaffeesudleserei.
ich hab das alles auch mal ausführlicher darzustellen versucht, einen essay dazu gibt es auf meiner homepage im bereich essays/astrologie. URL in meinem profil...
alles liebe, jake