pluto schrieb:
nochmal zurück zu den Nazis:
Im Fernsehen ist mir aufgefallen, dass zig tausende Menschen dem damaligen Regime zujubelten. Also gehe ich davon aus, dass sie für die damalige Regierung mit Hitler waren.
Und heute will keiner bzw. kaum einer damit etwas zu tun haben. Das heißt für mich, dass die Menschen größtenteils heute nicht dazu stehen, dass sie selbst oder ihre Eltern äußerst zufrieden waren, was damals vor sich ging.
Hallo Pluto,
die Mitläufer und all jene zu verurteilen, die das Naziregime getragen und gewollt haben - und das waren nahezu alle, das sehe ich genau so - steht und weder zu, noch hilft es weiter.
Ich stimme ihnen ebenso zu, wie ich den Gegnern zustimme. So wie ich es in Aufstellungen bisher erlebt habe, waren sie beide von einer größeren Kraft getragen, die ich nicht benennen kann. Sie zeigt sich aber in Aufstellungen. Und die, welche "Heil" geschrien haben und aktiv oder passiv mitgemacht haben, die waren im Einklang mit der Bewegung des Volks- oder Gesellschafts-Systems, zu dem sie gehörten. Insofern waren sie nach ihrem systemischen Gewissen "gut" und durften dazu gehören. Das ist, was wirkt. Und die andere Seite, die wirkt ist: die vielen Opfer und die nicht genommene Schuld. Denn die war wollte man dazu gehören - unausweichlich. Und ebenso wie alle eingebunden waren in Größeres, waren sie auch verantwortlich. Das eingebunden Sein enthebt nicht der Schuldigkeit von Geben und Nehmen. So kann es sein, dass ein Mörder unausweichlich zum Mörder werden muss, so er verstrickt ist und dem nicht entkommen kann, so lange die Verstrickung besteht. Und dennoch ist er individuell auch verantwortlich. Und beide Seiten wirken bis heute, so zeigt es sich zumindest in Aufstellungen, wo dies eine Rolle spielt.
Wir heute haben es leicht, die von damals zu verurteilen und uns über sie zu stellen. Dass es heute im Grunde (wenn auch bisher in den Auswirkungen noch nicht so heftig) nicht besser ist, zeigt die Hetze gegen Aufsteller und der dahinter stehende Vernichtungswille nur zu plastisch. Lezterer ist dem der Menschen damals nicht unähnlich, slebst wenn er sich bisher auf die Verncihtung der materiellen Grundlage der Existenz richtet. Aber wenn man hört, dass der Bäcker aufgrund der Hetze Bert Hellinger die Brötchen verweigert hat (so geht das Gerücht), dann kann man ermessen, was da noch drin ist.
Und deswegen haben auch die wenigen, die den Mund ansatzweise haben aufgemacht, gegen solch ein Vorgehen, keine Chance gehabt.
Die Gegner hatten schon deswegen keine Chance, weil sie sich gegen die Bewegung des Systems gestellt haben, ja stellen mussten. Denn auch sie waren eingebunden und konnten nicht anders.
Was ist so schlimm daran, zu seinen Taten zu stehen? Die Feigheit hindert daran. (Das ist zwar jetzt ein Urteil, aber mir fällt nichts besseres ein.) Und deswegen eskaliert darüber auch der Konflikt, den Hellinger sich wagte anzusprechen, welche Dymaniken dahinter stehen.
Sich dem unsäglichen Schmerz über die Opfer wirklich zu stellen, haben die Deutschen bisher noch nie geschafft. Statt dessen werden die Führer verteufelt, als wären sie vom Volke abgetrennt zu sehen und als hätte keiner sie damals gewählt.
Wer sich dem eigenen Tätersein stellt, der muss erkennen, wie normal ein Hitler ist und dass er in uns allen ist. Wer Hitler ablehnt, der lehnt auch sich ab, wer die Opfer leugnet der leugnet sich selbst (und sein Täterpotential).
Aus den Aufstellungen, die ich geleitet oder miterlebt habe kann ich dir sagen: es ist ein unsäglicher Schmerz, dem wir uns da noch zu stellen haben. Und der kommt ans Licht, wenn wir so mutig wie Bert werden und uns dem stellen.
In einer Rezension zum Film "Der Untergang" schreibt die liberale Kopenhagener Zeitung «Politiken» in einem Leitartikel vom vergangenen Freitag:
Der Film zeigt auf unangenehmste und fast unerträgliche Weise, dass alle Menschen das Gute und das Böse in sich tragen.
Die führende konservative Zeitung «Berlingske Tidende» meint:
Der Film ist so anti-nationalsozialistisch, wie man sich das nur vorstellen kann, indem er Mitgefühl und Mitmenschlichkeit auch gegenüber denen zeigt, die das vielleicht nicht verdienen.
Damit stehe er im direkten Gegensatz zu den eiskalten Zynismus, dem Hitler im Film Ausdruck verleihe.
Und nachdem im Hirschbiegel-Film eine ähnliche Haltung, wie der Arbeit Hellingers erkennbar wird, mag diese Einschätzung auch für Hellingers Erkenntnisse zum Umgang mit der Nazizeit gelten:
Er ist durch seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl gerade auch den Tätern gegenüber so anti-nationalsozialistisch, wie man nur sein kann.
Christoph