„Esoteriker“ und Verschwörungstheorien

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Du kennst meine Sichtweise?
Bist du ein Hellseher?

Ich kenne nicht mal dich lieber marlon, ne so geht es nicht
man kann keinen Menschen beurteilen der 2 oder 3 Posts macht oder?

lg
hadde

Wenn er ehrlich ist, in seinen postings, ja...wenn nicht, braucht man ein paar mehr...früher oder später "verrät" er sich...an dem, wie Menschen etwas schreiben, kann man viel erkennen.


Sage
 
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Hallo Ruhepol,

ein sehr interessantes Thema hast Du da angesprochen. Ich habe mir schon oft Gedanken darüber gemacht. Ich hatte selbst eine Phase, in der ich sehr empfänglich für Verschwörungstheorien aller Art war. Rückblickend sehe ich dafür folgende Gründe.


1. Warum sich jemand mit Spiritualität, höheren Sphären usw. beschäftigt, kann ganz viele unterschiedliche Gründe haben. Doch oft hat es glaube ich etwas mit den Schatten der eigenen Vergangenheit zu tun. Esoterische Themen spenden Trost und geben dem Leiden einen Sinn. Je mehr ein Mensch schon gelitten hat, desto größer oft seine Ängstlichkeit, sein Gefühl, betrogen worden zu sein und irgendwie nicht in diese Welt zu passen. Esoterische Gemeinschaften sind daher nicht nur eine Sammlung spiritueller Erkenntnisse und Möglichkeiten, oft sind sie auch ein Sammelpool für Gefühle aus vergangenen Verletzungen, Angst und dem Gefühl, irgendwie nicht in diese Welt zu gehören. Das Streben nach Höherem, oft Realitätsfernen liegt da nahe. Die eh schon unterschwellig vorhandene Angst (die eigentlich nur die eigene ist) vermischt sich mit dem Blick auf das große Ganze und ist ein dankbarer Abnehmer für Verschwörungstheorien - seien es Chemtrails, satanische Verse in rückwärts abgespielten Popliedern oder den Willen dämpfende Drogen im Trinkwasser. Hier mischt sich also das spirituelle Grundbedürfnis mit den eigenen Ängsten und Verunsicherungen gegenüber der Welt.

2. Nicht zu verkennen ist glaube ich auch der Faktor der eingeschworenen Gemeinde. In vielen alternativen und esoterischen Szenen herrscht oft die Grundhaltung: "Wir gegen die anderen". Man schmückt sich mit Erkenntnissen, die der Rest der Welt noch nicht "geschnallt" hat oder wirft allen anderen, die nicht zur Gruppe gehören, Ignoranz, Zerstörungswut und Unvollkommenheit vor. All das, was einen selbst natürlich nicht auszeichnet. :rolleyes: Das stärkt das Wir-Gefühl, schützt das eigene Weltbild vor Angriffen von außen und rechtfertigt die oft vorhandene unterschwellige Aggression (mit einem klaren Feindbild hat der Tag Struktur).
Die Gemeinschaft - sei sie im Internet oder sonstwo - ist oft der einzige Ort, an dem man sich verstanden fühlt. Draußen, vor der eigenen Haus- oder Zimmmertür warten skeptisch dreinblickende Bekannte, kritische Freunde und eine verständnislose Welt für die man sich wappnen muss. Gemeinschaften sind da wie ein Aufladegerät, das einem die nötige Energie gibt, gegen all diese Widrigkeiten und Widerstände anzukämpfen.

3. Während einer Erkrankung war ich vor einigen Jahren dem Tod recht nahe. Danach begann meine Suche und ein großer spiritueller Keim erwachte in mir. Die Angst vor dem Sterben, vor der eigenen Vergänglichkeit entfachte die Suche nach etwas Höherem, nach etwas, das über meine kleine menschliche Existenz hinausreicht: Eine unsterbliche Seele, die wiedergeboren wird, Engelwesen oder verstorbene Verwandte, die mit mir verbunden sind und mich leiten, "wissenschaftliche" Beweise für mystische Begebenheiten usw. usf. Spiritualität, so schön und sinnvoll sie ist, ist auf ihrer Suche oft auch recht naiv, immerhin betritt sie komplettes Neuland. Sie öffnet sich (aus gutem Grund) für alle möglichen Gedankenkonstrukte und lässt vieles unterhinterfragt eindringen und Teil des Weltbilds werden. Alles, was irgendwie spirituell klingt und die Welt zu einem Ort macht, der nicht so langweilige und dröge ist, wie die Realität oft scheint, wird nicht angezweifelt und ungefiltert in den eigenen Blick integriert. Als Beweis reicht oft ein einziges gut geschriebenes Buch, die Behauptung irgendeines Gurus oder auch die eigene Intuition.

So sehr ich die esoterische Szene mag: sie ist anfällig für Angstmacherei, abstruse Behauptungen und hartnäckigen Irrglauben. Das ist irgenwo auch logisch, denn den Glauben daran aufzugeben, hieße immer auch, einen kleinen Tod zu sterben und der eigenen Vergänglichkeit völlig nackt und ohne tröstende Gedanken gegenüber zu stehen. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Je mehr dieser kleinen Tode man gestorben ist, desto weniger bedrohlich erscheinen sie. Und tatsächlich spürt man irgendwann eine richtige Lust darauf, einen weiteren Teil hinter sich zu lassen und zu einer hoffentlich reiferen Spiritualität zu gelangen.

Das soll hier keine Schelte für die Esoterik sein. Und ich will auch nicht arrogant klingen. Ich bin selbst nicht frei von all dem, was ich oben geschrieben habe. Im Gegenteil. Aber es macht Sinn, sich immer mal wieder die eigenen kleinen und großen Anfällig- und Befindlichkeiten in Erinnerung zu rufen und zu prüfen, ob sie sich die nicht irgendwie mit dem vermischen, was man als objektiv richtig empfindet.
Da sollte man es wie mit der eigenen Religion und sämtlichen anderen Glaubenskonstrukten halten: Öfter mal den Angriffen der Gegner aussetzen und sie skrupellos hinterfragen. Was anschließend dann vom eigenen Glauben noch übrig bleibt, ist es wirklich wert, gelebt zu werden.

Herzlichst,
UCount
 
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