Rein zufällig bin ich auf ein sehr schönes Gedicht von Rilke gestoßen. Es hat viele Erinnerungen in mir wachgerufen – an Dinge, die früher mit mir passiert sind.
Es war wie Regen in meiner Seele. Mein Herz weinte still.
Ich sehnte mich nach Liebe, ich wollte geliebt werden.
Doch innerlich war etwas in mir wie erkaltet, und ich fühlte mich völlig erschöpft, leer, fertig.
Irgendwann erkannte ich tief in mir:
Es gibt keine Liebe da draußen, die ich bekommen kann.
Es gibt nur die innere, schöpferische Quelle –
eine Quelle, die niemals versiegen wird –
in meinem eigenen Herzen.
Ich kann alles erobern, alles besitzen.
Ich kann Millionen im Lotto gewinnen.
Doch das wird den inneren Regen in mir niemals zum Schweigen bringen.
Wie kann ich den Hass in mir besiegen?
Nur durch Mitgefühl.
Und durch die absolute, bedingungslose Annahme meiner selbst.
Irgendwann werde ich die Sonne sehen,
den blauen Himmel,
denn nach dem Regen ziehen die Wolken weiter.
Und es bleibt nur das,
was immer war,
was ist,
und was immer sein wird.
Es ist interessant:
Was hat der Autor wohl gefühlt, als er dieses Gedicht geschrieben hat?
So viel Schmerz – so intensiv –
es macht nachdenklich.
Warum eigentlich schlafen wir oft in einem Bett mit einem Menschen, den wir hassen?
Die andere, verwandte Seele aber schläft mit einem anderen Fremden –
und beide hassen einander.
Mich erinnert das an eine Stelle im Pali-Kanon,
in der die schönste Frau eines Königs ihm erklärt:
„Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, ist es letztlich gut,
denn das Vergängliche können wir ohnehin nicht an uns binden.“
Dann frage ich mich:
Kann es sein, dass wir uns aus Einsamkeit mit einem Menschen verbinden –
und manchmal hält diese Verbindung ein Leben lang –
und beide hassen einander?
Echt traurig, finde ich.
"
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen..."
Aus: Das Buch der Bilder
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www.rilke.de
Sehr interessant finde ich das andere Gedicht.
Der Autor sehnt sich nach der Liebe.
Er will selbst weinen, seine Hände sind heiß, die Seele brennt.
Er betet zu etwas, das er selbst nicht erreichen kann.
Er ahnt es nur – und gerade deshalb betet er umso intensiver, hingebungsvoller, selbstvergessen.
„Für deinen Preis“, steht im Gedicht.
Und was ist der Preis der echten Liebe?
Kann man ihn ermessen?
Kann man ihn berechnen, abwägen,
kann man die Liebe für immer besitzen?
Eine sehr stille, alles durchdringende Sehnsucht – so scheint es mir.
Maria,
du weinst, - ich weiß.
Und da möcht ich weinen
zu deinem Preis.
Mit der Stirne auf Steinen
weinen...
Deine Hände sind heiß;
könnt ich dir Tasten darunterschieben,
dann wäre dir doch ein Lied geblieben.
Aber die Stunde stirbt ohne Vermächtnis...
Aus: Die frühen Gedichte (Gebet der Mädchen zur Maria)