Hallo Condemn,
Der Moment wo das Beobachterbewusstsein ins Spiel kommt, was bedeutet dass zwischen ihm und dem Gedanken (Muster) kein weiterer Gedanke ist, kein "darüber nachdenken", entspricht dem "fallen lassen" und das ist dann wirklich alles eins und alles in einem Moment. Erkennen und "sein lassen", was unmittelbar zur Heilung des betreffenden Musters führt. Man könnte fast sagen, es ist eine Art Teilerleuchtung, oder eine Erleuchtung eines bestimmten Aspekts. Und der Beobachter ist außerhalb der Zeit, was er wahrnimmt ist innerhalb. Die Qualitäten des "reinen Seins" in die Wahrnehmung zu bringen, erschafft all das was man wünscht.
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Identifikation ist etwas, dass schwer zu durchschauen ist. Man kann es erstens mal als "an etwas hängen" definieren, man bewertet sich selbst über etwas anderes, man braucht etwas um zu einer positiven Selbstbewertung zu kommen, wobei es im Negativen Fall natürlich auch einer Identifikation entspricht. Z.B. bei einer Person die sich für dumm hält. Identifikation ist die Ursache allen Leidens, denn auch positive Identifikation, also z.B. der Stolz auf ein bestimmtes Talent... als Identifikation, schließt das "brauchen" mit ein, was Angst mit sich bringt, die dem Samen des Verlustes entspricht.
Identifikation ist gleichzeitig auch ein Gefühl von Machtlosigkeit: Etwas ist SO, ohne das ich darauf Einfluss habe.
Es schließt Zeit mit ein, in Form von Dauerhaftigkeit: Es ist SO und bleibt so. Ich kann es jetzt nicht beenden.
Es schließt Glauben/Überzeugung mit ein, das Ausschließen des Gegenteils: Es ist SO und das Gegenteil ist nicht real. (Höchstens als Potential, aber nicht erfahrbar für "mich").
In der Identifikation ist Trennung und Bewertung angelegt und das kann man ebenfalls als Ursache allen Leidens ansehen.
Und damit ist Identifikation das genaue Gegenteil der Qualitäten des "reinen Seins". Auch hier könnte man sagen, es sind verschiedene Möglichkeiten des Ausdrucks oder der Sichtweise auf ein und dasselbe... Sozusagen das negative Prinzip, das Gegenstück des "reinen Seins". Man sollte es aber nicht als negativ im Sinne von schlecht bewerten, denn erst dadurch kommt Bewegung zustande. Ohne einen Mangel gäbe es kein Motiv für irgendeine Entwicklung.
Ja, ich verstehe das so, wie du es hier beschreibst. Ich finde, dass du das recht erhellend beschreibst. Was mir hier eben auch auffällt ist, dass du anscheinend gerade sehr intensiv auch in der Gegenwart bist oder dass du auf die Gegenwart gerichtet bist oder auch selbst ein wenig mit der Gegenwart "identifiziert" - wenn das überhaupt geht. Ob dies daran liegt, dass du gerade sehr intensiv meditierst oder auch durch die Auseinandersetzung mit Tolle gerade sehr intensiv im Gegenwartsbewusstsein lebst etc. - kann ich nicht beurteilen. Ich finde es jedenfalls interessant. Du blickst immer wieder aus der zeitlosen Beobachterperspektive auf die Beschreibung des Prozesses als EINS.
Das ändert sich jetzt erst im nächsten Abschnitt:
Was ich aber eigentlich sagen wollte... bin bisschen abgeschweift merke ich gerade...

"De-Identifikation" ist m.A.n. eher der Gesamtprozess und entspricht einer inneren Heilung. Totale De-Identifikation ist Erleuchtung. Um sie (De-Identifikation) zu erreichen muss man wie gesagt die Qualitäten des reinen Seins hineinbringen und da hat Tolle wirklich Recht: Das ist nur im JETZT möglich, was einer möglichst bewussten Haltung entspricht.
Ja, diesen Gesamtprozess meinte ich auch.
Aber es ist wirklich so, je mehr ich theoretisch verstand, desto mehr Respekt hatte/habe ich vor der Einfachheit von Tolles Lehre, die auf Anwendbarkeit abzielt. Er betont das Wesentliche, macht grundlegende Dinge klar, verliert sich dabei nicht in irgendwelchen persönlichen Ansichten, und reduziert das Praktische auf einen, den am leichtesten zu erkennenden Punkt, das "Jetzt", und weiß genau, dass es alles mit einschließt. Er hätte auch wie viele andere sagen können: Liebe Alles. Da fragen dann aber sehr viele gleich "Wie?" Die Antwort ist dann oft "Tu es einfach!" Aber eine möglichst bewusste Haltung im Augenblick einzunehmen, kann jeder.
Ja, da kann ich zustimmen. Mich haben beim Lesen ab und an seine sozialkritschen Beschreibungen gestört; das ist das einzige, was ich als "persönliche Ansichten" vermerkte. Aber letztlich ist das auch eine Thematik, die mich durch das Studium und die Lehre sehr geprägt hat, mit der ich selbst noch identifiziert bin und an der ich wohl auch deshalb ein wenig angeeckt bin.
Ja... In einer bestimmten Intensität kennt das wohl auch jeder. Und jedem ist bekannt, das jemand der gerade glücklich ist, deutlich gelassener mit was auch immer umgeht, als jemand der sowieso schon einen schlechten Tag hatte. Aber im Extrem.. eine wirkliche Gelassenheit, weil man nicht oder kaum identifiziert ist, ist ein Zustand großer Macht und ruhiger Freude. Eine Art von Unantastbarkeit.
Ja, und es ist eben doch auch ein großer Unterschied, ob ein Mensch Gelassenheit erfährt, weil er gerade Sport trieb, weil er gerade sexuell-erotische Stunden erlebte, weil er gerade die Arbeit abgeschlossen hat, an der er jahrelang lebte - oder weil ein Mensch durch Achtsamkeit eine Stille, selbständige Gelassenheit und Ruhe entwickelt hat, die ihn wiederum trägt, auch über die nächste problematische Lebenssituation hinweg.
Was ich mich bisher noch frage ist, ob es möglich ist, dass jemand absolut aufrichtig ist, das Gegenüber aber nicht offen.
Also ich glaube schon, dass das möglich ist. Die Frage ist für mich: Unter welchen Umständen?
Wenn ein Mensch seit frühester Kindheit viele schlechte ERfahrungen gemacht hat, sehr verletzt wurde, viele Rollen gelernt hat, mit welchen er die nicht-erfahrene Liebe kompensiert, letztlich voll in seinem Ego aufgeht und immer die Probleme, die sich ereignen, die durch Verstandesinterpretationen innere Gefühle auslösen, der Umwelt und Sündenböcken zuschreibt, wenn ein derartiger Mensch auf einen offenen Menschen trifft, dann kann diese Offenheit sehr viel Angst bewirken und dazu führen, dass sich dieser Mensch vollkommen verschließt.
Ich würde eher sagen, dass dies die Regel ist. Vielleicht gibt es auch noch den Fall, dass da ein Heiliger - idealtypisch gesprochen "Jesus" - kommt und das Licht strahlt so hell, dass alle ihre fixierten Schablonen fallen lassen, aber gerade bei Jesus ist das ja auch nicht bei der gesamten Gesellschaft passiert, sonst hätten sie ihn nicht gekreuzigt. Mir scheint, dass die Menschen, die sehr stark in fixierten Identifizierungen leben, ein eigenes Symbolsystem mit vielen festen Interpretationsschemata entwickeln, die derartige Menschen sofort kategorisieren, etwa "verrückt und gefährlich". Wenn ein Mensch selbst nicht offen ist, dann wird er am anderen Menschen immer nur Gefahren wittern, etwa, dass der andere ihn kontrollieren oder manipulieren möchte. Die Ängste des EGos sind in der Regel stärker als die es die Offenheit eines anderen vermag, dem anderen diese Ängste zu nehmen - scheint es mir.
Es ist ein sehr langer, langsamer sozialer Prozess, in dem die Menschheit insgesamt allmählich ein Bewusstsein des Achtsamkeit und des Mitgefühls entwickelt. Man denke nur daran, wieviel Kulturen, Tiere etc. wir bisher in dieser langen Lernphase ausgerottet haben, obwohl es immer wieder Menschen gab, die hell leuchteten und das Licht der Transzendenz frei legten.
Okay, verstehe... Wie gesagt dachte ich erst, Du meinst wirkliches Ausleben, also mit Baseballschläger zum Schuldner oder so..

...während das was Du beschreibst eher eine Art Methode ist, durch bewusstes "Ausleben" überhaupt zu erkennen was man fühlt. Das sehe ich dann genauso wie Du. Je nachdem wie klar es einem selbst ist, reicht ein kurzer Blick nach innen, oder man schreibt oder schimpft drauf los...
Genau, es ist eher ein "Spiel- und Erfahrungsraum". So lange man den anderen Menschen nicht wirklich schädigt, kann man prinzipiell Briefe schreiben, die man nicht abschickt, auf den Boden klopfen, dem Freund erzählen, wie wütend man ist, ... ...es werden Gefühle unmittelbar freigesetzt. Natürlich ist es bei vielen Menschen auch so, dass sie die Handlung dann auch tatsächlich ausführen.
Auch das kann dazu dienen, dass man seine Gefühle erkennt. Aber es ging mir nicht darum, dass man dies immer so tun muss.
Die einzige Frage ist dann, ob der Mensch, nachdem er die Gefühle authentisch ausgedrückt hat, sich mit der Wut, der Verehrung etc. identifiziert, daran festhält, oder ob er etwas über sich lernt, sich auf diese ERfahrung als ZEUGE U N D als SPIRITUELLES KIND einlässt. Lerne ich, nachdem ich wütend war, etwas über mich, verstehe ich mich dadurch besser, sehe ich, wo der andere Grenzen überschritten hat, wie ich Grenzen überschritten habe, wie ich mich habe provozieren lassen, wie ich Schemata der Situation unterlegt habe, dass alles so kam? Kann ich letztlich immer mehr von diesem Muster loslassen? - oder bejahe ich die Identifikation? Lebe ich immer mehr aus meiner spirituellen Freiheit heraus, aus meinem Gegenwarts-Sein? oder halte ich (immer mehr) an meiner Identifikation, ein Spiritueller/Held/Winner/Looser/etc. zu sein, fest?
Ja, wobei ich ehrlich gesagt bei dem Fall mit Deinem Freund den Fokus auf seine "Abhängigkeit" gelegt hätte, weniger auf dessen Freundin. Ich glaube nämlich, dass es durchaus möglich ist dass man mies behandelt wird, demjenigen aber nicht wirklich böse sein kann, weil man die Ursachen kennt und weiß, dass das eher eine armselige Person ist, und man sogar Mitleid hat. Nur bedeutet das eben nicht, dass man alles akzeptieren kann. Man kann einerseits Verständnis haben, ohne Schuld zu sehen oder sehen zu wollen, aber trotzdem auf Distanz gehen. Wenn das nicht möglich ist, liegt irgendeine Form emotionaler Abhängigkeit vor, irgendwas bindet dann. Und da liegt m.A.n. dann der Knackpunkt.
Ja, ich hatte eher die eine Seite beschrieben, aber natürlich geht es hier auch um Abhängigkeit. Mir scheint es aber, dass die Abhängigkeit auch deswegen besteht, weil die wahren Gefühle, die ein Mensch subjektiv erfahren könnte, wenn er authentisch ist, unterdrückt werden, zugunsten einer Rolle, die dem anderen alles entschuldigt - eine Rolle, die dieser Mensch sein Leben lang einstudiert hat. Wenn er Wut gezeigt hätte, dann hätte dies die Rolle gesprengt. Aber dazu war er nicht fähig, obwohl er rational sagen konnte, dass er wütend ist.
Ich habe mich vor einigen Monaten mal ein paar Tage etwas intensiver mit Psychologie beschäftigt, weil ich einer Bekannten bei den Vorbereitungen für eine mündliche Prüfung half. Und ich habe mich da wirklich gewundert was Psychologie für eine Flickschusterei ist. Das ist nicht mal ansatzweise eine Wissenschaft, da stützt die eine Vermutung die andere und wenn etwas unklar ist, wird irgendeine mögliche Begründung eingesetzt und weiter geht es.
Genau das ist aber reale Wissenschaft. Ich habe Psychologie studiert und abgeschlossen und ich habe schon den Eindruck erhalten, dass sich die Psychologie sehr stark an (natur)wissenschaftliche Standards hält. Das Problem ist meiner Ansicht nach bei der Psychologie eher, dass die Theorien selbst leider noch recht verzerrt und falsch sind, weil das zugrunde liegende Menschenbild der Psychologie immer noch zu sehr den modischen Trends folgt. In der Psychoanalyse waren es die Triebe und die Normen, im Behaviorismus waren es die Konditionierungen, in der Verhaltenspsychologie Instinkte und ebenfalls soziales Lernen, in der Kognitionspsychologie das Denken, in der Biopsychologie das Gehirn, in der humanistischen Psychologie Emotionen und Authentizität. Es gibt hier noch kein einheitliches Menschenbild, der Mensch ist noch zersplittert, und die Untersuchungen stützten sich meist nur auf eines dieser Splitter, wenn sie z.B. die Emotionen, Gedanken, etc. des Menschen untersuchen.
Was psychologische Therapien angeht bin ich, und das war ich vorher aber auch schon, der Meinung dass das was hilft tatsächlich v.a. das Gespräch mit dem Therapeuten ist, und dabei Bewusstwerdung geschieht. Der Therapeut ist m.A.n. nur dazu da, um die richtigen Fragen zu stellen und Raum zu geben für vollkommene Offenheit. Und da funktionieren Therapien wahrscheinlich deutlich besser, als wenn jemand mit Problemen mit der besten Freundin spricht, weil die Distanz auch Neutralität bringt und nur aus der Neutralität oft die wirklich richtigen Fragen gestellt werden. Ansonsten wird sehr oft bestätigt was die betroffene Person selbst sowieso schon denkt... "Ich bin das Opfer". Denn einfach darüber sprechen, verbunden mit Fragen die dazu auffordern immer wieder nach innen zu schauen, kann schon viel bringen. Man kann z.B. ein Thema "totquatschen" und darin stagnieren, aber sobald der Wunsch nach einer wirklichen Lösung da ist, kann man ein Problem tatsächlich auf diese Art lösen, bzw. die Muster die ihm zugrunde liegen.
Ich denke, dass das sehr auf das spirituelle Bewusstsein und auf die Liebe der Menschen ankommt. Es gibt Menschen, die sehr offen und zugleich kritisch sein können, aber eben auch Menschen, die nicht zuhören und alles bestätigen, vielleicht auch weil sie denken, dass das der andere sowieso nur möchte oder weil sie einfach diese Rollen auf diese Weise in der Familie gelernt haben. Derjenige, der das Problem hat, ist dann entweder das "Opfer" oder ist "selbst schuld", etc.. Es findet kein wirkliches Verstehen, auch kein Trauern statt.
Aber so muss es nicht immer sein und ist es auch nicht immer - ich denke, dass viele Menschen auch schon weiter sind, zumindest einige Schritte.
Liebe Grüße,
Energeia