Ich hole diese Beiträge mal ais dem Klimawandel-Thread und schreibe hier etwas dazu:
Und wie stellst Du Dir das vor? Alles in allem zusammengerechnet, machen die Risikogruppen etwa 40% der Bevölkerung aus. Dazu gehören nicht nur die älteren Menschen, sondern auch Menschen mit (chronischen) erkrankungen, die die Lungenfunktion beeinträchtigen, wie z.B. Astma, COPD u.ä., Diabetiker, wie auch Menschen, die an der Dyalyse hängen, Menschen, deren Immunsystem beeinträchtigt ist (z.B. aufgrund einer laufenden Krebs-Behandlung, einer HIV-Infektion etc. Wie willst Du diese Menschen besonders schützen?
Schweden steuert möglicherweise auf eine Katastrophe zu. In Stockholm sind die Intensivstationen schon voll, und sie verlegen Patienten ins Umland. Und auch da werden die Intensivstationen bald voll sein. Z.B. im Krankenhaus der Stadt, in der ich jetzt in Schweden wohne, wird die Intensivstation Ende dieser oder Anfang nächster Woche voll sein, wenn die Entwicklung so weiter geht wie in den letzten zwei Wochen. Und es deutet nichts drauf hin, dass die Kurve so schnell abflachen wird, um das abzuwenden. Und auch wichtig: Landesweit sind Altenheime betroffen. Die Strategie Schweden hast also nicht geholfen, diese Risikogruppe "besonders zu schützen".
Gehen wir mal weiter: Die Herdenimmunität soll in einem überschaubaren Zeitraum von 6-18 Monaten erreicht werden. Nehmen wir dazu mal den besten Fall 60% der Bevölkerung in 18 Monaten. Für Deutschland sind das 50.000.000 Menschen, die dann innerhalb von 18 Monaten infiziert werden müssen. Im Vergleich: Eine schwere Grippewelle hat etwa 6.000.000 Erkrankgungen auf 6 Monate verteilt. Was Du da also im günstigsten Fall für Deutschland erhoffst, ist eine etwa 2 bis 3 mal so intensive und 3 mal so lange Epidemie. Das alleine wäre schon eine ziemliche Belastung für das Gesundheitssystem.
Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass Du die Infektionsrate immernoch bremsen musst, um die Ansteckungen auf diesen Zeitraum zu verteilen. Ohne jegliche Maßnahmen ist die (anfängliche) Reproduktionsrate von Covid19 zwischen 2 und 3, und damit wären die 50.000.000 in wenigen Wochen erreicht, was wiederum die Zahl der gleichzeitigen schweren Verläufe über die Kapazitäten der Intensivstationen schnellen ließe. D.h. auch in Deinem Wunsch-Szenario hier würden wir nicht ohne Eindämmungsmaßnahmen auskommen, die die Reproduktionsrate bei ungefähr 1 hält.
Das Wunsch-Szenario von vielen Epidemiologen wäre ein sehr harter Europa-weiter Lockdown gewesen, mit dem die Reproduktionsrate auf ungefähr 0,2 gedrückt werden sollte, und das so lange, bis die Fallzahlen in eine Größenordnung kommen, dass wieder Containment-Strategien gefahren werden können - also einzelne Infektionsketten nachvollzogen und gezielt isoliert werden können. Ein solcher Lockdown hätte in der Größenordnung von nur wenigen Monaten gelegen - also weniger als ein Jahr. Auch das wäre natürlich eine Belastung für Wirtschaft etc. gewesen, aber mMn eine deutlich geringere und kürzere als das, was jetzt gefahren wird, bzw. das was Du hier skizzierst.
Bis Mitte Mai sind noch 3 bis 4 Wochen, und dann wäre erst einmal nur Stockholm als Ballungszentrum herdenimmun. Sorry, wenn ich darin keine sooo tolle Nachricht sehe.
Und nach wie vor gilt: Schweden und Deutschland lassen sich nicht 1 zu 1 vergleichen. Schweden ist im Schnitt dünner besiedelt, hat eine andere Verteilung der Bevölkerungsdichte, und hat auch absolut weniger Einwohner. Selbst wenn Schweden noch halbwegs erfolgreich mit nur wenig "Kollateralschäden" sein sollte mit seiner Strategie - was ich persönlich für ein ziemliches Wunder halten würde - würde das nicht bedeuten, dass es ebenso gut in Deutschland oder anderen Ländern mit zu Schweden unterschiedlichen Verteilungen der Bevölkerungsdichte laufen würde.
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Schweden wird wahrscheinlich auch erheblich "Kollateralschäden" hinnehmen müssen, wie schon in den Zeilen an
@soundscapes angedeutet ist.