Ich habe da noch eine wundervolle Begebenheit aus dem Buch "Ramana Maharshi und seine Schüler" von Gabriele Ebert. Ramana Maharshi mochte es normalerweise nicht, von anderen berührt zu werden oder andere zu berühren. Das ist insofern auch verständlich, weil jeden Tag viele Menschen zu ihm kamen, sowohl seine Jünger, aber auch viele Besucher. Gelegentlich aber legte er den Menschen auch seine Hände auf und umarmte sie. Von einem solchen Fall wird auch auf Seite 18 in dem Buch berichtet.
Annamalai Swami wurde einmal vom Ramana Maharshi im Badezimmer völlig unerwartet umarmt. Dieses intensive Erlebnis löste für ihn eine Wende aus. Fortan würde er alle Tätigkeiten aufgeben und nur noch ein meditatives Leben führen. Es war keine kurze Umarmung. Madhava Swami sagte mir später, Bhagavan habe mich etwa zwei Minuten lang fest in die Arme genommen. Nach wenigen Sekunden verlor ich jedes Bewußtsein meines Körpers und der Umgebung. Anfangs empfand ich Freude und Glückseligkeit, aber sie wichen bald einem Zustand, in dem ich nichts mehr fühlte und empfand. Ich war nicht bewußtlos, nahm aber einfach nichts mehr von dem wahr, was um mich herum vorging. Dieser Zustand dauerte etwa fünfzehn Minuten an. Als ich mein normales Bewußtsein wiedererlangte, stand ich allein im Badezimmer. Madhava Swami und Bhagavan waren längst zum Frühstück gegangen.
Quelle:
Ramana Maharshi und seine Schüler
Ich habe mir die Frage gestellt, wie es wohl kommt, dass Annamalai Swami, nachdem er von Ramana Maharshi umarmt wurde, für etwa 15 Minuten das Bewusstsein verlor. Ich nehme nicht an, dass göttliche oder übernatürliche Kräfte dafür verantwortlich sind. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Menschen, die zu Ramana kamen in einer derartigen Erwartungshaltung zu ihm kamen und in ihm einen göttlichen Meister sahen, dass man fast schon von einer Hörigkeit sprechen kann. Sie geben ihr eigenes Ich, auch ihre Kritikfähigkeit, falls sie sie wirklich besessen haben, vollkommen auf und legen alle Hoffnung auf den Guru. Es mangelt auch vielfach an der eigenen Anstrengung, den spirituellen Weg in eigener Verantwortung zu beschreiten.
Aber auch Ramana Maharshi scheint ein gewisses Interesse daran zu haben, dass andere meinen, es sei so etwas wie ein Heiliger. Nach dem ich mir die drei Texte, die ich im Eingangsbeitrag aufgezählt habe, gelesen habe, hat sich mein Bild von Ramana Maharshi jedenfalls ein klein wenig gewandelt. Bevor ich die Texte las, sah ich in Ramana Maharshi auch so etwas wie einen Übervater, einen Heiligen. Durch die Texte hatte ich allerdings den Eindruck, dass auch Ramana Maharshi noch seine Ecken und Kanten hatte. Wenn er z.B. gelegentlich wütend wurde, so weist das nicht unbedingt darauf hin, dass er wirklich Befreiung erlangt hat. Auch seine Anstrengungen, andere, die ihm seinen Platz streitig machen wollten, und sich selber auf seinen Platz setzen wollten, zu vertreiben, werden einem Erleuchteten nicht ganz gerecht.
Aber zurück zu dem Vorfall der Handauflegung und dem anschließenden Verlieren des Bewusstseins. Wenn Annamalai Swami also das Bewusstsein verloren hat, dann drückt sich meiner Meinung nach darin die ganze Sehnsucht nach einem glücklichen Leben, nach der Befreiung von allen Ängsten, von allem Leid, aus, die in diesem Moment so überwältigend wird, das ihm ein ganzes Bündel an Hormonen in den Kopf schießt, das ihm förmlich das Bewusstsein raubt.