Es stellt sich doch die Frage, wo hört geistige Gesundheit auf und wo fängt geistige Krankheit an. Die Grenzen sind fließend. Ich bin allerdings immer noch der Meinung, dass ein geistig gesunder Mensch nicht hergeht und tötet, egal aus welcher Motivation heraus.
Nicht jeder der stark auf eine Ideologie fixiert ist, tötet auch. Und der Täter aus Halle war nicht nur stark auf eine Ideologie fixiert, er war zudem auch noch gewalt- und tötungsbereit. Und aus Frust, weil er nicht in die Synagoge kam, hat er sinnlos auf alles geschossen, was ihm vor seine selbstgebastelte Flinte kam, obwohl es mit seiner verqueren Ideologie überhaupt nichts zu tun hatte. Er gehört verurteilt und weggesperrt, egal ob verrückt oder nicht.
Das ist ein bedeutender Aspekt. Ich selbst sehe das sogar sehr extrem und bin der Ansicht, dass fast alle Menschen (mich selbst eingeschlossen) nicht vollkommen psychisch gesund sind.
Grund ist: Ich definiere psychische Gesundheit als Abwesenheit jeglicher psychischen Störung, wobei ich letzteres als leid-verursachend definiere - die Person selbst und/oder andere Menschen. Das ist sehr extrem, macht es dann aber möglich ist verschiedenen "Graden" weiter zu denken.
Beispiel: Wenn man bei sich selbst und bei anderen die man gut kennt an die schlimmsten Situationen denkt die jeweilige Psyche betreffend, also etwa Wutausbrüche oder Eifersucht oder Angstattacken oder depressiver Zustand oder Nervenzusammenbruch oder was auch immer: Die Intensität ist hoch und zwar so hoch, dass wenn ein solcher Zustand dauerhaft wäre oder sich in recht kurzen Abständen wiederholen würde, kaum jemand an der Psychiatrie vorbeikäme.
Insofern gehe ich davon aus, dass die Mehrheit der Menschen zumindest nicht vollkommen psychisch gesund ist. Gleichzeitig ist das aber ja durchaus normal und nicht vergleichbar mit einem Täter wie Breivik oder wie dem aus Halle usw.
Einige würden auf geistige Gesundheit schließen weil der Täter lange geplant hat, er nicht einfach aus einem spontanen psychotischen Anfall loszog und Menschen ermordete. Ich sehe das nicht ganz so, denn die Dauerhaftigkeit der Planung lässt ja darauf schließen, dass er dauerhaft ein wahnhaftes Weltbild und (gewünschtes) Selbstbild "erzeugte". Schon die Planung war m.A.n. eine Form der "Ersatzhandlung", eine Möglichkeit das eigentlich miese Selbstbild in ein übersteigertes Selbstbild zu projezieren während dem extrem mangelhften Status Quo Sinn gegeben und (weil) Schuld projeziert wurde.
Prinzipiell ist das noch nichts ungewöhnliches. Jugendliche die davon träumen Stars zu werden und dann Dieter Bohlen die Schuld geben tun das auch. Aber dieser Täter hat gemäß einer wahnhaften antisemitischen Ideologie den Mord an vielen Juden geplant - gleichzeitig sich selbst dabei in den Mittelpunkt der "Bewunderung" gestellt. Warum ich darauf hinweise: Er hat so viel getan was für "die Sache" nicht nur unnötig sondern hinderlich war --> Narzissmus (Helmkamera v.a. aber nicht nur).
Letzteres ist wirklich ein großer Unterschied zu Terroristen die sich eher als Soldaten begreifen die eine Mission erfüllen, daher Wert auf höchstmögliche Effektivität legen, alles weglassen was die Erreichung des Ziels gefährden könnte, gleichzeitig oft mit anderen kooperieren.
Und ich glaube, dass dieser selbstgeschaffene Zustand mit der Helmkamera und der Kommunikationsmöglichkeit (er hat ja zu einem "Publikum" gesprochen) zu dem Druck führte sozusagen "liefern zu müssen", unmöglich machte das Scheitern des eigentlichen Anschlags irgendwie zu akzeptieren, und daher Amok zu laufen. Und er hat das ja im Grunde auf verschiedene Art und mehrfach auch kommuniziert.