Ist das nicht ein bißchen widersprüchlich: einerseits sagst Du, der freie Wille sei eine Illusion, andererseits soll man nach dem eigenen Willen bestimmen können, ob man Unglück, Wut, Zorn, Stress, Krankheiten erlebt. Ist doch total widersprüchlich, finde ich. Und auch total vereinfachend.
Meiner Meinung nach dient diese Einstellung, man könne individuell selbst alles entscheiden vor allem dazu, andere schuldig sprechen zu können für ihr Fehlverhalten, um sich selber irgendwie überlegen zu fühlen, um sein eigenes Weltbild, die eigene Moral gegenüber anderen durchsetzen zu können, also ein moralisches Machtinstrument. Mit den wahren Verhältnissen hat das nichts zu tun. Wenn Du die Prägung eines Mörders hast, kannst Du gar nicht anders, als zu morden. Über die individuelle Ebene hinaus gibt es auch das gewalttätige Handeln im Kollektiv, z.B. in Form eines demokratisch legitimierten Staates, der Kriege führt. Das Morden ist hierbei nicht personalisiert, darum wirkt es weniger prägnant oder greifbar, aber in der Sache ist es dasselbe. Ich sage nicht, dass es dann nicht gut ist, dass es ein Regulativ gibt, eine Instanz, Gesetzsprechung, eine allgemein gültige Ethik, die die Mehrheit teilt und die Schuld spricht und die die Macht zu Sanktionen hat. Nur würde ich nicht so weit gehen, zu behaupten, dass diese Macht besser oder überlegen ist. Sie setzt sich einfach nur durch, weil sie mächtiger ist, nicht weil sie besser ist. Eine von der Allgemeinheit geteilte Ethik hat heute Gültigkeit, morgen ist sie obsolet, das hängt immer von den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen ab. Aus Vergeltung zu morden oder zu foltern z.B. ist in einigen Staaten sogar in der Gesetzgebung verankert, Beispiel Todesstrafe. Krieg im Dienst einer "guten Sache" zu führen gehört zum Handlungsrepertoir von Staaten, foltern darf man, wenn es der guten Sache dient. Wer mag entscheiden, ob der gedankliche Überbau dahinter richtig oder falsch ist. Die ganze Angelegenheit ist sehr komplex, ich finde es unangemessen, sie auf so einem simplifizierenden Schwarz-Weiss-Niveau zu diskutieren.