Der Nervenarzt

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Es ist nicht lustig, was hier seit dem Frühjahr abgeht. Fakt ist ein Wort, dass ich nicht gern benutze, vielleicht ist das jetzt sogar das erste mal, aber es ist Fakt, dass ich immer gegen diese Sucht angekämpft habe. Zwischen 85 und 96 hab ich keinen Tropfen Alk getrunken, nach dem klinischen Entzug 1998 war ich zumindest ein Jahr trockengelegt und vor dem April diesen Jahres waren es zumindest wieder 10 Monate und ich hab darauf gebaut, endlich wieder mal ein ganzes Jahr voll zumachen. Auch der gerichtlich vereidigte Psychiater, bei dem ich am Montag war hat mich gefragt, was mein Motiv ist, nichts zu trinken, wenn ich nichts trinke. Es ist die Lust an der Nüchternheit, der Wunsch nach einigermaßen klaren Gedanken, hab ich wahrheitsgemäß geantwortet. Zumindest war das in der Vergangenheit so.

Der Psycho-Doc war sehr freundlich und hat recht natürlich auf mich gewirkt, kein Anzeichen von dem, was man in der Gerüchteküche manchmal über Psychiater verzapft. Im Laufe des Gesprächs hat er mich auch gefragt, wieviel ich denn heute schon getankt hätte. 13 Cola Rot und 10 Jägermeister, schätzungsweise, denn in der Regel höre ich nach dem 6 Getränk auf mitzuzählen. Ich habe ihm alles so erzählt, wie ich es empfinde, warum ich keine Kraft mehr habe, gegen diese Sucht anzukämpfen, warum ich am Morgen aufsteh, ein paar dringende Handgriffe erledige, den Dreck vom Vortag wegmach und in Gedanken schon wieder auf dem Weg in die Kneipe bin. Es ist der fehlende Gedankenaustausch mit zwei Frauen, die mich im Frühjahr verlassen haben. Es geht mir dabei nicht um Sex. Mit keiner der beiden hatte ich eine sexuelle Beziehung, aber der Austausch war mir wichtig, als Alternative zum ausschließlichen Kontakt mit der alten Mutter. Da fährt die Eisenbahn drüber. Jetzt, wo diese Frauen aus meinem Leben verschwunden sind empfinde ich diese ausschließliche Gemeinschaft mit meiner Mutter wie geistig-seelischen Inzest und das ertrage ich nicht mehr.

Die manuellen Arbeiten die in der Betreuung anstehen schaff ich noch immer ohne viel darüber nachzudenken, Baden, Essen, Medikamente und all das, was eben so ansteht. Aber Reden kann ich kaum noch mit Mutter. Ich sitze eine halbe Stunde bei ihr am Küchentisch und muss flüchten. Rein, ins Zimmer zum Computer oder ins Bett, die Decke über den Kopf, oder runter in die Kneipe, weil sich hier alles nur noch im Kreis dreht. Sie kann nichts dafür, sie hat sich das auch nicht ausgesucht, dement zu werden. Aber das ändert nichts daran, dass mir die psychische Belastung jetzt zu groß geworden ist, jetzt, wo zwei wichtige Menschen aus meinem Leben verschwunden sind.

Hier im Forum hat mir jemand geschrieben, ich häng zuviel an anderen Leuten, ich mach mich zu abhängig von anderen Kontakten. Aber ich denk mir, das stimmt so nicht ganz. Ich bin kein Übermensch und es ist sicher nicht unnatürlich, neben der altersdementen Mutter auch noch mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen. Sicher weiß ich zu schätzen, dass noch ein Freund zu Besuch kommt, manchmal auch noch eine jüngere Freundin von Mutter. Aber es war eine besondere Chemie, die mich mit diesen Frauen verbunden hat. Dafür gibt es keinen Ersatz und es muss nicht immer Sex sein.

Gestern red ich mir vor dem Einschlafen noch ein, dass ich nichts mehr trinken darf und heute renn ich schon wieder in der Bude im Kreis herum und spür wie`s mich runterzieht in die Spelunke. Ich hab keine Kraft mehr um gegen diese Sucht anzukämpfen. Dieses Jahr hat mich kaputt gemacht. Am liebsten würde ich gar nicht mehr nüchtern werden. Oder nur noch schlafen.

Gute Nacht.
 
Der Psycho-Doc hat recht natürlich auf mich gewirkt,
na da bin ich aber froh
(nur spass :-))

kein Anzeichen von dem, was man in der Gerüchteküche manchmal über Psychiater verzapft. Im Laufe des Gesprächs hat er mich auch gefragt, wieviel ich denn heute schon getankt hätte. 13 Cola Rot und 10 Jägermeister, schätzungsweise, denn in der Regel höre ich nach dem 6 Getränk auf mitzuzählen. Ich habe ihm alles so erzählt, wie ich es empfinde, warum ich keine Kraft mehr habe, gegen diese Sucht anzukämpfen, warum ich am Morgen aufsteh, ein paar dringende Handgriffe erledige, den Dreck vom Vortag wegmach und in Gedanken schon wieder auf dem Weg in die Kneipe bin. Es ist der fehlende Gedankenaustausch mit zwei Frauen, die mich im Frühjahr verlassen haben. Es geht mir dabei nicht um Sex. Mit keiner der beiden hatte ich eine sexuelle Beziehung, aber der Austausch war mir wichtig, als Alternative zum ausschließlichen Kontakt mit der alten Mutter. Da fährt die Eisenbahn drüber. Jetzt, wo diese Frauen aus meinem Leben verschwunden sind empfinde ich diese ausschließliche Gemeinschaft mit meiner Mutter wie geistig-seelischen Inzest und das ertrage ich nicht mehr.

Die manuellen Arbeiten die in der Betreuung anstehen schaff ich noch immer ohne viel darüber nachzudenken, Baden, Essen, Medikamente und all das, was eben so ansteht. Aber Reden kann ich kaum noch mit Mutter. Ich sitze eine halbe Stunde bei ihr am Küchentisch und muss flüchten. Rein, ins Zimmer zum Computer oder ins Bett, die Decke über den Kopf, oder runter in die Kneipe, weil sich hier alles nur noch im Kreis dreht. Sie kann nichts dafür, sie hat sich das auch nicht ausgesucht, dement zu werden. Aber das ändert nichts daran, dass mir die psychische Belastung jetzt zu groß geworden ist, jetzt, wo zwei wichtige Menschen aus meinem Leben verschwunden sind.

Hier im Forum hat mir jemand geschrieben, ich häng zuviel an anderen Leuten, ich mach mich zu abhängig von anderen Kontakten. Aber ich denk mir, das stimmt so nicht ganz. Ich bin kein Übermensch und es ist sicher nicht unnatürlich, neben der altersdementen Mutter auch noch mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen. Sicher weiß ich zu schätzen, dass noch ein Freund zu Besuch kommt, manchmal auch noch eine jüngere Freundin von Mutter. Aber es war eine besondere Chemie, die mich mit diesen Frauen verbunden hat. Dafür gibt es keinen Ersatz und es muss nicht immer Sex sein.

Gestern red ich mir vor dem Einschlafen noch ein, dass ich nichts mehr trinken darf und heute renn ich schon wieder in der Bude im Kreis herum und spür wie`s mich runterzieht in die Spelunke. Ich hab keine Kraft mehr um gegen diese Sucht anzukämpfen. Dieses Jahr hat mich kaputt gemacht. Am liebsten würde ich gar nicht mehr nüchtern werden. Oder nur noch schlafen.

Gute Nacht.

Erstmal muss ich das unwichtige wiederholen: du schreibst wunderbar. Wenn du die Texte so hinstellst hat man das Gefühl das Leben kann auch geradlinig sein. (Was die meisten nicht schaffen, weil sie die Leichen im Keller verbergen müssen - sie aber trotzdem alle paar Minuten herumdrehen und wenden
wie die Burger in der Pfanne.)

Soweit so gut. Finde ich deine Überforderung mehr als verständlich. Und jeder andere auch - sogar das Alten-Amt, oder wie das heißt
würde/wird dir beistehen (müssen). WENN du nur endlich dort anklingelst. Wozu sind die denn da?

Die Mutter ist dement, sagst du? Sie hat morgen vergessen, oder schon in diesem Moment, was du ihr gestern meinst angetan zu haben, weil du sie heute in Pflege gegeben hast. Zumindest dir Hilfe geholt. Verstanden?
Sie redet dich doch eh mit Sir William an? oder mit, Wer sind denn sie? was machen Sie mit meiner Windel?!
Mein Gott Monk, hau den Löffel weg.
 
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(...) Ich hab keine Kraft mehr um gegen diese Sucht anzukämpfen. Dieses Jahr hat mich kaputt gemacht. Am liebsten würde ich gar nicht mehr nüchtern werden. Oder nur noch schlafen.

Gute Nacht.

Lieber Monk,
Weihnachten steht vor der Tür - das Fest der Liebe.

Auch wenn Du vielleicht nicht gläubig bist, geh doch mal in einen Gottesdienst allein der Menschen, der vielen Lichter und der Feierlichkeit Willen. Deiner Seele wird es gut tun!

Vergiß, was heuer alles gewesen ist, schalte das ständige Nachdenken ab. Jeder "Kampf" mit Dir, jedes Grübeln über das, was in Deinen Augen mit Dir und anderen "falsch" ist - raubt Dir immense Energien. Was vorbei ist, läßt sich nie mehr zurückholen, was hier und heute, jetzt passiert, ist Deine Chance!

Sucht kann man nicht bekämpfen, da bist Du immer ein Verlierer, Sucht (es steckt hier ja das "Suchen" so schön in dem Wort) ist die Macht der Gewohnheit nach Glückserlebnissen oder Freiheit von dem, was Dich in der Gegenwart belastet.

Beschäftige Dich mit neuen Dingen, laß Neues in Dein Seelenleben und gleichzeitig wird Dein Drang zur Sucht abnehmen. Fülle, (wie in einem Eimer kaltes Wasser - nach und nach mehr heißes Wasser), Gutes in Dich und das Gute wird das Schlechte nach und nach ersetzen. (und das kalte Wasser wird erst lauwarm und irgendwann so warm sein, wie das heiße - das zuviele Wasser darf abfließen...)

JEDER Tag birgt Dir Chancen, Dich mit neuen Dingen zu füllen. Und wenn es nur mal ein Blick aus dem Fenster ist und Du andere Leute beobachtest. Oder mal frische Luft reinläßt... :umarmen:
 
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