Genau – in diesem Übergangsfeld zwischen der fließenden Konstruktion unserer Wirklichkeit und der Einsicht in das, was unveränderlich bleibt, zeigt sich die Möglichkeit echter innerer Freiheit. Es geht nicht darum, die Erscheinungen zu verleugnen, sondern zu erkennen, dass das, was wir erleben, in ständiger Bewegung ist, während das Beobachtende selbst unberührt bleibt. In diesem Bewusstsein entfaltet sich Handlungsspielraum jenseits festgelegter Strukturen.
@Grooti -
Was mir noch einfällt: Dieser Fluss des Erlebens geschieht immer im Hier und Jetzt – was für die gewöhnliche, duale Logik sicherlich widersprüchlich klingt.
Diese „fließende Konstruktion“, wie du es nennst, zeigt sich letztlich wie ein Punkt oder „Knoten“ zwischen Zeit und Zeitlosigkeit.
Die großen existenziellen Denker haben über diesen gähnenden, bodenlosen Abgrund geschrieben, aber sie sind dort oft steckengeblieben.
Die Dualität der Sprache – ebenso wie die westliche Art des Denkens – sucht immer nach etwas, das man erlangen oder erreichen soll. Genau das ist fatal.
Ich habe dazu einige sehr gute Zitate gesammelt, die vielleicht jemandem echte Freude bereiten können:
"Hui Neng sagte:
In diesem Moment ist nichts, das beginnt zu sein.In diesem Moment ist nichts, das aufhört zu sein.In diesem Moment also,
gibt es weder Geburt noch Tod, die beendet werden müssten."
"Das Buddha-Dhamma findet sich weder im Voranschreiten, noch im Zurückgehen, noch im Stillstehen. Dies … ist dein Ort des Nicht-Verweilens."
Ajahn Chah, Zitat aus Die Insel (2021)
"Es gibt dieses āyatana*, dieses Gebiet, wo es … weder ein Voranschreiten, noch ein Zurückgehen, noch ein Stillstehen gibt, weder ein Erscheinen noch ein Verschwinden … Eben das ist des Leidens Ende.
(Ud 8, 1)"
"Wenn wir uns somit daran erinnern, dass tatsächlich niemand irgendwohin geht – dass es nur sich verändernde Bedingungen des Geistes gibt –, verschiebt dies unsere Perspektive auf das Leben. Selbst wenn wir uns vielleicht energisch bewegen – fahren, gehen oder rennen –, sobald der Geist sich daran erinnert, dass alles nur „hier“ geschieht, gibt es eine tiefe Ruhe innerhalb der Bewegung. Eine Friedlichkeit. Ein Gefühl von „niemand geht irgendwohin“. Das Herz ist von Dringlichkeit befreit. Diese Geräumigkeit ist das, was wir „Freiheit vom Werden“ nennen."
Was viele Buddhisten meiner Meinung nach miss-verstehen: Die wahre Freiheit vom
Werden – also das Ende von
bhava – kann man nur im
Hier und Jetzt finden. Eher ent-deck-en.
Denn
paṭiccasamuppāda entfaltet sich immer nur in diesem gegenwärtigen Augenblick.
Man kann sie nicht irgendwo außerhalb erlangen.
Nāgārjuna dekonstruiert deshalb auch die ganze Idee der
Wiedergeburt: Sie wird überflüssig – ja sogar gefährlich –, sobald man sie als „substanzielle“/ Entität, eigenständig --inhärent/ Ansicht über eine
Person versteht. Doch was ist überhaupt diese „
Person“?
Sind es nicht bloß bestimmte
Skripte,
Rollen und
soziale Zuschreibungen, die wir nicht hinterfragen? Wir nehmen sie fälschlicherweise als unser
Selbst an.
Sehr interessant, nicht wahr?
Genau darin liegt die eigentliche Bedeutung der
Kette der bedingten Entstehung.
Das wäre dann die Befreiung – rein existenziell betrachtet. Ha!
Schade nur, wenn du dich nicht meldest – das hätte mich innerlich so sehr bereichert. Wow! Ich würde es nie vergessen.
Zu Nagarjuna kehre ich später noch einmal ausführlich zurück.