"In einer anderen Tierfabel ist ein Hase die Hauptperson. Er ist ebenfalls eine frühere Existenz des werdendenBuddha. Bei seinen Freunden, einem Affen, einem Schakal und einem Fischotter ist er sehr geachtet und wird alsedelmütig und weise angesehen. Auf seinen Rat hören sie. Als wieder einmal der Uposatha-Tag, der Fasten- undFeiertag also, heranrückt, mahnt der Hase seine Freunde, in diesen Stunden besonders großmütig und vor allemgebefreudig zu sein. Glückliche Umstände bringen drei der Freunde in den Besitz reichlicher Nahrung. Fisch undFleisch, Früchte und Milch bringen sie nach Hause, mehr als sie selbst benötigen. Am nächsten Tag nun kommt einBrahmane des Weges und fragt die Tiere nach Almosen. Fischotter, Schakal und Affe geben gerne ihren Teil. Nurder Hase hat es nicht so leicht wie die Gefährten, frißt er doch nur Gräser und Kräuter, ohne je Vorräte anzulegen.Was könnte er da geben? Der Hase weiß es, ohne zu überlegen: sich selbst. Er bittet den Brahmanen, Holz für einFeuer zusammenzutragen und Holzkohle vorzubereiten. Da hinein wird er sich freudigen Herzens stürzen, um demfrommen Bettler sogar das ihm verbotene Schlachten abzunehmen. Er braucht nur das gare Fleisch zu verzehrenund seinen Hunger zu stillen (J 316). Daß es auch hier zu einem guten Ende kommt, weil der Brahmane derverkleidete Götterkönig Sakko ist, der den Hasen nur auf die Probe stellen will, sei am Rande erwähnt.
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Das Bemerkenswerte in diesem Jataka ist die völlige Leugnung der eigenen Interessen gegenüber demWohlbefinden des anderen bis zum äußersten Extrem. Zum einen ist der Brahmane ein völlig Fremder, zu demkeinerlei freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen oder irgendwelche sonstigen Verpflichtungenbestehen. Der Hase aber macht keinerlei Unterschied; von wem auch immer er gebeten wird, er gibt. Er gibt dasnach gewöhnlichen Maßstäben höchste Gut, das eigene Leben, um eines vergleichbar geringen Anlasses willen: dieBitte um ein Almosen."
Wege zur Unsterblichkeit
Tod und Transzendenz in der Lehre des Buddha
Alfred Weil
Konstanz 1993