Da diverse Threads zum Thema Sucht oder suchtähnlichem Verhalten gestartet wurden, hier ein kurzer "Input" aus Sicht der Forschung:
Quelle: Suchtforschung auf neuen Wegen, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Reihe BMBF PUBLIK, 2004
[...]„Sucht“ leitet sich sprachlich von „Siechen“ ab, nicht etwa von „Suchen“. Doch ein Blick ins Wörterbuch zeigt, dass wir es mit der sprachlichen Herkunft nicht allzu genau nehmen: Als „Süchte“ findet man dort etwa die Begriffe Sehnsucht, Eifersucht, Heroinsucht – also das als positiv bewertete Sehnen nach einer Person, Situation oder nach einem bestimmten Flecken Erde, ebenso wie das ambivalent beurteilte Verhalten (von der „gesunden Portion“ Eifersucht bis zur krankhaft gesteigerten) gegenüber dem Partner und schließlich die zerstörerische Abhängigkeit von einer Droge.
Selbst als medizinischer Begriff findet die Sucht breite Anwendung; da ist von Ess-Brech-Sucht die Rede, von der Spiel- oder Sexsucht, ja sogar von Fernseh- oder Computersucht sprechen manche. Das Etikett Sucht muss für praktisch jede Form eines Substanzkonsums, einer Tätigkeit oder eines Verhaltens herhalten, die der Umwelt als exzessiv anmutet.
Der freizügige Gebrauch des Begriffs erschwert es, sich ein klares Bild vom Phänomen der Sucht zu machen. Und zwar in zwei Richtungen: Ein Faible für Schokolade als Sucht zu bezeichnen, bedeutet, die Schwere einer Alkohol- oder Kokainsucht unverantwortlich zu bagatellisieren. Stundenlangen Fernsehkonsum oder den starken Wunsch nach Sex begrifflich in die Nähe einer Nikotin- oder Medikamentensucht zu rücken, heißt wiederum, jede ausgeprägte Neigung zur Krankheit zu erklären. Der Sinngehalt des Begriffs droht zwischen Unter- wie Übertreibung zerrieben zu werden. [...]
[...]In dem Krankheitsinventar der ICD-10 ist auch festgelegt, ab wann man von einer Abhängigkeit sprechen muss, nämlich dann, „wenn der Konsum einer Substanz oder Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden“. Dabei enthält die Liste 8 Kriterien, von denen auf die Person während des letzten Jahres drei zutreffen müssen, um von Abhängigkeit sprechen zu können. Hierzu gehören etwa die verminderte Kontrollfähigkeit, das Auftreten von Entzugserscheinungen, die Tendenz zur Dosissteigerung und ein fortgesetzter Konsum selbst bei bereits eingetretenen schädlichen Folgen.
Süchtiges Verhalten läßt sich als nicht an der Menge oder der Häufigkeit des Drogenkonsums festmachen, sondern am Auftreten einer Abhängigkeit, mithin am Freiheitsverlust beziehungsweise Freiheitsverzicht der Person.[...]
Quelle: Suchtforschung auf neuen Wegen, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Reihe BMBF PUBLIK, 2004