Serenade
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Mein Name ist Manola Simon. Als ich starb, war ich 95 Jahre alt. Mein Mann, Jochen, der meinen Familiennamen angenommen hat, starb fünf Jahre vor mir. Während der fünf Jahre, die mir noch blieben, bekam ich fast täglich Besuch von meinem Vater, den ich immer liebevoll Daddy nannte. Er bereitete mich auf etwas vor, das ich mir nicht einmal im Traum hätte vorstellen können. Aber dazu später.
Vorerst möchte ich ein wenig über meinen Daddy erzählen, der etwas ganz Besonderes war. Für die Öffentlichkeit war er der bekannteste und berühmteste Star in der Musikszene. Für seine Familie und seine eingeweihten Freunde war er der Retter des Universums. Das Geheimnis bestand darin, dass Daddys Vater aus der Zukunft auf die Erde kam, um hier seine wahre und einzige Liebe zu treffen. Mit ihr, einer irdischen Frau, zeugte er Daddy, so wie es die Prophezeiung voraussagte. Laut Prophezeiung wird der Retter des Universums als Leuchtendes Wesen in Menschengestalt auf der Erde geboren. Als Daddy seine wahre und einzige Liebe, meine Mutter, kennen lernte, und seine Bestimmung erkannte, regierte ein falscher König auf der Leuchtenden Welt. Daddy besiegte den falschen König. Von da an begann sein Kampf für die Rettung des Universums, über den meine Mutter bereits ausführlich geschrieben hat.
Es hieß, Daddy und meine Mutter gingen auf die Leuchtende Welt, als ihre Zeit auf der Erde abgelaufen war. Damals herrschten viele Kriege auf der Erde. Die Menschen waren arm und hungerten, weil die Erde bereits sehr vergiftet war und kaum Nahrung wachsen konnte. Dennoch arrangierte Daddy ein letztes Konzert, und viele Menschen kamen, um die lebende Legende noch einmal live erleben zu können. Daddy tat das auch deshalb, um den Menschen zu zeigen, dass er noch lebt und seinen Tod nur vorgetäuscht hat. Seinen Tod musste er vortäuschen, da er äußerlich nicht alterte und die Öffentlichkeit schon immer über ihn und seine außergewöhnliche Ausstrahlung, die alle Menschen anzog, rätselte. Fast wäre sein Geheimnis durch eine Organisation von höchster Ebene aufgedeckt worden, was Daddy mit seinen übersinnlichen Kräften verhindern konnte, indem er sich als Doppelgänger ausgab und er selbst als tot erklärt wurde. Erst beim letzten Konzert ließ er seine Ausstrahlung wieder heraus und zeigte den Menschen, dass er noch lebt.
Ich habe nicht gesehen, wie Daddy und meine Mutter auf die Leuchtende Welt gegangen sind. Auch zweifelte ich stets daran, obwohl ich das nie jemandem sagte. Ich habe noch mitbekommen, wie sich meine Eltern von der Bühne aus verabschiedeten und sagten, sie werden jetzt gehen. Dann sah ich ein grelles Licht auf der Bühne und wurde ohnmächtig. Was wirklich passierte, wusste ich damals nicht. Insgeheim vermutete ich, dass es bloß ein Lichteffekt war und meine Eltern sich von der Bühne stahlen, um irgendwo unterzutauchen. Natürlich war das ein dummer Gedanke meinerseits, da ich doch wusste, was Daddy alles möglich war. Er holte sogar Eric, seinen Freund aus der Jugendzeit aus dem Reich der Toten zurück, der dann von Daddy und Mutter adoptiert und Coras und mein Bruder wurde. Dennoch konnte ich nie an eine zukünftige Welt glauben und schon gar nicht daran, dass man in die Zukunft reisen kann, dass Zeitreisen überhaupt möglich sind. Klar, Daddys Vater kam angeblich auch aus der Zukunft. Wieso sollte es dann nicht möglich sein, in die Zukunft zu reisen? Mag sein, dass ich auch deshalb nicht an ihre Reise glauben wollte, weil sie viel zu weit weg waren. Wenn ich sie irgendwo auf der Erde gewusst hätte, wären sie mir näher, auch wenn ich sie nicht mehr sehen konnte.
Heute weiß ich, dass es Zeitreisen gibt, denn ich komme aus der Zukunft und schreibe diese Zeilen in meinem alten Zimmer, das später zu einem Atelier umgebaut wurde, wo ich hunderte Bilder von meinem Daddy malte.
Meine Ohnmacht dauerte damals sehr lange. Nicht, dass ich tage- und nächtelang in einer Art Koma lag; - ich kam kurz nach dem Konzert wieder zu Bewusstsein, aber gefühlsmäßig blieb ich ohnmächtig. Nicht einmal die führsorgliche Liebe meines Mannes konnte mir über den Verlust meiner Eltern hinweg helfen. Ich gebe offen zu, dass meine Liebe viel mehr meinem Daddy galt und meine Mutter das auch sehr gut verstehen konnte. Sie musste, als Cora und ich pubertierten und uns in Daddy verliebten, einiges an Bosheiten von uns ertragen. Immerhin war sie damals mehr unsere Rivalin, als unsere Mutter.
An meine frühe Kindheit konnte ich mich, als ich noch auf der Erde lebte, nur sehr dunkel erinnern. Cora wurde, wie später Eric, auch adoptiert, weil meine Eltern mehr als nur ein Kind wollten und Mutter, da sie sich dazu entschieden hat, ein Leuchtendes Wesen, wie Daddy, zu werden und deshalb in einer anderen Erddimension sterben musste, keine Kinder mehr bekommen konnte. Aber Cora war, im Gegensatz zu Eric, der bereits über zwanzig war, als Daddy ihn aus dem Reich der Toten zurückholte, für mich immer wie eine richtige Schwester. Wir beide kamen, von klein auf, in den Genuss, alle Liebe und alles Verständnis von Daddy spüren zu können. Auch wenn er damals oft auf Tournee ging, hatten wir nie das Gefühl, von ihm vernachlässigt zu werden.
Was das Verständnis betrifft, so hätten andere Eltern ganz anders reagiert, als ich im Alter von sechzehn Jahren einmal von der Schule nach Hause kam und Daddy sagte, ich habe von einem älteren Jungen aus der Schule eine LSD-Pille bekommen. Mutter rebellierte zwar kurz, aber Daddy konnte sie beruhigen und fuhr mit mir auf seiner Harley zum nahen See hinaus. Wir zwei waren ganz alleine am Seeufer. Es war eine kleine Lagune, die lange Zeit Daddys Lieblingsplatz war, wo er, wie er sagte, gerne in sich ging. Wir breiteten eine Decke aus und setzten uns gegenüber. Daddy hatte die Pille in seiner Hand und steckte sie mir in den Mund. Er sagte, ich soll etwa fünf Minuten meine Stirn an seine drücken und dabei die Augen schließen und ruhig atmen. Ich saß Daddy noch immer gegenüber, als mich ein seltsames Gefühl überkam. Zuerst war es nur ein leichtes Kribbeln an den Fußsohlen, das sich immer weiter nach oben, bis zum Scheitel fortsetzte. Ich blickte auf Daddy. Unwillkürlich musste ich an einen jungen, indianischen Häuptlingssohn denken, als ich ihn vor mir im Schneidersitz hocken sah. Das lange, schwarze Haar, das ihm weit bis über die Brust hing, der durchdringende und doch sanfte Blick aus seinen schocktürkisfarbenen Augen und vor allem die gerade und stolze Haltung, - das erinnerte mich so sehr an einen Indianer, dass ich es ihm sofort sagen wollte. Aber ich konnte nichts sagen. Ich konnte wieder einmal nur über seine außergewöhnliche Schönheit staunen, die so vollkommen schien, dass es nichts gab, was man hätte verbessern können. Aber ich staunte noch mehr, als ich Daddy Kleidung betrachtete. Noch vor wenigen Minuten war er in Jeans, einem T-Shirt und Motorradstiefeln gekleidet und nun saß er wirklich in Indianertracht vor mir. Eine Art Knochenhemd zierte seine muskulöse Brust. Die Hosen waren bunt bestickt, mit Fransen an beiden Seiten. Daddys Füße waren nackt. Um die Stirn trug er ein ebenso bunt besticktes Band und in sein Haar waren drei Federn eingeflochten. Als ich die Umgebung betrachtete, bemerkte ich, dass wir nicht mehr am Seeufer saßen, sondern uns in einem Bergland auf einem hohen Plateau befanden. Daddy reichte mir seine Hand und half mir hoch. Wir traten ganz nah an den Abgrund und blickten über die herrliche Weite dieser Landschaft, wo am Horizont ein dichter Wald begann und gerade die Sonne über den alten, hohen Bäumen aufging. Plötzlich gab mir Daddy einen Stoß und ich stürzte über die Klippen. Der Sturz dauerte nur wenige Sekunden, da ich schnell meine Arme bewegte und mich so in der Luft halten konnte. Aber als ich zur Seite blickte, sah ich keine Arme. Da waren Flügel, wie die eines Adlers. Ich war zu einem Adler geworden und neben mir flog noch ein Adler. Es war ein wunderbares Erlebnis so zu fliegen und alles so genau zu sehen. Auch wenn wir einige hundert Meter über dem Erdboden waren, konnte ich jedes kleinste Steinchen erkennen. Als wir nach unten stiegen und landeten, hatte ich plötzlich ein ganz anderes Körpergefühl. Ich sah wieder neben mich. Daddy war kein Adler mehr, - er hatte sich in einen Wolf verwandelt, - in einen roten Wolf. Mein Blick auf die Pfoten nach unten verriet mir, dass auch ich zu einem Wolf geworden war, - zu einem schwarzen Wolf. So liefen wir zum Waldrand und in den Wald hinein, wo wir uns wie zwei Welpen an einer Lichtung balgten. Ich fühlte das Leben in mir wie noch nie. Irgendwann erstarrte ich. Es gab keinen Blick mehr wie gewohnt. Es gab nur mehr Fühlen, - das Fühlen der Erde an meinen Füßen, das Fühlen der Sonne und des Windes an meinem Körper. Instinktiv wusste ich, dass ich ein Baum des Waldes war, durch den wir eben als Wölfe gelaufen waren. Als nächstes schien ich mich auszudehnen und ständig in Bewegung zu sein. Ich wurde zum Element Wasser. Dann wurde ich fest und starr, - das Element Erde. In der nächsten Sekunde wurde ich hochgehoben zu den Sternen und flog durch Galaxien mit unzähligen Sonnen, deren Feuer ich in mir spüren konnte. Dann herrschte absolute Stille. Weiß jemand, was absolute Stille bedeutet? Ich wusste es bis zu diesem Moment nicht. Wir hören sogar unseren Körper, wenn es rund um uns still ist. Wir hören unser Atmen, wir fühlen das Pochen unseres Herzens und wie es das Blut durch die Adern pumpt. Ich hörte und fühlte in diesem Moment nichts. Es gab nicht einmal ein Ich. Es gab nur das Nichts, - das unbeschreiblich unendliche Nichts.
Als ich meine Augen aufschlug, lag ich auf der Decke und Daddy kniete lächelnd neben mir. Ich brauchte einige Minuten, um wieder ganz zu mir zurück zu finden. Als ich Daddy erzählen wollte, was ich auf Trip alles erlebt habe, legte er mir, noch immer lächelnd, seine Hand sanft auf den Mund und zeigte mir seine andere Handfläche. Dort lag die LSD-Pille. Daddy sagte, er habe mir nur eine Traubenzuckerpille gegeben. Ich wollte wissen, wie er es angestellt hat, mich auf so eine beeindruckende Reise zu schicken. Er sagte, er habe sich geistig mit mir verbunden, als wir beide die Stirn aneinander gedrückt hielten, aber er selbst habe nichts getan. Das, was uns beiden widerfahren ist, sei ein Geschenk der Quelle der Kraft gewesen.
Vorerst möchte ich ein wenig über meinen Daddy erzählen, der etwas ganz Besonderes war. Für die Öffentlichkeit war er der bekannteste und berühmteste Star in der Musikszene. Für seine Familie und seine eingeweihten Freunde war er der Retter des Universums. Das Geheimnis bestand darin, dass Daddys Vater aus der Zukunft auf die Erde kam, um hier seine wahre und einzige Liebe zu treffen. Mit ihr, einer irdischen Frau, zeugte er Daddy, so wie es die Prophezeiung voraussagte. Laut Prophezeiung wird der Retter des Universums als Leuchtendes Wesen in Menschengestalt auf der Erde geboren. Als Daddy seine wahre und einzige Liebe, meine Mutter, kennen lernte, und seine Bestimmung erkannte, regierte ein falscher König auf der Leuchtenden Welt. Daddy besiegte den falschen König. Von da an begann sein Kampf für die Rettung des Universums, über den meine Mutter bereits ausführlich geschrieben hat.
Es hieß, Daddy und meine Mutter gingen auf die Leuchtende Welt, als ihre Zeit auf der Erde abgelaufen war. Damals herrschten viele Kriege auf der Erde. Die Menschen waren arm und hungerten, weil die Erde bereits sehr vergiftet war und kaum Nahrung wachsen konnte. Dennoch arrangierte Daddy ein letztes Konzert, und viele Menschen kamen, um die lebende Legende noch einmal live erleben zu können. Daddy tat das auch deshalb, um den Menschen zu zeigen, dass er noch lebt und seinen Tod nur vorgetäuscht hat. Seinen Tod musste er vortäuschen, da er äußerlich nicht alterte und die Öffentlichkeit schon immer über ihn und seine außergewöhnliche Ausstrahlung, die alle Menschen anzog, rätselte. Fast wäre sein Geheimnis durch eine Organisation von höchster Ebene aufgedeckt worden, was Daddy mit seinen übersinnlichen Kräften verhindern konnte, indem er sich als Doppelgänger ausgab und er selbst als tot erklärt wurde. Erst beim letzten Konzert ließ er seine Ausstrahlung wieder heraus und zeigte den Menschen, dass er noch lebt.
Ich habe nicht gesehen, wie Daddy und meine Mutter auf die Leuchtende Welt gegangen sind. Auch zweifelte ich stets daran, obwohl ich das nie jemandem sagte. Ich habe noch mitbekommen, wie sich meine Eltern von der Bühne aus verabschiedeten und sagten, sie werden jetzt gehen. Dann sah ich ein grelles Licht auf der Bühne und wurde ohnmächtig. Was wirklich passierte, wusste ich damals nicht. Insgeheim vermutete ich, dass es bloß ein Lichteffekt war und meine Eltern sich von der Bühne stahlen, um irgendwo unterzutauchen. Natürlich war das ein dummer Gedanke meinerseits, da ich doch wusste, was Daddy alles möglich war. Er holte sogar Eric, seinen Freund aus der Jugendzeit aus dem Reich der Toten zurück, der dann von Daddy und Mutter adoptiert und Coras und mein Bruder wurde. Dennoch konnte ich nie an eine zukünftige Welt glauben und schon gar nicht daran, dass man in die Zukunft reisen kann, dass Zeitreisen überhaupt möglich sind. Klar, Daddys Vater kam angeblich auch aus der Zukunft. Wieso sollte es dann nicht möglich sein, in die Zukunft zu reisen? Mag sein, dass ich auch deshalb nicht an ihre Reise glauben wollte, weil sie viel zu weit weg waren. Wenn ich sie irgendwo auf der Erde gewusst hätte, wären sie mir näher, auch wenn ich sie nicht mehr sehen konnte.
Heute weiß ich, dass es Zeitreisen gibt, denn ich komme aus der Zukunft und schreibe diese Zeilen in meinem alten Zimmer, das später zu einem Atelier umgebaut wurde, wo ich hunderte Bilder von meinem Daddy malte.
Meine Ohnmacht dauerte damals sehr lange. Nicht, dass ich tage- und nächtelang in einer Art Koma lag; - ich kam kurz nach dem Konzert wieder zu Bewusstsein, aber gefühlsmäßig blieb ich ohnmächtig. Nicht einmal die führsorgliche Liebe meines Mannes konnte mir über den Verlust meiner Eltern hinweg helfen. Ich gebe offen zu, dass meine Liebe viel mehr meinem Daddy galt und meine Mutter das auch sehr gut verstehen konnte. Sie musste, als Cora und ich pubertierten und uns in Daddy verliebten, einiges an Bosheiten von uns ertragen. Immerhin war sie damals mehr unsere Rivalin, als unsere Mutter.
An meine frühe Kindheit konnte ich mich, als ich noch auf der Erde lebte, nur sehr dunkel erinnern. Cora wurde, wie später Eric, auch adoptiert, weil meine Eltern mehr als nur ein Kind wollten und Mutter, da sie sich dazu entschieden hat, ein Leuchtendes Wesen, wie Daddy, zu werden und deshalb in einer anderen Erddimension sterben musste, keine Kinder mehr bekommen konnte. Aber Cora war, im Gegensatz zu Eric, der bereits über zwanzig war, als Daddy ihn aus dem Reich der Toten zurückholte, für mich immer wie eine richtige Schwester. Wir beide kamen, von klein auf, in den Genuss, alle Liebe und alles Verständnis von Daddy spüren zu können. Auch wenn er damals oft auf Tournee ging, hatten wir nie das Gefühl, von ihm vernachlässigt zu werden.
Was das Verständnis betrifft, so hätten andere Eltern ganz anders reagiert, als ich im Alter von sechzehn Jahren einmal von der Schule nach Hause kam und Daddy sagte, ich habe von einem älteren Jungen aus der Schule eine LSD-Pille bekommen. Mutter rebellierte zwar kurz, aber Daddy konnte sie beruhigen und fuhr mit mir auf seiner Harley zum nahen See hinaus. Wir zwei waren ganz alleine am Seeufer. Es war eine kleine Lagune, die lange Zeit Daddys Lieblingsplatz war, wo er, wie er sagte, gerne in sich ging. Wir breiteten eine Decke aus und setzten uns gegenüber. Daddy hatte die Pille in seiner Hand und steckte sie mir in den Mund. Er sagte, ich soll etwa fünf Minuten meine Stirn an seine drücken und dabei die Augen schließen und ruhig atmen. Ich saß Daddy noch immer gegenüber, als mich ein seltsames Gefühl überkam. Zuerst war es nur ein leichtes Kribbeln an den Fußsohlen, das sich immer weiter nach oben, bis zum Scheitel fortsetzte. Ich blickte auf Daddy. Unwillkürlich musste ich an einen jungen, indianischen Häuptlingssohn denken, als ich ihn vor mir im Schneidersitz hocken sah. Das lange, schwarze Haar, das ihm weit bis über die Brust hing, der durchdringende und doch sanfte Blick aus seinen schocktürkisfarbenen Augen und vor allem die gerade und stolze Haltung, - das erinnerte mich so sehr an einen Indianer, dass ich es ihm sofort sagen wollte. Aber ich konnte nichts sagen. Ich konnte wieder einmal nur über seine außergewöhnliche Schönheit staunen, die so vollkommen schien, dass es nichts gab, was man hätte verbessern können. Aber ich staunte noch mehr, als ich Daddy Kleidung betrachtete. Noch vor wenigen Minuten war er in Jeans, einem T-Shirt und Motorradstiefeln gekleidet und nun saß er wirklich in Indianertracht vor mir. Eine Art Knochenhemd zierte seine muskulöse Brust. Die Hosen waren bunt bestickt, mit Fransen an beiden Seiten. Daddys Füße waren nackt. Um die Stirn trug er ein ebenso bunt besticktes Band und in sein Haar waren drei Federn eingeflochten. Als ich die Umgebung betrachtete, bemerkte ich, dass wir nicht mehr am Seeufer saßen, sondern uns in einem Bergland auf einem hohen Plateau befanden. Daddy reichte mir seine Hand und half mir hoch. Wir traten ganz nah an den Abgrund und blickten über die herrliche Weite dieser Landschaft, wo am Horizont ein dichter Wald begann und gerade die Sonne über den alten, hohen Bäumen aufging. Plötzlich gab mir Daddy einen Stoß und ich stürzte über die Klippen. Der Sturz dauerte nur wenige Sekunden, da ich schnell meine Arme bewegte und mich so in der Luft halten konnte. Aber als ich zur Seite blickte, sah ich keine Arme. Da waren Flügel, wie die eines Adlers. Ich war zu einem Adler geworden und neben mir flog noch ein Adler. Es war ein wunderbares Erlebnis so zu fliegen und alles so genau zu sehen. Auch wenn wir einige hundert Meter über dem Erdboden waren, konnte ich jedes kleinste Steinchen erkennen. Als wir nach unten stiegen und landeten, hatte ich plötzlich ein ganz anderes Körpergefühl. Ich sah wieder neben mich. Daddy war kein Adler mehr, - er hatte sich in einen Wolf verwandelt, - in einen roten Wolf. Mein Blick auf die Pfoten nach unten verriet mir, dass auch ich zu einem Wolf geworden war, - zu einem schwarzen Wolf. So liefen wir zum Waldrand und in den Wald hinein, wo wir uns wie zwei Welpen an einer Lichtung balgten. Ich fühlte das Leben in mir wie noch nie. Irgendwann erstarrte ich. Es gab keinen Blick mehr wie gewohnt. Es gab nur mehr Fühlen, - das Fühlen der Erde an meinen Füßen, das Fühlen der Sonne und des Windes an meinem Körper. Instinktiv wusste ich, dass ich ein Baum des Waldes war, durch den wir eben als Wölfe gelaufen waren. Als nächstes schien ich mich auszudehnen und ständig in Bewegung zu sein. Ich wurde zum Element Wasser. Dann wurde ich fest und starr, - das Element Erde. In der nächsten Sekunde wurde ich hochgehoben zu den Sternen und flog durch Galaxien mit unzähligen Sonnen, deren Feuer ich in mir spüren konnte. Dann herrschte absolute Stille. Weiß jemand, was absolute Stille bedeutet? Ich wusste es bis zu diesem Moment nicht. Wir hören sogar unseren Körper, wenn es rund um uns still ist. Wir hören unser Atmen, wir fühlen das Pochen unseres Herzens und wie es das Blut durch die Adern pumpt. Ich hörte und fühlte in diesem Moment nichts. Es gab nicht einmal ein Ich. Es gab nur das Nichts, - das unbeschreiblich unendliche Nichts.
Als ich meine Augen aufschlug, lag ich auf der Decke und Daddy kniete lächelnd neben mir. Ich brauchte einige Minuten, um wieder ganz zu mir zurück zu finden. Als ich Daddy erzählen wollte, was ich auf Trip alles erlebt habe, legte er mir, noch immer lächelnd, seine Hand sanft auf den Mund und zeigte mir seine andere Handfläche. Dort lag die LSD-Pille. Daddy sagte, er habe mir nur eine Traubenzuckerpille gegeben. Ich wollte wissen, wie er es angestellt hat, mich auf so eine beeindruckende Reise zu schicken. Er sagte, er habe sich geistig mit mir verbunden, als wir beide die Stirn aneinander gedrückt hielten, aber er selbst habe nichts getan. Das, was uns beiden widerfahren ist, sei ein Geschenk der Quelle der Kraft gewesen.