"Your body is a battlefield!"

S

SammyJo

Guest
Aus gegebenem Anlaß:


Your body is a battlefield!

Oder: Der Körper zwischen Beschädigung und Modifikation. "Rokko´s Adventures"-Autor Daniel Krcal hat sich mit Phänomenen wie Stechen, Schneiden oder gar Hirnaufbohren beschäftigt. Daß der Mensch gern mit sich selbst spielt, ist schließlich nichts Neues - die Auswüchse solcher Basteleien spalten jedoch seit jeher (nicht nur) die Gesellschaft. 16.01.2009

"Your body is a battlefield" konstatierte dereinst die Photographin und Konzeptkünstlerin Barbara Kruger. Was als feministische Kampfattitüde gedacht war, ist im Grunde genommen so etwas wie die Formulierung einer anthropologischen Grundkonstante, nämlich der einer grenzüberschreitenden und kodifizierenden Aneignung und Adaptation des menschlichen Körpers. Körpermodifikation mit und ohne Funktion, Selbstschädigung, die Lust am Verstümmeln von Leibern und vieles mehr - der menschlichen Phantasie sind in der Kolonisierung des Körpers scheinbar keine Grenzen gesetzt. In diesem kleinen Special werden ein paar herausragende Gestalten exemplarisch behandelt. Genausogut hätten es auch andere sein können, so quantitativ stark vertreten ist die Körperthematik in und abseits der Kunst. Eigentlich nicht verwunderlich - ist er doch das uns nächste, das wir haben. Einen kleinen Überblick über die Formen körperlicher Modifikationen soll der folgende Text bieten.


Im Gegensatz zu diesen beiden fiktiven Exempeln stehen natürlich Künstler, die sich tatsächlichen Torturen aussetzen. Da wäre zum Beispiel Douglas Gordon, der seine abgeschnürten Hände 60 Minuten lang filmte, bis sie blau anliefen und beinahe abgestorben wären. Doch anders als bei der aktionistischen Selbstverliebtheit eines sich selbst beschädigenden Brus ging es Gordon um das, was sein Film beim voyeuristischen Publikum evoziert. Er wollte die Zuschauer spüren lassen, daß in ihnen ein sadistischer Zug steckt - für Douglas eine logische Folge der Schaulust.

In einer anderen videodokumentarischen Aktion machte sich der Amerikaner Chris Burden zur Zielscheibe eines Revolverprojektils: Aus fünf Metern Entfernung schoß ihm ein Freund in den linken Oberarm.

Doch was, wenn der Künstler die Kontrolle noch mehr aus der Hand gibt und sich dem Publikum direkt ausliefert? Diese Frage wurde wohl am radikalsten von der Body-Art-Pionierin Marina Abramovic im Selbstversuch durchgespielt. Bei ihrer Aktion "Rhythm 0" hatte sie beinhart sechs Stunden Regungslosigkeit durchgehalten, während sie das Publikum mit 72 an ihr zu benutzenden Gegenständen konfrontierte. Nach einer langen und zögerlichen Zeit entwickelte die Situation eine dramatische Eigendynamik: Zuschauer begannen Abramovic die Kleider vom Leib zu schneiden und ihr blutende Verletzungen zuzufügen, und plötzlich stand auch die Möglichkeit sexueller Übergriffe im Raum. Zwei Gruppen bildeten sich: eine das Äußerste fordernde und eine beschützende, die der Künstlerin eine geladene Pistole in die Hand und ihren Finger an den Abzug legte. Daraufhin kam es zu Schlägereien, um nicht zu sagen Machtkämpfen um die Vorherrschaft über die noch immer regungslose Abramovic.


http://www.evolver.at/stories/Koerperkunst_01_2009/


Eine phantastische Vorführung (ein Akt der Kunst), wie "Mensch" entgleist immer wieder zu entgleisen droht und jegliche Grenzen und Tabus fallen lässt, wenn der Blutgeruch zu stark geworden ist. Wahrhaft mutige Menschen.


Da sich dies auf einige aktuell laufende Themen übertragen lässt, stellt sich die Frage: Gibt es Grenzen bei der Selbstverstümmelung, Selbst- und Fremdkasteiung und zur Schau gestellten Entwürdigung, oder sollte man im Zuge der "Toleranz" alles, wirklich alles abnicken und durchreichen? Ich hoffe, daß die Zusammenhänge deutlich werden.

:morgen:
 
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Das sind Folgen einer aus dem Ruder gelaufenen Gesellschaft, eines gescheiterten Projekts, das gar nicht mehr versucht Werte zu vermitteln, sondern nur noch selektiert nach brauchbar und unbrauchbar für wirtschaftliche Interessen. Wenn ich schon nichts mehr werden kann, so kann ich immer noch auffallen, egal ob positiv oder negativ. Da ersteres auch mit größtem Leistungseinsatz kaum noch möglich ist, bleibt mir halt nur noch die andere Tour. Hauptsache Aufmerksamkeit. Wenn ich dabei draufgehe, ist auch nichts verloren, denn es ist eh alles Sch....

Und der Nervenarzt weiß auch nicht mehr wie es weitergeht...... dudummm - dudumm - dadei :gitarre:

esoterix
 
Also, ich denke, wenn einer fähig ist, sich die Hände solange abzubinden, dann hat er praktisch kein Körpergefühl! Ist schon fast ein Zombie! Das hat sicher Gründe, die man u.a. auch in den Büchern von Alice Miller nachlesen kann.
Keine Ahnung, wie man mit sowas umgeht, ich guck es mir lieber nicht an.
Man kann sein Körpergefühl wiedergewinnen, allerdings muss man dann durch extrem viel Schmerz durch, wie viele Opfer sicherlich bestätigen werden.
Ich denke, man sollte solche Darstellungen ächten, aber alternativ den Betroffenen immer wieder Therapiemöglichkeiten anbieten.
 
Ich möchte nochmal folgendes betonen. Hier tun sich im Grunde genommen zwei verschiedene Diskussionsfelder auf:


1. Der künstlerische Akt an sich und seine möglichen Grenzen.

2. Was dieser künstlerische Akt für eine Aussage beinhaltet, welche Implikationen möglich sind, wie sich diese Schlüsse auf unser Gesellschaftssystem und speziell auf (Stichwort Würde-Thread z.B.) die Medienlandschaft übertragen lässt, bzw. wie weit die Duldung und Toleranz des breiten Angebots gehen sollte.

Vielleicht wird es jetzt klarer, was ich mit "gegebenem Anlaß" meine für die, die den Menschenwürde-Thread noch nicht gelesen haben.

Speziell beim Abramovíc-Projekt dürfte klar werden, welche Ausuferungen denkbar sind. So und dann schauen wir uns die Filmchen, die diversen somit nochmal bei Lichte an und gucken, was passiert, wenn dem nicht Einhalt geboten, sondern es sogar noch gefördert wird.

Sollten wir nicht dann und wann mal öfter in die Selbstkritik und in die Selbstreflexion gehen und schauen, was wir da eigentlich so machen und machen lassen und wie sich daran ergötzt wird. Oder einfach nur die Toleranzschwelle weiter und weiter und weiter und weiter stecken? Vielleicht bis hin zur echten Verstümmelung, dem echten Mord auf der Bühne, vor der Kamera?

An Entwürdigung ist ja so ziemlich alles schon erreicht, da der Mensch jedoch "evolutionär" veranlagt ist und nach mehr und mehr fragt, muß es also Steigerungen geben, was wäre also die maximale Steigerung?

:confused:
 
Aus gegebenem Anlaß:








http://www.evolver.at/stories/Koerperkunst_01_2009/


Eine phantastische Vorführung (ein Akt der Kunst), wie "Mensch" entgleist immer wieder zu entgleisen droht und jegliche Grenzen und Tabus fallen lässt, wenn der Blutgeruch zu stark geworden ist. Wahrhaft mutige Menschen.


Da sich dies auf einige aktuell laufende Themen übertragen lässt, stellt sich die Frage: Gibt es Grenzen bei der Selbstverstümmelung, Selbst- und Fremdkasteiung und zur Schau gestellten Entwürdigung, oder sollte man im Zuge der "Toleranz" alles, wirklich alles abnicken und durchreichen? Ich hoffe, daß die Zusammenhänge deutlich werden.

:morgen:


Wow, dann gibt es sowas ja tatsächlich schon... :confused:
 
Hi,

da stellt sich für mich die Frage, wenn ich an eine Grenzsituation komme, wie reagiere ich? Keine Ahnung:dontknow:
Ich denke es ist mehr möglich als man sich selbst zugestehen möchte.
lg
 
Körperkunst hat keinen anderen Zweck, als den Körper zu transzendieren und den beschränkten Begriff der den Mensch von "Körper" hat zu sprengen um die Möglichkeit eines Metakörpers greifbar zu machen... in einer Zeit in der Protesen und Maschinen also Verlängerung des Körpers oder als zweiten Körper über dem Körper (Raumanzug, Taucheranzug) ein Gedankengang der noch zu wenig gedacht wurde.

Und natürlich das Gegenteil davon, den Virituellen Körper, die Absenz von Körper und einem nach eigenen Gutdünken designeten Körper in der Digitalen Welt, der wiederum den begrüff "Körper" in den engen SChranken wie er jetzt gedacht wird ad absurdum führen.


Weiter ist das Erleben von Schmerz eine Erfahrung die den meisten Menschen heute Fehlt... Schmerz wird geflohen und damit fehlt uns eine überaus Elementare Erfahrung. Wenn man bedenkt, dass es in Friedenszeiten mehr Selbsmorde, depressionen usw gibt als in Kriegszeiten, dann kann man schnell darauf kommen, dass in einer Antiseptischen, Sterilen, Reizminimierten, zivilisierten Umwelt eben doch was fehlt... z.b. die Existentielle Elementarerfahrung...

Insofern sind Künstler, die in ihren Körper eingreiffen, auch mit Schmerzen und uns an diesen Schmerzen Zeithaben lassen Katalysatoren, Schamanen, die zur Geisigten Gesundheit der Zivilisation an sich beitragen... so wie im Mittelalter die Flagelanten

lG

FIST
 
Ich mag keine Schmerzen.
Meine Geburtsschmerzen reicht für mein restliches Leben.
No thanks:wut1:

lg
 
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Wenn ihr dem Link mal komplett folgend wolltet, werdet ihr feststellen, worum es bei diesen Projekten, speziell dem der Abramovic, geht bzw. ging.

Somit ist dann auch der Bezug hergestellt, zum eigenen sadistischen Zug, der dem einen mehr, dem anderen weniger innewohnt.

Und eben die Frage von mir gestellt, ob wir das wirklich ins Grenzenlose ausdehnen und überziehen müssen, um immer größere Kicks zu bekommen? (Verbindung zum Menschenwürde-Tret-Thread jetzt klar?)

:morgen:
 
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