Chronokraten, Aphesis und Vimshottari-Dashas

fckw

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Eines der wichtigsten Elemente der vedischen Astrologie sind die sogenanten Dasha-Zyklen. Die Idee ist oberflächlich ganz einfach. Jeder Planet beherrscht eine längere Zeitperiode, er ist somit ein "Zeitenherrscher", also ein "Chronokrat" (Chronos = Zeit, -Krat = Herrscher).

Bisher war mir diese Idee lediglich für die vedische Astrologie bekannt, und zwar als das sogenannte Vimshottari-Dasha System. Jeder der 7 Planeten (Transsaturnier kannten die alten Inder noch nicht) plus die beiden Mondknoten Rahu und Ketu herrschen je über eine mehrjährige Zeitperiode. Es gilt:

1. Ketu 7 Years
2. Venus 20 Years
3. Sun 6 Years
4. Moon 10 Years
5. Mars 7 Years
6. Rahu 18 Years
7. Jupiter 16 Years
8. Saturn 19 Years
9. Mercury 17 Years

Die Reihenfolge der Herrschaften und deren Zeitdauer ist immer dieselbe, aber der Chronokrat bei der Geburt ist abhängig von Faktoren, auf die wir nicht näher eingehen wollen.

Wenn beispielsweise ein Baby exakt zu Beginn des Mars-Dashas geboren wird, dann wird das Kind im Alter bis zum 7. Geburtstag unter dem Grundeinfluss von Mars stehen. Danach für die nächsten 18 Jahre unter dem Grundeinfluss von Rahu. Dann für 16 Jahre unter dem Einfluss von Jupiter, Saturn (19 Jahre), Merkur (17 Jahre), Ketu (7 Jahre), Venus (20 Jahre), Sonne (6 Jahre), Mond (10 Jahre) - und dann theoretisch erneut Mars, wobei die Person dann bereits 120 Jahre alt wäre. (120 Jahre ist nämlich auch der Zeitraum, welches ein Leben nach Vorstellung der alten Inder eigentlich dauern sollte, wenn ein harmonisches Leben geführt wird.)
Es gibt auch andere Dasha-Systeme, die aber bei weitem seltener eingesetzt werden.

Der Chronokrat wird die Zeitperiode grundsätzlich prägen nach dem Charakter des Planeten selbst. Mars wird immer einen marsischen-Charakterzug haben in dieser Zeit. Je nachdem, wie stark oder schwach dieser Mars aber steht, welche Aspekte er bildet, in welchem Haus er steht, all diese Faktoren werden jedoch bestimmen, wie die Periode im allgemeinen erlebt wird. Ein gut gestellter Mars im H10 könnte z.B. gute berufliche Erfolgschancen mit sich bringen. Ein schlecht gestellter Mars in H10 hingegen vor allem Egoismus und Konflikte.

Man kann die Übergänge zwischen den Dashas bei fast allem Menschen recht gut beobachten. Oft ändern sich dort grössere Themen im Leben, die gesamte Gemütslage kann ebenfalls grösseren Veränderungen unterliegen. Nur ein Beispiel: Ein Freund von mir war jahrelang nicht ganz glücklich Single und depressiv, ging dauernd auf irgendwelche Parties. Und dann, praktisch von einem Tag auf den anderen, sah und hörte ich gar nichts mehr von ihm. Er hatte eine Frau gefunden, sie geheiratet, und ein Kind gezeugt. Und keine einzige Party mehr. Und als ich ihn zufällig mal traf, schien er ganz zufrieden mit seinem bürgerlichen Leben zu sein.

Ein anderer Schulkollege lief während der ganzen Schulzeit als Halb-Grufti herum. Schwarze Kleider, schwarze T-Shirts, lange Haare, irgendwelche Metal/Grunge/was-auch-immer-Musik. Hauptsache dark. Nach dem Abitur sah ich ihn bloss zwei oder drei Jahre nicht mehr, und dann plötzlich im italienischen Anzug, polierte Schuhe, mit schickem Auto, kurzen Haaren und Techno hörend. Die Art von Person, über die er sich vorher wohl lustig gemacht hätte.

Es gibt auch viele Beispiele von Menschen, die haben in ihrer Kindheit, Jugend und junge Erwachsene dauernd angenehme Dashas. Und dann kommt irgendwann der Hammer, wenn darauf nur noch unangenehme Dashas folgen. Oder genau das Gegenteil: Jemand hat dauernd schwierige Dashas, und irgendwann kommt die Erlösung und es folgen viele Jahre gute und angenehme Zeiten. Für die meisten Menschen jedoch bringen die Dashas irgendeine Mischung, manchmal angenehmer, manchmal unangenehmer.

Die Folge der Dashas ist sehr wichtig um den roten Faden eines Lebens begreifen zu können. Das Leben ist eben pfadabhängig, und die Ausprägung der Dashas ist es auch. Wenn z.B. Merkur in H10 steht, dann wird die Person zwar durchaus kaufmännisches Geschick im Leben haben. Wenn aber dieses Merkur-Dasha erst mit 85 Jahren kommt, dann nützt dieser Person das dann wohl auch nicht mehr wahnsinnig viel in Bezug auf beruflichen Erfolg. (Wobei vielleicht die Person dann noch die eigenen Memoiren diktiert oder sowas?). Wenn hingegen das Merkur-Dasha kommt, während die Person mittem im Berufsleben steht, dann wird mit grosser Wahrscheinlichkeit dieses kaufmännische Geschick im Beruf sich auch entfalten können. (Natürlich erneut mit Ausnahmen, je nach Aspekte, Stärke usw. des Merkurs.)
Oder wenn nun das Venus-Dasha dran ist, dann rückt für viele Menschen das Thema Partnerschaft stärker in den Vordergrund, oft ergeben sich dann auch neue Partnerschaften (oder alte werden beendet). Wenn aber nun das Venus-Dasha dran kommt, wenn man ein Säugling ist, dann ist es natürlicherweise so, dass das Thema aus Sicht des Säuglings betrachtet werden muss. Er wird wohl kaum sich um Partnerschaftsthemen kümmern, sondern vielleicht braucht er als Säugling dann einfach noch mehr Komfort und Nähe zur Mutter als vorher.

Die Chronokraten ergeben folglich sehr wichtige Hinweise auf den gesamten Lebensplan einer Person, und zwar auf den langfristigen, auf die Abfolge von den ganz grossen Themen im Leben. Mein Aszendentenherrscher Merkur ist im Fall in den Fischen (gemäss vedischer Astrologie jedenfalls), und das war auch das Dasha, als ich geboren wurde. Danach kam dann das Ketu-Dasha dran. Das heisst: Ich habe meine ganze Kindheit und Jugendzeit nicht in besonders wahnsinnig lustiger Erinnerung. Merkur in Fall (gehemmte Persönlichkeit) und dann Ketu im H9 (Vaterbeziehung ist nicht unbedingt die beste) prägten einfach die ersten 17 oder so Jahre meines Lebens. Ich war ein eher ernstes Kind. Danach, als ich in die Venus-Dasha-Phase kam, begann ich aus subjektiver Sicht plötzlich aufzublühen.

Umgekehrt spricht meine Partnerin über ihre Kindheit oft mit Begeisterung. Sie erinnert sich an all die Spiele, die sie draussen gespielt hatten, an irgendwelche Details, die ich nur mit Verblüffung zur Kenntnis nehme. Sie erlebte ihre Kindheitsphase mit einem gnaz anderen Dasha-Herrscher als ich.
 
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Jedes Dasha wird übrigens in Sub-Dashas aufgeteilt. Das Sonnendasha beispielsweise hat wiederum 9 Sub-Dashas. Das heisst, innerhalb eines Chronokraten gibt es den Sub-Chronokraten. Und das geht rekursiv weiter, die Sub-Chronokraten haben wiederum Sub-Sub-Chronokraten und so weiter, also immer kleiner werdende Zeitabschnitte, über die sie herrschen. Ich selbst benutze üblicherweise nur 2 Ebenen, danach wird die Deutung schon sehr schwierig.

Damit sind schon recht komplexe Auswertungen möglich. Sonne/Saturn -> gehemmte Lebenskräfte. Mars/Saturn -> "Stop and Go" bzw. Gefahr für Verletzungen. Mond/Mars -> emotionale Konflikte und Durchsetzungsfähigkeiten und so weiter. Auch hier gilt: Es ist wichtig zu wissen, über welche Häuser diese Chronokratoren herrschen, welche Aspekte sie eingehen, wie stark und schwach sie sind.

Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn die Herrscher von den Häusern H6 und H8 in Kombination dran sind. Beide Häuser sind typische Indikatoren für Krankheiten und Unfälle aller Art. Wenn beide Chronokraten aktiviert sind, dann werden diese Themen betont, schliesslich nehmen die Planeten ja einen Teil der Energie aus den Häusern mit, über welche sie herrschen. Das heisst keineswegs, dass etwas passieren muss. Aber wenn in dieser Zeitperiode dann entsprechende Transite ausgelöst werden, dann ist die Chance schon ziemlich hoch, dass etwas passieren wird.

Damit ergibt sich durch die Chronokraten eine - meines Erachtens - dringend benötigte höhere Ebene, die überhalb der Wichtigkeit von Transiten steht. Die Chronokraten geben sozusagen Möglichkeiten vor, welche dann durch Transite bestätigt werden können oder müssen. Selbstverständlich können Transite auch ausserhalb ihrer der Zeitenherrschaft des Planeten wirkungen hervorbringen, und das tun sie auch - genauso wie Progressionen ebenfalls. Aber wenn auf der Ebene der Chronokraten etwas angezeigt ist, und Transite dasselbe anzeigen, dann muss schon fast ein Wunder geschehen, dass einfach nichts eintritt.

Damit ist auch - teilweise - erklärt, warum manche Transite überhaupt keine Resultate geben, während andere es tun. Wenn ein Transit nämlich nicht als Zeitenherrscher aktiviert ist, dann wird seine Wirkung bedeutend schwächer ausfallen.
 
Was nun sehr spanned ist, und was ich nicht kannte: Die hellenistische Astrologie kennt durchaus ebenfalls ein ähnliches System, genannt Aphesis. Die technischen Details wie Reihenfolge oder Dauer sind zwar verschieden von den Vimshottari-Dashas, aber die Grundidee bleibt dieselbe: Ein Zeitenherrscher über mehrere Jahre mit einer Grundqualität bestimmt gewisse Grundthemen. Und wenn dann Transite diese Themen bestätigen, dann passiert irgendwas.

Hier einige Artikel über die Aphesis, es gibt sicher noch mehr:
 

ob sich jemand mit dir zu dem Thema hier unterhalten kann,
wage ich zu bezweifeln -

interessant ist es aber

 
Ja, das ist wirklich interessant (y)

Gibt es auch einen Online-Rechner für die Dasha-Zyklen? Oder eine Liste, welcher vedische Chronokrat grad herrscht?

Lg Stracciatella
 
Hat ihn!

https://horoscopes.astro-seek.com/dasha-vedic-astrology-online-calculator

Aber welches Ayanamsa sollte ich da einstellen? Welches verwendest denn du, @fckw?
Voreinstellung ist Lahiri, und das ist wohl auch die häufigste Einstellung. Aber Achtung: Wenn du die Dasha-Zyklen ausrechnen willst, dann rate ich dir, entsprechend auch mit dem siderischen Tierkreis zu arbeiten statt mit dem tropischen. Der gewählte Tierkreis hat zwar keinen direkten Einfluss auf die Berechnung der Dasha-Herrscher, aber in welchem Zeichen die Planeten stehen schon. Und ich denke, es macht Sinn, dass man sich auf ein System erstmal ganz einlässt, bevor man beginnt, die Systeme zu mischen.

Die Aphesis hingegen sollten eigentlich mit dem tropischen funktionieren, nehm ich mal an.
 
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